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Landtag streitet um Deutungshoheit der Armut

Sozial oder nicht?

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Nicht allen Menschen in Bayern geht es gut. Senioren, Großfamilien und Alleinerziehende haben zu wenig Geld, andere suchen bezahlbaren Wohnraum oder sichere Jobs. Und was macht die Politik? Sie streitet.

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Die Meinungen von Opposition und Regierung im Landtag zur sozialen Lage in Bayern gehen mindestens so weit auseinander wie die Schere zwischen Arm und Reich. Während Sozialministerin Emilia Müller und ihre CSU-Fraktion am Donnerstag den aktuellen Sozialbericht der Staatsregierung als Beleg für die im Bundesvergleich überdurchschnittlichen Lebensbedingen nutzten, gingen SPD, Grüne und Freie Wähler hart mit ihr ins Gericht.

Die statistisch steigende Armutsgefahr in Bayern ändert nach Ansicht von Müller nichts an den guten Lebensbedingungen. "Armutsgefährdung ist in Bayern für die meisten Menschen nur vorübergehend. Die Quote der dauerhaft Armutsgefährdeten liegt in Bayern bei nur 2,5 Prozent. Der Wert im Bund ist mehr als doppelt so hoch", sagte sie am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung vor dem Landtag.

Laut Sozialbericht sind in Bayern statistisch gesehen immer mehr Menschen von Armut bedroht: Die Quote stieg zwischen 2010 und 2015 von 10,8 auf 11,6 Prozent - was bundesweit allerdings der niedrigste Wert ist. Als armutsgefährdet gilt, wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung in Deutschland auskommen muss. Nimmt man das mittlere Einkommen der Bevölkerung in Bayern als Maßstab, stieg die Quote von 13,8 auf 15,0 Prozent.

Im bundesweiten Vergleich liegt Bayern in vielen Bereichen vorne. Müller betonte deshalb, die soziale Lage sei so gut wie nie zuvor. Die Landtagsopposition und Sozialverbände beklagen aber eine soziale Spaltung: Die Regierungserklärung und der Sozialbericht seien nicht objektiv, sondern ein "Hohelied der Selbstgefälligkeit", sagte Doris Rauscher (SPD). "Als Sozialministerin wäre es doch Ihre Aufgabe, die Anwältin der Abgehängten zu sein. Stattdessen zeigen Sie ihnen die kalte Schulter." Die soziale Schere gehe immer weiter auseinander.

Von den positiven Entwicklungen in Bayern würden nur 70 Prozent profitieren, "wir dürfen aber nicht die anderen 30 Prozent vergessen", sagte Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler). In Zeiten von Zeitarbeitsverträgen gelte der Grundsatz "sozial ist, was Arbeit schafft", nicht mehr. "Tun Sie was für die armen Menschen im Land."

"Was haben Sie aus dem Sozialbericht gemacht?", fragte Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Statt eines seriösen Sachstandsberichtes sei er zu einer Leistungsschau des Ministeriums verkommen. Lebenserwartung hänge auch in Bayern vom Wohlstand ab. Wer wenig Geld habe, der habe auch nur eine schlechte Aussicht auf ein langes und gesundes Leben. Die Menschen, denen es schlecht gehe, brauchten schnell eine Perspektive, wie sie ihre Situation verbessern könnten. Dies gelte besonders für Kinder, die in Armut lebten.

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