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Terror in Spanien

Attacke in Barcelona: Was wir wissen - und was nicht

  • Veröffentlicht: 18.08.2017
  • 22:40 Uhr
  • dpa
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© dpa

Was im ersten Moment wie die Tat eines Einzelnen aussah, stellt sich nun als Werk einer organisierten Gruppe heraus. Hinter dem schweren Terroranschlag in Barcelona und weiteren Taten vermutet die Polizei eine Islamisten-Zelle. Sie könnte ihre Angriffe in einer unscheinbaren Kleinstadt geplant haben.

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Die Tat erinnerte an einen ähnlichen Terrorakt vor fast genau acht Monaten auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche, als der 24-jährige Tunesier Anis Amri einen Lastwagen in eine Menschenmenge steuerte. 

Nur Stunden später wurde im Badeort Cambrils eine Frau von fünf flüchtenden Terroristen getötet. Die Gruppe stand nach Angaben der Polizei kurz davor, einen ähnlichen Anschlag wie in Barcelona zu verüben. Die Männer hätten jedoch die Flucht ergriffen, als sie mit ihrem Auto von der Polizei gestoppt wurden. Die Verdächtigen seien davongerast und hätten Passanten angefahren, hieß es. Dabei wurden sieben Menschen verletzt, eine Frau starb später.

WAS WIR WISSEN

  • Die Tat: Gegen 17.00 Uhr fährt am Donnerstagnachmittag ein weißer Lieferwagen laut Augenzeugenberichten mit hoher Geschwindigkeit auf die Flaniermeile Las Ramblas. In der Mitte dieser Straße ist ein breiter Flanierbereich für Fußgänger, auf diesem rast der Transporter den Berichten zufolge im Zickzack in die Menschengruppen hinein. Nach Angaben der Zeitung «El Periódico de Catalunya» legt der Fahrer auf den Las Ramblas gut 550 Meter zurück. Am Pla de l'Os bleibt der Van stehen, mitten auf einem bekannten Mosaik von Joan Miró. Der Fahrer flüchtet zu Fuß. Die katalanische Regierung teilt am Abend mit, dass zwei Verdächtige festgenommen worden seien.
  • Der Tatort: Die Flaniermeile Las Ramblas ist eine knapp 1,3 Kilometer lange Promenade im Zentrum der Stadt. Sie führt von der Plaça de Catalunya im Norden bis zum Alten Hafen am südlichen Ende. Mit seinen historischen Häusern, der alten Markthalle und dem Liceu-Theater sowie den Blumenhändlern und Straßenkünstlern zählt der Boulevard zu den Hauptattraktionen für Touristen. Entlang der Ramblas und in den Seitengassen befinden sich zahlreiche Hotels, Restaurants und Hostels.
  • Das Fahrzeug: Bei dem Tatfahrzeug handelt es sich um einen weißen Lieferwagen einer Leihwagenfirma. Ein zweiter Lieferwagen, mit dem die Attentäter womöglich hätten fliehen wollen, sei nahe Barcelona gefunden worden, schreiben die katalanischen Zeitungen «La Vanguardia» und «El Periódico de Catalunya» unter Berufung auf die Polizei.
  • Die Zahl der Opfer: In Barcelona kamen 13 Menschen bei dem Anschlag zu Tode, mehr als 100 wurden verletzt. Bei dem Anschlag in Barcelona wurden nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin 13 Deutsche teils lebensgefährlich verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass unter den 13 Todesopfern auch deutsche Staatsangehörige seien, sagte ein Sprecher. 
  • Das Motiv: Die Terrorattacken in Spanien waren nach ersten Erkenntnissen der Polizei nicht das Werk von Einzeltätern, sondern einer organisierten Islamisten-Zelle. Die Ermittler ordneten der mutmaßlichen Terrorgruppe am Freitag drei Vorfälle zu: Den schweren Anschlag mit einem Kleintransporter auf Barcelonas Flaniermeile Las Ramblas, bei dem am Donnerstag 13 Passanten getötet wurden, einen vereitelten Angriff in der Küstenstadt Cambrils und die Explosion in einem Wohnhaus in der Ortschaft Alcanar. Den Anschlag im Herzen Barcelonas reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für sich. 
  • Die Täter: Der Fahrer des Vans soll ein Mann von etwa 1,70 Meter Größe sein und ein weißes Hemd mit blauen Streifen getragen haben, wie die Zeitung «El Periódico de Catalunya» berichtete. Schwer bewaffnete Einsatzkräfte suchten nach dem Flüchtigen in der Umgebung. Die Polizei bestätigte die Festnahme von vier Verdächtigen. Die Zeitung «El País» schrieb unter Berufung auf die Polizei, bei dem Anmieter des Tatfahrzeugs handele es sich um einen namentlich genannten Marokkaner, der sich legal in Spanien aufhalte. Später allerdings meldete sich nach Medienberichten ein Mann mit diesem Namen bei der Polizei und gab an, ihm seien die Papiere gestohlen worden. Der mutmaßliche Haupttäter von Barcelona ist Medienberichten zufolge tot. Er sei unter den fünf Terroristen gewesen, die in der Nacht zum Freitag rund 100 Kilometer südlich in Cambrils erschossen wurden, berichteten die Zeitung «El País» und andere spanische Medien am Abend unter Berufung auf Polizeikreise. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Vier weitere mutmaßliche Terroristen wurden festgenommen.
  • Die Polizei dementiert Medienberichte, wonach sich Menschen - darunter möglicherweise auch Täter - in einem Restaurant verschanzt hätten. Niemand habe sich verschanzt, heißt es.

