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Rufe nach Reform

Sind die Hartz-IV-Strafen zu streng?

  • Veröffentlicht: 15.01.2019
  • 06:25 Uhr
  • dpa
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Soll Beziehern von Grundsicherung das Geld gekürzt werden, wenn sie etwa Termine beim Jobcenter versäumen? Kritiker der Sanktionen hoffen auf das Bundesverfassungsgericht.

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Vor einer Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher werden Forderungen nach einem milderen Umgang mit den Betroffenen lauter. "Die Vorstellung, Menschen durch Sanktionen in Arbeit zu bringen, geht an der Wirklichkeit vorbei", sagte Hans-Jürgen Urban vom Vorstand der IG Metall der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Ab diesem Dienstag befasst sich das Gericht mit den Leistungskürzungen. Im schlimmsten Fall können die Sanktionen so weit gehen, dass die Betroffene ohne Unterstützung dastehen. Mit weniger Leistungen müssen Hartz-IV-Empfänger unter anderem dann auskommen, wenn sie Termine im Jobcenter versäumen.

Garantie des Existenzminimums verletzt?

Die Überprüfung angestoßen hatte das Sozialgericht im thüringischen Gotha. Die Richter dort halten die Sanktionen für verfassungswidrig, unter anderem weil sie die Garantie des Existenzminimums verletzt sehen. Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in Karlsruhe anwesend sein. Das Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Die Linksfraktion im Bundestag erklärte allerdings den Senatsvorsitzenden und neuen Vizegerichtspräsidenten Stephan Harbarth für befangen. "Er sollte sich an der Urteilsfindung nicht beteiligen", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch in der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Dienstag), "da Herr Harbarth Gesetze mitbeschlossen hat, die hier auf dem Prüfstand stehen". Harbarth saß zuvor für die CDU im Bundestag.

Inhaltlich sagte IG-Metall-Vorstand Urban über die Sanktionen: "Es mangelt den Betroffenen in der Regel nicht an Arbeitsmotivation und auch nicht an der Bereitschaft, Zugeständnisse bei einer angebotenen Tätigkeit zu machen." Der ganz überwiegende Teil der Sanktionen werde vielmehr aufgrund einfacher Regelverstöße verhängt - vor allem wegen Meldeversäumnissen. "Statt auf Sanktionen sollte stärker auf Angebote und Beratung gesetzt werden."

Linke-Chefin Katja Kipping sagte der dpa: "Hartz IV ist das Schreckgespenst unseres Sozialstaates. Schreckgespenstern begegnet man nicht leise flüsternd mit einer Taschenlampe, wie es Hubertus Heil tut." Nötig seien Geisterjäger. "Licht an, Spuk beenden, Sanktionen abschaffen!" Heil will Hartz-IV-Sanktionen abmildern, aber nicht abschaffen.

Der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, kritisierte vor allem die besonders strikten Sanktionen für nachlässige Hartz-IV-Bezieher unter 25 Jahren: Die Sanktionen erhöhten die Gefahr, dass diese in Obdachlosigkeit gerieten und ihren Krankenversicherungsschutz verlören, argumentierte er in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Existenzminimum wird unterschritten

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Verena Bentele, sagte, Sanktionen führten zu einer systematischen Unterschreitung des Existenzminimums und somit zu einer Grundrechtsverletzung.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hingegen zeigte sich zwar offen für Änderungen am System der Grundsicherung - aber nicht für eine Abschaffung der Sanktionen: "Sanktionen sind und bleiben in den wenigen Fällen, die sie betreffen, ultima ratio - das letzte Mittel", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). "Aber sind und bleiben gerecht, sinnvoll und zielführend."

Allerdings müsse das System entbürokratisiert werden. "Der Fokus muss noch mehr auf Langzeitarbeitslose mit Kindern und besonderen Hemmnissen gelegt werden", so der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Zum Nachjustieren gehört aber nicht, das Prinzip des Förderns und Forderns leichtfertig über Bord zu werfen." Beides sei "untrennbar miteinander verbunden".

Auch der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, hält Hartz-IV-Sanktionen für unverzichtbar. "Insbesondere bei arbeitslosen Jugendlichen brauchen wir diese Möglichkeit", sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft dem RND. "Wenn jemand mit Anfang zwanzig bei der Jobsuche schludert, kann er sich im Handumdrehen in der Langzeitarbeitslosigkeit wiederfinden. Da dürfen wir nicht achselzuckend zuschauen."

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