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Heftiger Streit um Syrien im UN-Sicherheitsrat

Ban Ki-Moon spricht von "Kriegsverbrechen"

  • Veröffentlicht: 25.09.2016
  • 22:57 Uhr
  • dpa
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© dpa

Die USA und Russland haben sich bei Beratungen zum Leid in Aleppo gegenseitig die Schuld zugeschoben. UN-Chef Ban Ki-Moon spricht von "Barbarei" und "Kriegsverbrechen". Derweil setzen das syrische Regime und seine Verbündeten die Bombardements fort.

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Schlagabtausch im UN-Sicherheitsrat: Nach den heftigsten Bombardierungen Aleppos im gesamten syrischen Bürgerkrieg haben sich Russland und die westlichen Staaten am Sonntag in New York gegenseitig die Schuld für die Eskalation der Gewalt vorgeworfen. Am Rande der Sondersitzung nahm der als zurückhaltend bekannte UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon kein Blatt mehr vor den Mund. Was in Aleppo geschehe, sei "Barbarei" und "Kriegsverbrechen", sagte er vor Journalisten. 

Vorangegangen war in den vergangenen Tagen ein Bombenhagel des syrischen Regimes und seiner Alliierten auf die Rebellengebiete der belagerten Stadt. In Aleppo und seinem Umland wurden mehr als 230 Zivilisten getötet. Moskau ist ein einflussreicher Verbündeter von Machthaber Baschar al-Assad.

"Glaubt Russland wirklich, dass es Vertrauen gewinnen kann, wenn es auf der einen Seite über Waffenruhe verhandelt und auf der anderen das Regime unterstützt, das Aleppo bombardiert?", fragte der französische UN-Botschafter Francois Delattre in New York.

Moskau wies die Kritik zurück

"Frieden nach Syrien zu bringen, ist inzwischen fast unmöglich", entgegnete sein russischer Kollege Witali Tschurkin. Er beschuldigte Washington "nicht ausreichend Einfluss auf die mit ihnen verbündeten Gruppen auszuüben" und damit seine Verpflichtungen für die Waffenruhe nicht zu erfüllen. 

Bans Sonderbeauftragter für den Syrien-Konflikt, Staffan de Mistura, appellierte an die USA und Russland, dem gebrochenen Waffenstillstandsabkommen noch eine Chance zu geben. "Als naiver UN-Vertreter hoffe ich, daran glauben zu dürfen, dass ihre Zusagen ernst gemeint waren", drängte er die beiden Vetomächten. 

Bereits am Samstag hatten die Außenminister unter anderem der USA, Deutschlands und Großbritanniens laut offizieller Übersetzung heftige Kritik an Moskau geübt. Die Geduld sei "im Hinblick auf Russlands fortgesetzte Unfähigkeit oder die fehlende Bereitschaft, seinen Verpflichtungen nachzukommen, nicht unbegrenzt", betonten die Minister nach einem Treffen in Boston. Moskau wies die Kritik zurück.

Das syrische Regime hatte eine Bodenoffensive angekündigt

Nach dem Dauerfeuer der Vortage setzten die syrische und russische Luftwaffe am Sonntagvormittag ihre Angriffe für einige Stunden aus. Die Bombardements gingen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte im Tagesverlauf aber weiter. Am Sonntag seien wieder mindestens 23 Menschen in Aleppo getötet worden, darunter wenigstens zwei Kinder.

Das syrische Regime hatte vor Wiederaufnahme der Luftangriffe am Donnerstag eine Bodenoffensive angekündigt, um die Stadt vollständig zurückzuerobern. Aleppo ist die letzte verbliebene Großstadt in Syrien, in der Rebellen noch größere Gebiete kontrollieren. Mindestens 250.000 Menschen harren im belagerten Ostteil der Stadt trotz widrigster Lebensumstände aus. In ganz Aleppo sollen zwei Millionen Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten sein.

Regierungstruppen und Kämpfer der mit ihnen verbündeten Milizen verloren das am Samstag eroberte Flüchtlingslager Handarat im Norden der Rebellengebiete am Sonntag allerdings wieder an die Aufständischen. Assads Truppen werden neben Russland auch vom Iran und der Schiitenmiliz Hisbollah unterstützt. Auch Milizen aus Afghanistan und dem Irak sollen unter den Unterstützern sein.

Die USA und Russland machen sich gegenseitig verantwortlich

Die westlichen Außenminister forderten von Russland ein Ende der eskalierenden Gewalt. Es liege an Moskau, die diplomatischen Bemühungen zu retten. Die Ereignisse in Syrien, insbesondere in Aleppo, stünden im eklatanten Widerspruch zur russischen Behauptung, eine diplomatische Lösung in Syrien zu unterstützen. Neben den USA, Deutschland und Großbritannien unterstützen auch Frankreich, Italien und die EU-Außenbeauftragte die Forderungen. Frankreich teilte zudem mit, Russland und der Iran könnten sich "Komplizen der in Aleppo begangenen Kriegsverbrechen" machen.

Zudem kritisierte die Erklärung der Außenminister die wiederholten Berichte über eingesetzte Chemiewaffen durch das syrische Regime und den verheerenden Angriff auf einen UN-Hilfskonvoi vor einer Woche. Die USA und Russland machen sich gegenseitig für den Vorfall verantwortlich, bei dem am Montag 21 Zivilisten getötet worden waren.

Die Gewalteskalation in Syrien nach dem Zusammenbruch der Waffenruhe legt Beobachtern aus Washington und Moskau zufolge den Schluss nah, dass Russland und die Syrische Regierung es für möglich halten, den Krieg militärisch gewinnen zu können. Aleppo gilt als wichtigstes Schlachtfeld in dem fünfeinhalb Jahren andauernden Konflikt, der bereits mehr als 300.000 Menschenleben gefordert hat. Eine Eroberung der Stadt könnte für das Regime einen Wendepunkt im Bürgerkrieg bedeuten.

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