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Erdogan zielt direkt auf Merkel

Erdogan wirft Merkel "Nazi-Methoden" vor

  • Veröffentlicht: 19.03.2017
  • 17:33 Uhr
  • dpa
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© dpa

Schon bisher hat die Türkei im Streit mit Deutschland verbal mächtig auf den Putz gehauen. Nazi-Methoden und faschistisches Vorgehen, polterte Ankara.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich "Nazi-Methoden" vorgeworfen. "Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an", sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul an Merkel gerichtet. "Bei wem? Bei meinen türkischen Geschwistern in Deutschland, bei meinen Minister- Geschwistern, bei meinen Abgeordneten-Geschwistern, die dorthin reisen", sagte Erdogan. Mit Blick auf Europa sagte Erdogan, dort könnten "Gaskammern und Sammellager" wieder zum Thema gemacht werden, aber "das trauen sie sich nur nicht." Offen ließ Erdogan, wen er mit "sie" genau meinte. Die CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner reagierte entsetzt auf die neuen Ausfälle gegen Merkel: "Ist Herr Erdoganüberhaupt noch ganz bei Sinnen?", fragte sie.

Auf die Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker reagiert die türkische Regierung seit Wochen mit immer schärferen Ausfällen. Die Türken stimmen am 16. April über die Einführung eines Präsidialsystems ab, das Erdogans Machtbefugnisse nach Ansicht von Kritikern sehr stark ausweiten würde. Eine Mehrheit für Erdogan gilt jedoch nicht als sicher.

Deutschland reagiert zurückhaltend

Die Bundesregierung hat bisher zurückhaltend auf die Verbalattacken aus Ankara reagiert. Klöckner rief die in Deutschland lebenden Türken nun aber auf, sich öffentlich zu wehren. "Denn Ihnen wird somit auch unterstellt, sie würden als in Deutschland lebende Bürger nichts gegen Nazi-Methoden haben." Sie sprach sich dafür aus, Erdogan politischen Wahlkampf in Deutschland zu verbieten und die EU-Heranführungshilfen in Milliardenhöhe zu streichen. Vielleicht brauche "Herr Erdogan einfach mal ein Blockseminar in Geschichte, Anstand und Völkerverständigung."

Noch vor den neuen Ausfällen Erdogans warnte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz den türkischen Präsidenten davor, Menschen in Deutschland durch Nazi-Vergleiche gegeneinander aufzuhetzen. "Deshalb muss man auch Herrn Erdogan mit klaren Worten sagen, dass das so nicht geht", sagte Schulz in seiner Parteitagsrede in Berlin an die Adresse Erdogans. Indirekt kritisierte Schulz das Agieren von Kanzlerin Merkel. Ein deutscher Kanzler könne durchaus - bei allen notwendigen diplomatischen Gepflogenheiten - in so gewichtigen Fragen eine klare Position einnehmen - wie Gerhard Schröder es mit seinem Nein zum Irak-Krieg getan habe. "Ein deutscher Bundeskanzler muss diese klare Haltung zeigen, wenn es um die Verteidigung unserer grundlegenden Werte geht."

Putsch als Vorwand für Massenentlassungen

Der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik wies unterdessen in scharfer Form die vom BND geäußerten Zweifel an den Hintergründen des Putschversuchs in der Türkei vom vergangenen Juli zurück. Wenn der Chef des deutschen Geheimdienstes (BND) Zweifel daran äußere, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch stecke, werfe dies die Frage auf, "ob nicht der deutsche Geheimdienst hinter diesem Putsch steckt", sagte Isik dem Sender Kanal 7 am Sonntag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

BND-Chef Bruno Kahl hatte im "Spiegel" die türkische Darstellung angezweifelt, die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen sei für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Erdogan-Sprecher Ibrahim Kalin wertete dies als weiteren Hinweis darauf, dass Deutschland die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen "unterstütze".
Kahl hatte die Rolle der Gülen-Bewegung bei dem Putschversuch und damit die Begründung Erdogans für Massentlassungen und Zehntausende Festnahmen in Frage gestellt: "Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen", sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Zudem drehte Kahl die türkische Argumentation um: Der Putsch sei nicht Auslöser, sondern "willkommener Vorwand" für Massentlassungen gewesen, die ohnehin geplant gewesen seien. "Deshalb dachten Teile des Militärs, sie sollten schnell putschen, bevor es auch sie erwischt. Aber es war zu spät", sagte Kahl.

Vorwurf der Doppelmoral

Kalin bezichtigte Deutschland auch der Unterstützung von Terroristen, weil am Samstag Zehntausende Kurden in Frankfurt gegen die türkische Regierung demonstrieren durften. Bei der Kundgebung, die sich vor allem gegen das Verfassungsreferendum richtete, waren auch verbotene Porträts des Anführers der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, Abdullah Öcalan, mitgeführt worden. Es zeuge von Doppelmoral, wenn auf der Kundgebung Symbole der verbotenen PKK gezeigt werden könnten, während zugleich türkische Minister daran gehindert würden, in Deutschland Wahlkampf zu betreiben.
Die Polizei in Frankfurt kündigte unterdessen rechtliche Schritte gegen die Träger von Öcalan-Porträts an.

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