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Verbrechen vor 25 Jahren

O.J. und der Doppelmord

  • Veröffentlicht: 11.06.2019
  • 08:52 Uhr
  • dpa
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O.J. Simpson war in den USA ein gefeiertes Sportidol - durch ein Verbrechen vor 25 Jahren änderte sich alles. Vom Vorwurf des Mordes an seiner Ex-Frau und deren Freund wurde er freigesprochen, doch nie reingewaschen. Die Schwester der Ermordeten erinnert an die Tat.

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Die Bilder der spektakulären Verfolgungsjagd am 17. Juni 1994 Jahren gingen um die Welt. Der US-Footballstar O. J. Simpson auf dem Rücksitz, zeitweise hält er sich eine Pistole an die Schläfe. Sein Freund und Sportkollege Al Cowlings sitzt am Steuer des weißen Ford Bronco. Helikopter und Polizeiautos folgen Simpson auf der Autobahn in Los Angeles. Rund 95 Millionen Menschen erleben das Drama live am Bildschirm mit. Die Jagd endet schließlich vor Simpsons Villa, wo sich der damals 46-Jährige ergibt.

An dem Tag sollte sich Simpson wegen eines Haftbefehls den Behörden stellen. Fünf Tage zuvor waren dessen Ex-Frau Nicole Brown Simpson und ihr Bekannter Ron Goldman umgebracht worden.

"Sie war eine wunderbare Mutter"

Der weiße Bronco ist heute ein Ausstellungsstück im "Alcatraz East Crime Museum" im US-Bundesstaat Tennessee. In dem Kriminalmuseum steht am 25. Jahrestag aber nicht Simpson im Rampenlicht. Die Sonderausstellung "Passion for Life: Nicole Brown Simpson" erinnert an das Opfer, das nur 35 Jahre alt wurde. "Sie war eine wunderbare Mutter, ein ganz normaler Mensch, sie liebte es, Freunde und Familie in ihrem Haus zu unterhalten", erzählt Tanya Brown (49) im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur über ihre Schwester.

Tanya, die jüngste der vier Brown-Schwestern, spricht ein paar Brocken Deutsch. Ihre heute 88 Jahre alte deutsche Mutter Juditha brachte die ältesten Töchter Denise und Nicole in Frankfurt/Main zur Welt, bevor sie mit ihrem amerikanischen Ehemann Louis Brown in den 60er Jahren nach Kalifornien zog. "Der 25. Jahrestag nimmt uns alle sehr mit", sagt Tanya Brown. Sie vermisse ihre Schwester, die heute 60 Jahre alt wäre, mehr denn je.

Für die Ausstellung hat sie Andenken rausgesucht. Die Armbanduhr, die Nicole in der Mordnacht trug - ihre Familie erhielt sie von der Polizei voller Blutspritzer zurück. Kleidungsstücke und Schmuck, darunter ein Ohrring, mit dessen Gegenstück Nicole beigesetzt wurde. Doch Schwerpunkt sind Fotos und Aufzeichnungen, die betroffen machen. "Nicole führte Buch über die vielen Vorfälle häuslicher Gewalt, sie hatte Fotos von ihren blauen Flecken und Verletzungen aufgehoben", erzählt Ausstellungsleiterin Rachael Penman. Mehrere Male rief Nicole während ihrer Ehe mit Simpson die Polizei.

Nach einem handgreiflichen Vorfall 1989 kam es zu einer Anzeige gegen den Football-Star und Schauspieler ("Die nackte Kanone"). Der stritt die Vorwürfe nicht ab, kam aber um eine Haftstrafe herum. Das Gericht verhängte lediglich Therapiestunden und eine geringe Geldstrafe.

"Auch wenn manche nicht glauben wollen, dass er der Mörder war, so gibt es keinen Zweifel daran, dass er häusliche Gewalt verübte", sagt Tanya Brown. "Ich höre noch die Angst in der Stimme meiner Schwester in ihrem Polizei-Notruf, als sie sagte, dass er sie heftig verprügeln würde." Die Aufzeichnung des Anrufs wurde in dem Prozess gegen Simpson im Gericht abgespielt.

