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Türkischer Geheimdienst im Visier

Ermittlungen wegen Spionageverdachts

  • Veröffentlicht: 28.03.2017
  • 18:47 Uhr
  • dpa
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Der Vorwurf wiegt schwer: In Deutschland lebende Türken sollen vom türkischen Geheimdienst ausspioniert worden seien. Das ruft auch den Bundesanwalt auf den Plan, deutsche Politiker sind empört.

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Wegen des Verdachts der Spionage in Deutschland ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den türkischen Geheimdienst MIT. Hintergrund sind Hinweise, dass türkische Agenten möglicherweise in großem Umfang angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert haben. Der deutsche Verfassungsschutz geht dem nach. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte am Dienstag, die Untersuchungen ihrer Behörde richteten sich gegen unbekannte MIT-Angehörige. Es gehe dabei um den Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit.

Ankara macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich. Offenbar in der Hoffnung auf Unterstützung hatte der MIT dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Februar eine Liste mit mehr als 300 Namen überreicht. Stattdessen warnten deutsche Sicherheitsbehörden die Betroffenen.

Die Bundesregierung reagierte empört auf die mutmaßliche Ausforschung. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte klar: "Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet. Das gilt für jeden ausländischen Staat und auch für jeden Nachrichtendienst." Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte eine gründliche Untersuchung: "Sollte es so gewesen sein, das vermag ich aber jetzt weder zu bestätigen noch zu dementieren, wäre es in der Tat ein schwerwiegender Vorgang."

Gülen-Anhänger im Visier

Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich. Der MIT hatte eine Liste mit Namen angeblicher Gülen-Anhänger im Februar dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) überreicht. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurde diese an die Sicherheitsbehörden in den Bundesländern weitergegeben. Dort gehen in der Regel Polizeibehörden auf die in der Liste erwähnten Personen und Institutionen zu, um sie über den Spionageverdacht zu informieren.

Nach Angaben des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) wurde die Liste vom MIT übergeben "in der Absicht, von den deutschen Behörden Unterstützung bei der Beobachtung und Ausforschung dieser Menschen zu bekommen". Dem sei nicht nachgekommen worden. Der niedersächsische Verfassungsschutz habe die Betroffenen gewarnt, da ihnen bei einer Einreise in die Türkei möglicherweise Repressalien bis hin zur Verhaftung drohen könnten.

Der türkische Geheimdienst hatte BND-Chef Bruno Kahl die Liste am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz übergeben. Sie enthält Namen von mehr als 300 in Deutschland lebenden angeblichen Gülen-Anhängern. In dem Papier sollen neben Einzelpersonen auch mehr als 200 angeblich der Gülen-Bewegung zuzuordnende Vereine, Schulen und andere Institutionen benannt werden. Die "Gülen-Bewegung" wird in der Bundesrepublik nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Zweifel an Beteiligung

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kritisierte: "Das hat eine neue Qualität." Die Bundesregierung dürfe nicht zulassen, dass unbescholtene Bürger bespitzelt würden. "Der türkische Geheimdienst hat insoweit in Deutschland nichts zu suchen."

Als Ansprechpartner der Gülen-Bewegung in Deutschland versteht sich die Stiftung Dialog und Bildung. Ihr Vorsitzender, Ercan Karakoyun, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es gab von den Behörden Warnungen an einige Leute, als die Ditib-Spionagelisten aufgetaucht waren. Aber nach der Münchner Sicherheitskonferenz (...) kam es zu keiner neuen Ansprache." Er wolle wissen, ob es sich bei den Daten und Fotos auf dieser Liste ausschließlich um öffentlich zugängliches Material handele, "oder ob tatsächlich Leute vom MIT mit Kameras verfolgt worden sind".

Das Recherchenetzwerk von unter anderem "Süddeutscher Zeitung" hatte berichtet, die an Kahl überreichte MIT-Liste enthalte Meldeadressen, Handy- und Festnetznummern sowie viele Fotos von Betroffenen. Eine Auswertung habe ergeben, dass etliche Fotos offenbar heimlich - etwa durch Überwachungskameras - aufgenommen worden seien.

Kahl hat Zweifel geäußert, dass die Gülen-Bewegung hinter dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr steckt. Der Verfassungsschutz sieht das genauso: Bislang sei die Regierung in Ankara jeglichen Beweis für ihre Vorwürfe gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung schuldig geblieben, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, der Deutschen Presse-Agentur. Bereits seit einiger Zeit ermittelt der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Spionage beim Dachverband der türkischen Moschee-Gemeinden, Ditib. 

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