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Die Problemzone im deutschen Bildungssystem bleibt der "Risikoschüler"

Studie: Vieles besser bei der Bildung

  • Veröffentlicht: 01.03.2017
  • 18:19 Uhr
  • dpa
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Ein leistungsstarkes und zugleich gerechtes Schulsystem - geht das überhaupt? "Ja, aber..." lautet die Zwischenbilanz im "Chancenspiegel 2017". Der Trend ist positiv, aber das deutsche Bildungssystem hat durchaus noch Luft nach oben. Vor allem bei "Risikoschülern".

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Fünfzehn Jahre nach dem "PISA-Schock" hat Deutschland die Chancen vieler Jugendlicher auf eine gute Schulbildung deutlich verbessert. Jugendliche mit Migrationshintergrund und Ausländer profitieren allerdings noch zu wenig von Fortschritten in den Bundesländern - so das Fazit des am Mittwoch in Berlin vorgestellten "Chancenspiegels 2017" der Bertelsmann-Stiftung. Gewerkschafter und Sozialverbände forderten deswegen mehr gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Gemeinden für solche "Risikoschüler".

Während der Anteil aller Schüler ohne Abschluss seit 2011 von 6,2 auf 5,8 Prozent (2014) sank, stieg die Quote bei jungen Ausländern laut Studie im gleichen Zeitraum von 12,1 auf 12,9 Prozent. Vergleicht man die jetzige Situation mit der Lage im Jahr 2002, zeigt sich auch hier eine Besserung: Der Anteil aller Schulabgänger ohne Abschluss lag damals bei 9,2 Prozent, bei den Ausländern waren es 16,7 Prozent. Auch die im vorigen Dezember präsentierte neueste PISA-Studie hatte festgestellt, dass ein Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen in Deutschland weiterhin vorhanden sei, etwa bei Zuwandererkindern - die Kluft habe sich jedoch verkleinert.

Insgesamt ist das deutsche Bildungswesen seit dem PISA-Desaster von 2001 mit miserablen Ergebnissen im internationalen Vergleich laut "Chancenspiegel" moderner, leistungsfähiger und auch gerechter geworden. Viele Bundesländer hätten ihre Schulsysteme durchgelüftet und führten mehr junge Menschen zum Abitur - diese Quote stieg seit 2002 von gut 38 auf über 52 Prozent.

Es gibt große Unterschiede zwischen den Ländern

Zudem seien Sonderschüler mittlerweile besser integriert als im vergangenen Jahrzehnt, immer mehr besuchten fürs gemeinsame Lernen (Inklusion) eine reguläre Schule - die Quote stieg bundesweit von 13,3 (2002) auf 34,1 Prozent (2014). Auch der Ausbau der von Bildungsforschern dringend empfohlenen Ganztagsschule ging voran: Während vor 15 Jahren nur eines von zehn Kindern ganztags zur Schule gegangen sei, seien es derzeit etwa vier von zehn, heißt es in der Studie.

"Bei zunehmender Vielfalt in den Klassenzimmern gibt es in den Bildungssystemen aller Bundesländer Verbesserungen", lobte Jörg Dräger von der Bertelsmann-Stiftung, die den "Chancenspiegel" zum dritten Mal seit 2012 zusammen mit der Technischen Universität Dortmund und der Friedrich-Schiller-Universität Jena herausbringt. "Alle Länder sind nach oben gekommen - einige aber nur eine Etage, andere dagegen zehn", sagte Bildungsforscher Prof. Wilfried Bos.

Denn der positive Trend dürfe "nicht darüber hinwegtäuschen, dass es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt und diese seit 2002 noch gewachsen sind", betonte Bos. So schwankt der Anteil der Ganztagsschüler zwischen nur 15 Prozent in Bayern, 44 Prozent im anderen großen Flächenland Nordrhein-Westfalen, fast 80 Prozent in Sachsen und über 88 Prozent in Hamburg.

Jährliche 50.000 Jugendliche ohne Schulabschluss

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, verlangte einen gesellschaftlichen Kraftakt zur Förderung von Problemschülern. Auf allen Ebenen müsse die Bildungspolitik dafür sorgen, dass die jährliche Zahl von knapp 50.000 Jugendlichen ohne Schulabschluss deutlich sinke, sagte der Chef des Sozialverbandes der Deutschen Presse-Agentur. "Wir können unter dem Aspekt der Chancengerechtigkeit und der demografischen Entwicklung unmöglich akzeptieren, dass wir ganze Gruppen von jungen Menschen einfach abhängen."

Die stellvertretende DGB-Chefin Elke Hannack forderte: "Bund, Länder und Kommunen müssen endlich gemeinsam an einem Strang ziehen und ihre Investitionen erhöhen, um allen Kindern, ungeachtet ihrer Herkunft, einen guten Schulabschluss zu ermöglichen." SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil: "Bildungserfolg wird weiterhin zu oft vererbt (...). Gerade junge Menschen aus sozial schwächeren oder bildungsfernen Familien erreichen zu oft nicht das, was sie erreichen könnten."

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) mahnte: "Auch die Vergleichbarkeit der Bildungsangebote in den einzelnen Ländern müssen wir im Auge behalten. Die Länder müssen gemeinsame Bildungsstandards weiter ausbauen und festigen." Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Kretschmer sagte, CDU und CSU wollten "weiter in Qualifizierungsmaßnahmen für die Lehrer und die frühkindliche Pädagogik investieren. Der Bund wird hier seinen Beitrag leisten, ebenso sehe ich aber die Länder in der Pflicht."

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