Spaziergänger entdeckte die Leichen

In der Nacht des 12. Juni 1994 hatte ein Spaziergänger die mit vielen Messerstichen getöteten Opfer in Blutlachen vor Nicoles Haus in Brentwood entdeckt. Die gemeinsamen Kinder des damals bereits geschiedenen Paares, Justin und Sydney, schliefen ahnungslos im Haus. Der Verdacht fiel schnell auf den Ex-Mann.

"Auch wir verfolgten die völlig surreale Bronco-Fahrt auf dem Bildschirm mit. Ich saß bei meiner Mutter am Bett, mein Vater hatte O.J. am Telefon und redete auf ihn ein, sich nicht umzubringen, schließlich habe er noch zwei Kinder", erinnert sich Tanya Brown. Hubschrauber schwirren über dem Haus der Brown-Familie. Ein "verrückter Medienrummel" beginnt - und hält über Monate an.

"O.J. hat sie umgebracht, da gibt es für uns und für viele Amerikaner überhaupt keinen Zweifel dran", sagt Brown. Doch Nicoles Ex-Ehemann beteuerte immer seine Unschuld, auch in dem acht Monate langen Gerichtsdrama, das als Jahrhundertprozess in die US-Justizgeschichte einging. Das Strafverfahren gegen den Afroamerikaner endete mit einer Überraschung. Die Geschworenen sprachen ihn frei. Die juristische Fachwelt war geschockt, galten die Beweise gegen Simpson in dem Indizienprozess doch als überaus erdrückend.

Für die Hinterbliebenen der Opfer war es nur eine kleine Genugtuung, als Simpson 1997 in einem Zivilprozess schuldig gesprochen und zur Zahlung einer Millionenstrafe verurteilt wurde. Ihre Familie habe davon "keinen Penny" gesehen, sagt Brown. Jedwede Zahlung Simpsons floss an die Goldman-Familie und in einen Fond für Nicoles Kinder.

Dass Simpson dann doch noch Jahre im Gefängnis verbrachte, hing nicht mit dem Mordfall zusammen. Wegen bewaffneten Raubs und Körperverletzung war der Ex-Footballer 2008 im US-Staat Nevada zu einer langen Haft verurteilt worden. Mit Komplizen hatte er in einem Hotelzimmer in Las Vegas zwei Sammler von Fan-Artikeln bedrängt, persönliche Erinnerungsstücke herauszugeben.

Seit Herbst 2017 wieder auf freiem Fuß

Nach neun Jahren Haft ist er seit Herbst 2017 wieder auf freiem Fuß. Der heute 71-jährige Hobby-Golfer lebt in Las Vegas, gelegentlich wird er mit seinen erwachsenen Kindern in Florida von Fotografen gesichtet. Nach Jahren im Rampenlicht führt der frühere Sportstar jetzt ein unauffälliges Leben. Auf eine Anfrage der Deutschen Presse-Agentur äußerte er sich nicht.

Nein, sie hätten Simpson für die Ausstellung im "Alcatraz East Crime Museum" nicht kontaktiert, sagt Leiterin Rachael Penman. Sie würden ihn auch sicherlich nicht als Besucher erwarten. "Wir wollen hier die Erinnerung an die Opfer wach halten, ihre Geschichte erzählen und davon etwas lernen." In den 25 Jahren seit dem Mord habe sich immer alles um O.J. gedreht, nicht aber um Nicole und Ron, erklärt Penman.

Tanya Brown hat es sich schon lange zur Aufgabe gemacht, Opfern häuslicher Gewalt zu helfen. "Vor 25 Jahren haben wir so wenig darüber gewusst und darüber gesprochen. Ich hatte keine Ahnung, was meine Schwester in der Ehe durchmachte", sagt die 49-Jährige. "Vielleicht war es Nicoles Schicksal, die Frau zu sein, die häuslicher Gewalt ein Gesicht gibt."

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