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Der Gipfel der Uneinigkeit

Merkel lehnt Rückkehr Russlands zu G7 ab

  • Veröffentlicht: 08.06.2018
  • 22:54 Uhr
  • dpa
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© Michael Kappeler/dpa

Das Zerwürfnis ist groß. US-Präsident Trump will Russland wieder an den Tisch des G7-Clubs holen. Für Merkel und Co. ein No-Go. Über seine Alleingänge gibt es offenen Streit. Droht der G7 die Spaltung?

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Der Gipfel der sieben großen Wirtschaftsmächte hat mit einem offenen Streit der G7-Partner mit US-Präsident Donald Trump begonnen. Seine völlig überraschende Forderung nach Wiederaufnahme Russlands in die Gruppe lehnte Kanzlerin Angela Merkel entschieden ab. Deutschland, Frankreich, Italien und die Vertreter der EU seien sich einig, dass es eine Rückkehr Russlands in die G7-Runde nur bei "substanziellen Fortschritten" mit Blick auf die Probleme mit der Ukraine geben könne, sagte Merkel am Freitag am Rande des G7-Gipfels. "Das war die gemeinsame Meinung." Russland war wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 aus der Gruppe ausgeschlossen worden.

Mehr als 40 Jahre nach ihrer Gründung droht der Wertegemeinschaft damit auf ihrem Gipfel bis Samstag im ostkanadischen La Malbaie nahe Québec die Spaltung. Ohnehin ist das Treffen der Staats- und Regierungschef überschattet von massiven Differenzen der Europäer mit Trump über amerikanische Strafzölle, seinen Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzvertrag und aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran.

Bei dem "Familienfoto" wirkten die Staats- und Regierungschefs eher betreten und schenkten den Fotografen nur ein kurzes Lächeln. Nur einige folgten Trudeaus Beispiel und winkten in die Kameras. Nach der kurzen Aufnahme vor der Naturkulisse des Sankt-Lorenz-Stroms nahm Merkel den US-Präsidenten zur Seite und redete intensiv auf ihn ein, während die anderen zu dem luxuriösen Tagungshotel zurückgingen. Es blieb unklar, worüber beide gesprochen haben.

Trump überrascht mit Vorschlag

Im Widerspruch zu den meisten G7-Partnern hatte Trump zuvor mit dem Vorschlag überrascht, Russland wieder in den Kreis aufzunehmen und den illustren Club erneut zur G8 zu machen. "Russland sollte am Verhandlungstisch sitzen", erklärte Trump noch in Washington. An die G7-Partner gerichtet sagte er: "Sie haben Russland rausgeworfen, sie sollten Russland auch wieder hineinlassen." Die Aufgabe sei es, die Welt zu organisieren, und dazu werde Russland gebraucht.

Der Kreml äußerte sich zurückhaltend zu dem Vorschlag. "Wir legen den Akzent auf andere Formate", sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Die EU, lehnte eine Wiederaufnahme Russlands umgehend ab. Die 7 sei eine «Glückszahl», sagte Ratspräsident Donald Tusk.

In der derzeitigen Situation sei es erst einmal mal viel wichtiger, die G7 als Garant der Weltordnung zu stärken, sagte Tusk mit Blick auf die aktuellen Konflikte. Ihn beunruhige, dass es derzeit die USA seien, die die auf Regeln basierende Weltordnung infrage stellten.

US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte

Zum Handelsstreit sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass es die EU noch einmal versuchen werde, mit Trump über die als illegal erachteten US-Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte zu reden. Man werde aber nicht mit einem "Colt am Kopf" verhandeln.

Aber auch die EU schien nicht einig. Der russlandfreundliche Neuling im Kreis, Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conte, reagierte spontan positiv auf Trumps Vorschlag, auch wenn Merkel später sagte, er teile den Widerstand der EU-Spitze. Auch im Handelsstreit mit den USA schien sich Conte von der EU zu distanzieren. Man wolle die Positionen der Partner abwägen. Italien wolle auch für einen "größeren Dialog" über die Russland-Sanktionen eintreten.

Conte zeigte sich unzufrieden mit der EU in der Flüchtlingskrise. "Italien ist komplett alleine gelassen worden", sagte er. Auffällig war vor dem «Familienfoto», dass Conte die Nähe zum US-Präsidenten suchte und mit ihm sprach, während beide zum Aufnahmeort gingen. Juncker gesellte sich zu den beiden und folgte dem Gespräch.

Schlagabtausch per Twitter

Nach ihrem Schlagabtausch über Handel und andere Fragen per Twitter trafen sich Macron und Trump zu einem Zweiergespräch. Der Franzose schrieb auf Twitter: "Im Dialog, noch immer und immer wieder." Er werde nicht locker lassen und versuchen, Trump zu überzeugen. Macron hatte Trump am Donnerstag wegen der Differenzen bei Handel, dem Ausstieg aus dem Klimaschutz und dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe heftig attackiert.

Vor dem Hintergrund der Streitigkeiten will Trump das Treffen am Samstag schon vorzeitig verlassen. Er wird nach Angaben des Weißen Hauses direkt nach Singapur reisen, wo er am Dienstag mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu einem historischen Gipfel zusammentrifft. Bei dem Treffen in dem asiatischen Stadtstaat will der US-Präsident den Machthaber dazu bewegen, atomar abzurüsten.

Wegen der Kontroversen mit Trump wird es diesmal wohl keine sonst übliche gemeinsame Abschlusserklärung geben. Dafür wird der gegenwärtige G7-Vorsitzende Kanada nur die Ergebnisse zusammenfassen. Ein solcher Dissens ist in der Geschichte der G7 höchst ungewöhnlich, da die Gruppe eigentlich gemeinsam globale Probleme anpacken will. Merkel plädierte für einen offenen Umgang mit den Differenzen: "Meinungsverschiedenenheiten zuzukleistern ist auch nicht gut."

Wirtschaft und Arbeitsplätze der Zukunft

Am ersten Gipfeltag ging es um Wirtschaft und die Arbeitsplätze der Zukunft. Beim Mittagessen habe es eine "vergleichsweise entspannte" Diskussion über die Aussichten für die Weltwirtschaft gegeben, berichteten europäische Kreise.

Entwicklungsorganisationen riefen die Industrienationen dazu auf, eine Wirtschaftspolitik auf den Weg zu bringen, "welche die gestiegene soziale und ökonomische Ungleichheit verringert und wirklich niemanden zurücklässt", wie Oxfam-Sprecher Jörn Kalinski sagte. 

Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs in dem streng abgeschirmten, entlegenen Urlaubsort La Malbaie wurde begleitet von Protesten im 150 Kilometer entfernten Québec. "Die G7 repräsentieren uns nicht", stand auf den Plakaten. Nach weitgehend friedlichen Demonstrationen von einigen Hunderten am Donnerstag hatten radikalere Gruppe für Freitag zu einem «Tag der Störung» aufgerufen. Ein massives Aufgebot von rund 10 000 Polizisten und Soldaten sind mobilisiert, um für Sicherheit zu sorgen.

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