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Nicht allen Opfern reicht das

Australien entschuldigt sich bei Opfern sexuellen Missbrauchs

  • Veröffentlicht: 22.10.2018
  • 10:38 Uhr
  • dpa
Article Image Media
© Mick Tsikas/AAP/dpa

Zehntausende Kinder wurden in australischen Institutionen sexuell missbraucht - auch in Einrichtungen der katholischen Kirche. Nun hat sich Australiens Premier offiziell dafür entschuldigt. Nicht allen Opfern reicht das. Die Kirche komme ungestraft davon, meinen sie.

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Australiens Regierungschef Scott Morrison hat sich bei Opfern von sexuellem Kindesmissbrauch in Institutionen wie der katholischen Kirche offiziell entschuldigt. Das Land müsse die "verlorenen Schreie unserer Kinder" anerkennen und um Verzeihung bitten, sagte er am Montag vor dem australischen Parlament, in dem sich zahlreiche Opfer und deren Familien eingefunden hatten.

"Heute steht Australien vor einem Trauma, einer Abscheulichkeit, die zu lange trotz ihrer Augenscheinlichkeit übersehen wurde", sagte der Premierminister, dessen Stimme immer wieder brach. Australien habe lange "nicht zugehört, nicht geglaubt und keine Gerechtigkeit geboten". Den Opfern, Eltern, Familien und auch den nicht gehörten Informanten sprach er öffentlich eine Entschuldigung aus: "Sorry." Morrison kündigte die Errichtung eines Museums an, um das Bewusstsein über sexuellen Missbrauch von Kindern zu stärken.

Genaue Zahl ist noch unbekannt

Zehntausende Kinder sind in australischen Institutionen - darunter auch Einrichtungen der katholischen Kirche - Opfer von sexuellem Missbrauch geworden, befand 2017 eine Kommission nach fünf Jahren dauernden Untersuchungen. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt. Dem Bericht zufolge wurden Kinder über sechseinhalb Jahrzehnte hinweg in mindestens 4000 Einrichtungen missbraucht - in Schulen, Kirchen, Heimen, Internaten. Meist waren die Opfer Jungen. Geschätzt wird, dass etwa 60 000 Menschen in Australien Anspruch auf Entschädigung geltend machen könnten.

Viele Opfer begrüßten Morrisons Entschuldigung, doch es gab auch kritische Stimmen. Richard Jabara, der als Kind in den 1970er Jahren Opfer eines katholischen Priesters wurde, weinte, während er Morrisons Ansprache bei einer öffentlichen Übertragung in Melbourne verfolgte. "Es war sehr emotional für mich, sehr herzlich", sagte er der australischen Nachrichtenagentur AAP. "Für Leute wie uns ist es wichtig, dass man uns glaubt. Wir waren allein über einen langen Zeitraum. Mir war es peinlich, meiner Familie überhaupt zu erzählen, dass mir das passiert ist."

Entschuldigung wirkungslos

Michael Delany war 16 Jahre alt, als er in einem Jugendzentrum missbraucht wurde. Die Entschuldigung eines Politikers könne da wenig bewirken. "Es gibt nichts, was sie tun können, um den Schmerz zu lindern. Es wird immer da sein, es gibt keinen einzigen Tag, an dem man nicht mit sich ringt oder weint", sagte Delany.

Einige verließen das Parlament wütend. Die Kirche komme ungestraft davon, sagt etwa Rick Venero. Er war an einer Maristen-Schule missbraucht worden. Auch sein bester Freund sei ein Missbrauchsopfer gewesen und habe sich das Leben genommen. "Es ist eigentlich ziemlich erschütternd, hierher zu kommen, und alle stehen dahinter. Und die Macht dieser Institutionen bedeutet, dass nichts wirklich passiert", sagte er der Agentur AAP in Canberra.

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