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Offener Streit beim Nato-Gipfel

Merkel kontert Trumps Frontalangriff

  • Veröffentlicht: 11.07.2018
  • 15:25 Uhr
  • dpa
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© Markus Schreiber/AP/dpa

US-Präsident Donald Trump geht mit einer Kampfansage in den Nato-Gipfel. Und die richtet sich frontal gegen Deutschland. Die Bundeskanzlerin lässt das nicht auf sich sitzen.

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Beim Nato-Gipfel sind die USA und Deutschland am Mittwoch frontal aneinandergeraten. US-Präsident Donald Trump griff die Bundesregierung wegen zu niedriger Verteidigungsausgaben und milliardenschwerer Gasimporte aus Russland über die Pipeline Nord Stream 2 scharf an - was sich Kanzlerin Angela Merkel strikt verbat.

Merkel weist Trump-Kritik zurück

Die CDU-Chefin unterstrich in Brüssel die großen Anstrengungen Deutschlands für die Nato und die USA. "Wir stellen den größten Teil unserer militärischen Fähigkeiten in den Dienst der Nato", sagte Merkel vor einem vor den Nachmittag geplanten Einzelgespräch mit Trump. "Und wir sind bis heute sehr stark in Afghanistan engagiert. Und damit verteidigen wir auch die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika."

Trump hatte im Streit über die Erhöhung der Verteidigungsausgaben gezielt Deutschland ins Visier genommen und seine Kritik mit dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 gekoppelt. Die USA beschützten Deutschland, doch die Bundesrepublik mache einen milliardenschweren Erdgasdeal mit Russland, sagte Trump am Mittwochmorgen und fügte hinzu: "Deutschland ist total von Russland kontrolliert." Das Land sei ein "Gefangener" Russlands.

Deutschland "Gefangener" Russlands

Merkel reagierte darauf scharf. Bei ihrer Ankunft beim Gipfel betonte sie mit Blick auf die frühere DDR, sie habe selbst erlebt, dass ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert worden sei. "Ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können und eigenständige Entscheidungen fällen können", sagte die Kanzlerin.

Damit eskaliert der seit Monaten währende Streit zwischen Trump und Merkel, ob Deutschland genug für Verteidigung ausgibt. Trump fordert, dass alle Nato-Partner spätestens von 2024 an jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Deutschland kommt derzeit nur auf 1,24 Prozent und verspricht auch für 2024 nur 1,5 Prozent.

Streit um die Zwei-Prozent-Marke

Trump sagte bei einem Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, ein reiches Land wie Deutschland könnte sofort auf die zwei Prozent kommen, statt nur Mini-Erhöhungen in Aussicht zu stellen. Deutschland interpretiert das auf dem Nato-Gipfel in Wales 2014 vereinbarte Zwei-Prozent-Ziel allerdings anders: Im Beschluss sei nur die Rede davon, sich auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen.

Genau darauf verwies Merkel in Brüssel erneut. Deutschland sei schon dabei, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. "Wir fühlen uns also den Beschlüssen von Wales, uns in Richtung zwei Prozent zu entwickeln bei den Verteidigungsausgaben, verpflichtet", sagte die Kanzlerin. Sie gehe "sehr fröhlich und auch durchaus bewusst, dass wir ein wichtiger Teil der Nato sind, in diese Diskussion".

Allerdings ist das Verteidigungsbündnis wegen Trumps fortwährender Kritik enorm unter Druck. Auch Generalsekretär Stoltenberg sprach von offenen Differenzen - gab sich aber trotzdem zuversichtlich. "Trotz dieser Differenzen erwarte ich, dass wir alle uns bei fundamentalen Fragen einig werden", sagte der Generalsekretär. Er betonte, Nord Stream 2 sei kein Thema für die Nato. "Die Entscheidung liegt nicht bei der Nato, das ist eine nationale Entscheidung", sagte er.

Vorwürfe aus wirtschaftlichen Gründen vorgeschoben?

Trump kritisiert das deutsch-russische Erdgasprojekt in der Ostsee seit Monaten scharf. Die rund 1200 Kilometer lange Pipeline Nord Stream 2 soll russisches Erdgas über die Ostsee nach Mittel- und Westeuropa transportieren. Die USA sehen Europa indes als wichtigen Markt für ihr eigenes Fracking-Gas. Trump argumentierte, Deutschland zahle Milliarden an Russland und mache Moskau damit stark, lasse sich dann aber von den USA und der Nato gegen Russland beschützen.

Trumps Aussagen über Deutschland sind bemerkenswert, weil er sich selbst Vorwürfen ausgesetzt sieht, einen zu russlandfreundlichen Kurs zu verfolgen. Von scharfer Kritik am russischen Präsidenten Wladimir Putin hat er in den vergangenen Monaten abgesehen. Am kommenden Montag will sich Trump in der finnischen Hauptstadt Helsinki mit Putin treffen. Es gibt Befürchtungen, dass er dem Kreml-Chef dabei große Zugeständnisse machen könnte.

Der zweitägige Nato-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs aller 29 Bündnisstaaten begann offiziell am Mittag mit einer Zeremonie im Nato-Hauptquartier. Wichtiges Thema des zweitägigen Spitzentreffens sind die Bemühungen des Militärbündnisses, die Abschreckung und Verteidigung gegen Russland weiter zu stärken. Diese Themen dürften aber vom Streit um die Verteidigungsausgaben überschattet werden.

"Wir kommen damit zurecht"

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen reagierte am Mittwoch gelassen auf Trumps Kritik. "Wir haben uns jetzt fast schon daran gewöhnt", sagte sie. "Wir kommen damit zurecht." Sie verneinte die Frage, ob sie sich von Trump unfair als Zielscheibe unter den Bündnispartnern herausgepickt sehe.

Bereits beim ersten Nato-Gipfel mit Trump im Mai 2017 war es zu einem beispiellosen Eklat gekommen. Der US-Präsident hatte damals eine Rede zur Vorstellung eines Denkmals dazu genutzt, um aggressiv Kritik an den Bündnispartnern zu üben.

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