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Syrien-Konflikt

Bundestags-Gutachten stuft Militärschlag als Rechtsbruch ein

  • Veröffentlicht: 20.04.2018
  • 17:42 Uhr
  • dpa
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© AP/ dpa

War der Militärschlag der Westmächte in Syrien vom Völkerrecht gedeckt? Ein wissenschaftliches Gutachten des Bundestags gibt eine klare Antwort auf die Frage - und bringt damit die Bundesregierung in die Bredouille.

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Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat den von Deutschland unterstützten Militärschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Syrien als Völkerrechtsbruch eingestuft. "Der Einsatz militärischer Gewalt gegen einen Staat, um die Verletzung einer internationalen Konvention durch diesen Staat zu ahnden, stellt einen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot dar", heißt es in einem elfseitigen Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Darin wird auch die rechtliche Begründung Großbritanniens für den Vergeltungsschlag als Reaktion auf einen mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatz durch die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad als "nicht überzeugend" verworfen. Die Briten hatten argumentiert, dass das Völkerrecht in Ausnahmefällen Maßnahmen zulässt, um überwältigendes menschliches Leid zu verhindern.

Militärangriff ohne Genehmigung des UN-Sicherheitsrats

Nach Auffassung der Bundestags-Wissenschaftler waren die Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Es sei unter anderem fraglich, "ob die Militärschläge wirklich geeignet sind, weiteres Leid zu verhindern, insbesondere mit Blick auf die mutmaßlich künftigen Opfer des Syrien-Konflikts", heißt es in dem Gutachten. Außerdem sei fraglich, warum gerade der Chemiewaffeneinsatz angesichts eines siebenjährigen Bürgerkriegs den "qualitativ entscheidenden" Grund für eine humanitäre Intervention darstellen solle.

Der Militärschlag in Syrien war ohne Genehmigung des UN-Sicherheitsrats erfolgt, dem auch das mit der Assad-Regierung verbündete Russland angehört, mit dem keine Einigung auf eine Syrien-Resolution möglich war. Deutschland hatte sich nicht militärisch beteiligt, das Vorgehen der drei großen Nato-Verbündeten aber politisch unterstützt und den Angriff als "erforderlich und angemessen" bezeichnet. Eine rechtliche Grundlage dafür hat die Bundesregierung bisher nicht öffentlich dargelegt. Von den beteiligten Ländern hat nur Großbritannien den Einsatz völkerrechtlich begründet.

Das Gutachten zieht auch den Vergleich zu früheren Militärschlägen. "Wie bereits im Fall der Kosovo-Intervention 1999 lässt sich festhalten, dass völkerrechtswidriges Handeln nicht dadurch 'geheilt' wird, dass es moralisch legitim ist", heißt es darin. "Aus der Legitimität staatlichen Handelns erwächst nicht automatisch dessen Legalität." 1999 hatte die Nato im Kosovo-Krieg unter Beteiligung der Bundeswehr serbische Stellungen angegriffen. Begründet wurde die Intervention auch mit einem drohenden Völkermord.

Die Linken-Abgeordneten Heike Hänsel und Alexander Neu nannten das Gutachten "eine Ohrfeige für die Bundesregierung". Sie habe einen "gravierenden Völkerrechtsbruch" unterstützt und damit selbst zur Erosion dieses Regelwerkes beigetragen.

Heikles Gutachten für die Bundesregierung

Die Linken-Politiker kritisierten auch, dass unterschiedliche militärische Interventionen mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen würden. Als Beispiele nannten sie die Vereinnahmung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland, die von der Bundesregierung als völkerrechtswidrig kritisiert werde. "Auf diese Weise wird das Völkerrecht zu einem Diffamierungsinstrument reduziert", kritisieren die beiden Politiker.

Heikel ist das Gutachten für die Bundesregierung auch, weil sie gerade gegenüber US-Präsident Donald Trump stets die Bedeutung internationaler Vereinbarungen und Institutionen hervorhebt. Der Militärschlag erfolgte nun ohne Rückendeckung der UN, weil im Sicherheitsrat keine Einigkeit hergestellt werden konnte. Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour sagt, dass man dann eben die Generalversammlung hätte anrufen müssen. Im Sicherheitsrat sitzen nur 15 Staaten, der Vollversammlung gehören alle 193 UN-Mitgliedstaaten an.

Das Gutachten zeige eindeutig, dass die Bundesregierung Recht gebrochen habe, sagte Nouripour. "Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung das auch öffentlich feststellt."

Außenminister Heiko Maas (SPD) wird am Montag und Dienstag die Vereinten Nationen in New York besuchen. Es ist sein zweiter Besuch dort innerhalb weniger Wochen. Die Blockade-Situation im Sicherheitsrat und die Syrien-Intervention werden dort sicher Thema sein. Deutschland bewirbt sich einen Sitz im UN-Sicherheitsrat für die Jahre 2019 und 2020. Die Entscheidung fällt am 8. Juni.

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