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Streit um Gas-Pipeline

Frankreich stellt sich gegen Deutschland

  • Veröffentlicht: 07.02.2019
  • 22:47 Uhr
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Seit langem gibt es Skepsis gegenüber Nord Stream 2. Vor allem die USA sehen die Erdgas-Pipeline von Russland nach Europa kritisch. Nun kommt auch Frankreich Deutschland in die Quere - völlig überraschend.

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Der Streit über die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland eskaliert und wird zu einer schweren Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen. Wie das französische Außenministerium am Donnerstag bestätigte, unterstützt Frankreich ab sofort Änderungspläne für eine EU-Richtlinie, die eine deutlich strengere Regulierung des Pipeline-Projekts zum Ziel haben. Frankreich stellt sich damit frontal gegen seinen engsten EU-Partner Partner Deutschland. Berlin lehnt das geplante Vorhaben strikt ab.

Durch die 1200 Kilometer lange Leitung soll russisches Gas nach Europa strömen, die Rohre in der Ostsee sind bereits zu einem Viertel verlegt. Vor allem die USA, aber auch osteuropäische Staaten sehen das Milliardenprojekt jedoch kritisch.

Über die Änderung der EU-Gasrichtlinie könnte Nord Stream 2 gezwungen werden, weitreichende Auflagen zu erfüllen, die bislang nur für Leitungen innerhalb der EU gelten. Dazu zählt zum Beispiel die, das ein Gaslieferant nicht gleichzeitig Betreiber einer Leitung sein darf. Bei Nord Stream 2 ist dies bislang der Fall. Das Projekt wird von dem russischen Energiekonzern Gazprom gesteuert. Zusätzliche Auflagen könnten das Projekt weniger profitabel oder sogar unwirtschaftlich zu machen.

Ein Erfolg der Pläne für die EU-Gasrichtlinie galt bis zuletzt als unwahrscheinlich. Mit dem Kurswechsel Frankreichs dürften sich die Mehrheitsverhältnisse in der EU aller Voraussicht nach entscheidend verändern und zu einer Annahme der Richtlinienvorschläge führen.

Macron sagt Teilnahme an Sicherheitskonferenz ab

Für die hinter dem Pipeline-Projekt stehende Bundesregierung und die Bauherren wäre dies ein schwerer Schlag. Die 1200 Kilometer lange Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist nämlich bereits im Bau und soll eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen.

Aus Paris hieß es am Freitag, es liefen noch Verhandlungen über eine mögliche Änderung des Textes. Aus der Bundesregierung war zunächst keine Stellungnahme zu der offiziellen Ankündigung aus Paris zu erhalten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in der slowakischen Hauptstadt Bratislava lediglich, es sei nichts Neues, dass es hierzu unterschiedliche Meinungen gebe. Sie sehe nicht, dass sich Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von Russland begeben. Deutschland wolle ja auch Anlagen einrichten für Flüssiggas aus den USA.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte überraschend seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche ab. Aus Kreisen des Präsidialamtes in Paris hieß es allerdings, die Entscheidung habe nichts zu tun mit dem aktuellen Streit über die EU-Gasrichtlinie.

Zuerst hatte die «Süddeutsche Zeitung» über die Auseinandersetzung zwischen Berlin und Paris berichtet. Sie zitierte französische Regierungskreise mit den Worten: «Wir wollen nicht die Abhängigkeit von Russland verstärken und dabei noch den Interessen von EU-Ländern wie Polen und der Slowakei schaden.»

Als eine mögliche Erklärung für die neue französische Positionierung gilt der zuletzt noch einmal gestiegene Druck der USA. In Washington wurden neue Russland-Sanktionen in Erwägung gezogen, die auch den in Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten.

Paris nimmt mit der Zustimmung zum Regulierungsprojekt in Kauf, dass es zu einem schweren Streit der für die EU zentralen Partner Deutschland und Frankreich kommt. Seit seinem Amtsantritt hatte Staatspräsident Emmanuel Macron stets die enge Partnerschaft mit Bundeskanzlerin Angela Merkel betont. Erst am 22. Januar hatten beide mit dem Vertrag von Aachen einen neuen Freundschaftspakt unterzeichnet - und sich ihrer gegenseitigen Unterstützung versichert.

Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt. Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.

Die deutsche Wirtschaft warnte eindringlich davor, das Erdgas-Pipelineprojekt 2 in Frage zu stellen. «Wir halten es für sehr bedenklich, dass ein ökonomisch sinnvolles Projekt, an dem Unternehmen aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch aus Frankreich, finanziell beteiligt sind, aufgrund sachfremder politischer Erwägungen und anhaltendem Druck aus den USA in Frage gestellt wird», sagte Wolfgang Büchele, Vorsitzender des Ost-Ausschusses - Osteuropavereins der deutschen Wirtschaft, am Donnerstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Gasrichtlinie liegt schon länger auf Eis

«Die von den USA behauptete und nun offenbar auch in Paris befürchtete Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen ist ein Mythos», sagte Büchele. Zwar stammten derzeit rund 30 Prozent des Erdgases in der EU aus russischen Quellen, allerdings habe Gas insgesamt nur einen Anteil von unter zehn Prozent am europäischen Energiemix.

Die EU-Kommission hatte die Änderung der Gasrichtlinie schon im November 2017 vorgeschlagen. Seitdem liegt sie wegen der Blockade Deutschlands und einiger anderer EU-Länder auf Eis.

Nord Stream hatte schon kurz nach dem Vorstoß der Kommission mit Schadenersatzforderungen gedroht, falls die Rechtslage nachträglich zuungunsten des Unternehmens verändert werden sollte. Inzwischen hat die Gazprom-Tochter in die Leitung bereits Milliardenbeträge investiert.

Rechtliche Vorbehalte gegen die Pläne der Kommission hatte im März 2018 auch der juristische Dienst des EU-Rats geäußert. Die EU habe nicht die Kompetenz, das entsprechende Recht auf Pipelines auszudehnen, die die Ausschließliche Wirtschaftszone von EU-Mitgliedsländern auch in Meeren durchqueren, hieß es.

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