WAS WIR NICHT WISSEN

  • Die Identität der Opfer: Unklar war bis zum Freitagabend, ob sich unter den Todesopfern auch Deutsche befinden. Fünf Opfer seien noch nicht identifiziert, sagte ein Vertreter der katalanischen Regionalregierung bei der Ankunft von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Barcelona. Damit sei auch noch nicht auszuschließen, dass Deutsche unter den Toten seien, fügte er hinzu. Nach Angaben des Außenministeriums in Berlin wurden 13 vorwiegend junge Leute aus Deutschland verletzt. Unter den verletzten Deutschen befänden auch eine deutsch-griechische Familie sowie mehrere Einzelpersonen und Mitglieder zweier Jugendgruppen.
  • Die katalanischen Rettungsdienste teilten mit, die Opfer der Anschläge von Barcelona und Cambrils stammten vermutlich aus 34 Ländern. Die Zahl sei vorläufig. Wie viele Opfer aus welchem Land stammen, war noch ungewiss.
  • Die Planung: Die Polizei vermutet, dass die Terroristen ihre Attacken schon seit längerer Zeit in dem 10.000-Einwohner-Ort Alcanar südlich von Tarragona vorbereitet haben, wo sich am Mittwoch die Explosion in dem Wohnhaus ereignet hatte. Dabei hatte es einen Toten gegeben. Am Freitag wurde dort spanischen Medienberichten zufolge eine zweite Leiche gefunden. In dem Gebäude sollen nach Informationen der Zeitung «El Pais» etwa 20 Gasflaschen gelagert worden sein. «Alles begann in Alcanar», titelte das angesehene Blatt. Die Polizei gehe davon aus, dass der Terrorzelle etwa zwölf Mitglieder angehörten.

WAS SEITDEM GESCHAH

Am Ort des Terroranschlags von Barcelona kam es am Freitagabend zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen rechten Demonstranten und Passanten. Die Demonstranten tauchten am Abend unweit der Einmündung des Rambla-Boulevards zur Plaça Catalunya auf. Sie trugen Flaggen mit dem Symbol der Identitären Bewegung sowie Transparente mit Aufschriften wie «Defend Europe» und «Stop Islamization of Europe». Eine Menschenmenge stellte sich ihnen entgegen und rief lautstark «Faschisten raus aus unseren Stadtvierteln!».

  • Wegen der Demonstrationen konnte Bundesaußenminister Gabriel dort nicht der 13 Todesopfer gedenken. Er und der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian hatten auf der Flaniermeile Las Ramblas am Freitagabend Blumen niederlegen wollen.
  • Barcelona gedachte der Opfern mit einer Schweigeminute. Auf der berühmten Plaça de Catalunya versammelten sich am Freitag um 12 Uhr unter anderem auch König Felipe VI. und Ministerpräsident Mariano Rajoy sowie zahlreiche weitere Politiker und Behördenvertreter.

Nach dem islamistischen Anschlag von Barcelona einigten sich Union, SPD, Linke, Grüne und FDP auf leichte Einschränkungen beim Wahlkampf.

  • Bei den Veranstaltungen werde am Freitag und Samstag auf laute Musik verzichtet.
  • Zudem werde es Gedenkminuten geben, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin gut fünf Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September.
  • SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte, auch in einer politischen Auseinandersetzung sei es «wichtig, dass die Demokraten ein klares Signal der Geschlossenheit geben.»

DIE PARALLELEN

Seit vergangenem Sommer war es in Europa wiederholt zu Anschlägen mit Fahrzeugen gekommen. 

  • Im Juli 2016 raste ein Attentäter mit einem Lkw in Nizza in eine Menschenmenge. 86 Menschen starben. 
  • Beim Anschlag mit einem gekaperten Laster auf den Berliner Weihnachtsmarkt wurden im Dezember 2016 zwölf Menschen getötet. 
  • Im Frühjahr 2017 gab es zudem tödliche Attacken mit Fahrzeugen in London und Stockholm.
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