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Konflikt verschärft

Deutsche Wirtschaftshilfe für Türkei wackelt

  • Veröffentlicht: 20.07.2017
  • 15:14 Uhr
  • dpa
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© Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Deutsche Unternehmen scheuen bereits seit Monaten Türkei-Geschäfte. Und künftig dürfte es für sie noch risikoreicher werden. Denn die staatliche Absicherung von Geschäften und Investitionen wackelt. Die Exporteure rechnen nun mit Einbrüchen im Handel.

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Die deutsche Wirtschaft muss sich auf deutlich höhere Risiken für Geschäfte mit der Türkei und Investitionen in dem Land einstellen. Die Bundesregierung stellt angesichts der Eskalation der deutsch-türkischen Beziehungen die Absicherung von Geschäften und Exporten über Hermes-Bürgschaften sowie von Investitionskrediten auf den Prüfstand - ebenso die Wirtschaftshilfe. Das ist Teil einer Neuausrichtung der Türkei-Politik der Bundesregierung, die Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Absprache auch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.

Keine Rechtssicherheit, keine Investitionen

«Man kann niemandem zu Investitionen in ein Land raten, wenn es dort keine Rechtssicherheit mehr gibt und sogar Unternehmen, völlig unbescholtene Unternehmen, in die Nähe von Terroristen gerückt werden», sagte Gabriel. Es habe bereits Beispiele von Enteignungen gegeben. «Ich sehe deshalb nicht, wie wir als Bundesregierung weiter deutsche Unternehmensinvestitionen in der Türkei garantieren können, wenn - wie geschehen - willkürliche Enteignungen aus politischen Motiven nicht nur drohen, sondern wie gesagt schon erfolgt sind.» Es müsse daher darüber geredet werden, wie der Hermes-Bürgschaftsrahmen entwickelt werde und wie mit Investitionskrediten und mit Wirtschaftshilfe umgegangen werde.

Nach Angaben Gabriels beschuldigt die Türkei weit mehr deutsche Unternehmen der Terrorunterstützung: «Die Liste ist sogar noch viel länger», sagte er, ohne nähere Angaben zu machen. Es gehe um pauschale Vorwürfe gegen Dutzende Unternehmen. Nach einem Bericht der «Zeit» soll die türkische Regierung eine Liste mit angeblichen Terrorunterstützern übergeben haben, auf der die Namen von 68 Unternehmen und Einzelpersonen stünden, darunter Daimler und BASF.

Deutsche Wirtschaft zeigt sich besorgt

Die deutsche Wirtschaft reagierte besorgt. Sie erwartet zusätzliche Verunsicherung und noch mehr Zurückhaltung bei Investitionen in der Türkei und im Handel.

Deutschland ist nach Angaben der Außenwirtschaftagentur wichtigster Abnehmer türkischer Produkte und nach China zweitgrößter Lieferant. Mit Hermes-Bürgschaften sichert der Staat Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen gegen wirtschaftlich und politisch bedingte Zahlungsausfälle ab.

Schon zuletzt haben deutsche Unternehmen Risiken im Geschäft mit der Türkei gescheut. Das Handelsvolumen mit der Türkei unter dem Hermes-Schutzschirm ist 2016 nach Angaben des Wirtschaftsblattes «Capital» um rund die Hälfte gesunken. Als Grund für die Zurückhaltung hätten Unternehmen mangelndes Vertrauen in das Rechtswesen und die politische Stabilität des Landes genannt. Im ersten Halbjahr 2017 betrug das Deckungsvolumen laut Bundeswirtschaftsministerium rund 0,68 Milliarden Euro.

Unternehmen seit Putschversuch verunsichert

Nach Darstellung des DIHK sind viele deutsche Unternehmen seit dem gescheiterten Putschversuch verunsichert. «In einem solchen Umfeld ist an Neuinvestitionen deutscher Unternehmen in der Türkei kaum zu denken», sagte Außenwirtschaftschef Volker Treier der dpa. Die Einschränkung von Exportabsicherungen und Investitionsgarantien werde die Investitionszurückhaltung noch bestärken. Der Handel mit der Türkei sinke seit Mitte 2016. In Folge der Zuspitzung der Spannungen ist mit einem Rückgang von mehr als zehn Prozent zu rechnen.

Auch beim Außenhandelsverband BGA hieß es: «Viele Firmen haben ihre Investitionen bereits auf Eis gelegt.» Es sei mit deutlichen Einbrüchen bei Exporten zu rechnen. «Das ist schon eine Eskalation, wie wir sie uns nicht haben vorstellen können - und bitter für alle Beteiligten», sagte in Sprecher. Der Vertrauensverlust sei enorm.

Eskalation bitter für alle Beteiligten

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach von einem «Tiefpunkt» in den Wirtschaftsbeziehungen: «Wenn unbescholtene deutsche Unternehmen plötzlich auf "schwarzen Listen" auftauchen und als Terror-Unterstützer gebrandmarkt werden, dann ist das ein Klima, das weitere Geschäfte und Investitionen in der Türkei äußerst schwierig macht.» Der Industrieverband BDI warnt: «Jede willkürliche Verhaftung, jede willkürliche Liste, jede verbale Attacke entfernt die Türkei weiter von der Europäischen Union». Diese Eskalation beschädige vor allem die Türkei selbst. Deutsche Unternehmen benötigten ein stabiles Umfeld, das aber immer mehr ins Wanken gerate.

Insgesamt sind in der Türkei sind laut BDI 6800 deutsche Firmen aktiv. Das bilaterale Handelsvolumen liegt bei 37 Milliarden Euro. Für deutsche Ausfuhren rangiert die Türkei auf Platz 15.

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