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Schicksal Buchenwald

Vor 80 Jahren erste Häftlinge im KZ Buchenwald

  • Veröffentlicht: 15.07.2017
  • 11:10 Uhr
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Vor 80 Jahren, am 15. Juli 1937, sperrten die Nationalsozialisten die ersten Häftlinge im KZ Buchenwald bei Weimar ein.

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Am 15. Juli 1937 steht der 52-Jährige Friedrich Peters zum ersten Mal auf dem Ettersberg, einem knapp 500 Meter hoch gelegenen Berg bei Weimar. Er gehört zu den ersten 149 Häftlingen, die ins neu eingerichtete Konzentrationslager Buchenwald verschleppt werden. Noch ist von einem Lager kaum etwas zu erkennen, das sollen die Gefangenen selbst aufbauen. Hinter Peters, Nazi-Gegner aus Flensburg, liegen da bereits mehr als vier Jahre Haft - erst Gefängnis, danach die KZ Esterwegen im Emsland und Sachsenhausen bei Berlin. 80 Jahre nach der Lagererrichtung haben Historiker die Schicksale der ersten Häftlinge von Buchenwald, einem der größten nationalsozialistischen Konzentrationslager, erstmals umfassend dokumentiert.

«Wir haben die Inhaftierungswege dieser Männer nachvollzogen», sagt Henning Borggräfe, Historiker beim Suchdienst International Tracing Service (ITS) im hessischen Bad Arolsen, der bei der Erforschung von Häftlingsschicksalen seit kurzem mit KZ-Gedenkstätten wie Buchenwald kooperiert. Der Suchdienst stellt ihnen von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) zusammengetragene und vollständig digitalisierte Unterlagen über NS-Opfer zur Verfügung. Allein für Buchenwald sind das nach Angaben der Gedenkstätte zwei Millionen vollständig digitalisierte Unterlagen für mehr als 200 000 Häftlinge.

Zuerst nur politische Häftlinge

So untersuchten die Forscher, woher die ersten Gefangenen kamen, warum sie inhaftiert wurden, wie lange sie gefangengehalten wurden, ob sie überlebten oder zu den 56 000 Todesopfern des Lagers gehörten. In das KZ und seine Außenlager hatten die Nazis 280 000 Menschen verschleppt.

«Die ersten Häftlinge trugen überwiegend den grünen Winkel, sie waren meist Kleinkriminelle», erläutert Borggräfe, der die Erkenntnisse über diese Nazi-Opfer am Freitagabend in einem Vortrag im Weimarer Stadtmuseum vorstellt. Den Nazis galten sie als «Berufsverbrecher». Friedrich Peters, der die Häftlingsnummer 44 erhält, gehörte zu den 52 politischen Häftlingen unter den Neuankömmlingen. Die Ankunft der Männer, die aus Sachsenhausen nach Weimar transportiert wurden, fällt in jene Phase, in der die Nationalsozialisten ein über Deutschland verteiltes neues System großer Konzentrationslager aufbauen.

Weimarer Betriebe versorgten das KZ

«1936 gingen sie dazu über, eine neue Lagergeneration zu errichten, die direkt der SS unterstellt war», erläutert Rikola-Gunnar Lüttgenau, stellvertretender Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 eingerichteten provisorischen Lager wurden zugunsten der großen aufgegeben. Mit elektrisch geladenen Stacheldrahtzäunen, Wachtürmen und dem Terrorapparat aus Mord, Folter und Zwangsarbeit sollten sie Angst und Schrecken verbreiten und die Menschen im Sinne der NS-Ideologie gefügig machen. Buchenwald war nach Sachsenhausen die zweite große Lager-Neugründung unter der SS-Reichsführung.

Dabei hätten sich die Nazis nicht sonderlich um Geheimhaltung geschert, so Lüttgenau. «Im Gegenteil. Man kann von einer regelrechten Pressekampagne sprechen, mit der das Lager bekanntgemacht wurde.» Auch angesichts der engen Verflechtungen mit der Stadt Weimar sei es Ende der 1930er Jahre unmöglich gewesen, «dort aufzuwachsen, ohne von der Existenz des Lagers zu wissen». Weimarer Betriebe versorgten das KZ, die SS-Uniformen der Wachmannschaften gehörten zum Stadtbild, im städtischen Krankenhaus wurden Gefangene zwangssterilisiert, die Leichname von Häftlingen zunächst im Krematorium der Stadt eingeäschert. Erst 1940 erhielt das Lager ein eigenes Krematorium.

Thüringen ein NS-Mustergau

Dass ausgerechnet in Weimar, der Stadt Goethes, Schillers und Herders, eines der größten NS-Konzentrationslager entstand, war kein Zufall. «Thüringen war im Verständnis der Nazis ein NS-Mustergau», so Lüttgenau. Die Nazis hatten hier schon frühzeitig Fuß gefasst, seit den 1920er Jahren herrschte ein antidemokratisches, völkisches Klima, das nicht zuletzt zur Vertreibung des in Weimar gegründeten Bauhauses führte.

Im Januar 1930 rückte in Thüringen mit Wilhelm Frick (1877-1946) - später Hitlers Innenminister – erstmals überhaupt ein NSDAP-Mitglied in eine Landesregierung ein. Nach den Landtagswahlen 1932 bestand die Landesregierung fast ausschließlich aus NSDAP-Mitgliedern. An der Spitze stand Fritz Sauckel (1894-1946), der ab 1942 die Verschleppung von Millionen Zwangsarbeitern nach Deutschland organisierte.

«Der Großteil der ersten 149 Buchenwald-Häftlinge ist noch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges wieder entlassen worden», hat Borggräfe recherchiert. Mindestens 15 von ihnen seien aber während des Krieges erneut verhaftet und in andere Lager wie Mauthausen oder Flossenbürg gebracht worden, wo sie umkamen. Friedrich Peters durchleidet fast acht Jahre in Buchenwald. Im April 1945 gehört er zu jenen rund 20 000 Häftlingen, die die Befreiung durch US-Truppen erleben. Danach verliert sich seine Spur für die Forscher.

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