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Ringen um die Topjobs

Was wird aus den Polit-Promis nach der Wahl?

  • Veröffentlicht: 22.09.2017
  • 16:09 Uhr
  • dpa
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Einige Spitzenpolitiker von Union, SPD, FDP und Grünen starren am Wahlabend nervös auf die Monitore, wie hoch die Balken gehen. Ob Minister, Partei- oder Fraktionschef - so manches Alphatier fürchtet einen unfreiwilligen Abgang. Andere laufen sich längst warm.

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Viele Polit-Promis sind seit Jahrzehnten in der ersten Reihe dabei, doch die künftigen Topposten in Regierung und Fraktionen sind begrenzt. Wer bleibt nach der Wahl und wochenlangen Koalitionsverhandlungen bei CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP am Drücker, wer kommt neu dazu, wer hat bald mehr Zeit für Scrabble und lange Spaziergänge? Eine Auswahl:  

ANGELA MERKEL (CDU/63): Bleibt Kanzlerin, wenn bis Sonntag der Himmel nicht herunter fällt. Offen ist, mit wem Merkel ihre vierte Spielzeit inszeniert - frisches Jamaika mit FDP und Grünen, Schwarz-Gelb-Retro wie 2009 oder doch wieder solide Groko mit der SPD? Kuschelig dürfte es für die CDU-Chefin kaum werden. Bleiben CDU und CSU deutlich unter dem Wahlergebnis von 2013 (41,5 Prozent), klebt das Minus an Merkel. AfD und FDP wildern erfolgreich im Vorgarten der Union. In der Wahlkabine aber machen am Sonntag vielleicht doch mehr Bürger ihr Kreuz bei der CDU, weil Merkel Stabilität verheißt. Neuer Ärger mit Horst Seehofer ist programmiert - spätestens, wenn eine vom CSU-Chef verlangte (übrigens verfassungswidrige) Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme in den Koalitionsvertrag gegossen werden soll.

MARTIN SCHULZ (SPD/61): Will «in jedem Fall» SPD-Chef bleiben und dafür «belohnt» werden, dass er die Partei in stürmischen Zeiten prinzipientreu und ohne «autoritäre Anwandlungen» führt, wie er dem «Tagesspiegel» erzählte - ganz klar Spitzen gegen Vorgänger Sigmar Gabriel. Aber schützt ihn der 100-Prozent-Panzer aus dem Frühjahr selbst bei einem Totalschaden wie 2009 (23 Prozent)? Unter dieser Marke wird auch ein Kurzzeit-«Gottkanzler» beten müssen. Frank-Walter Steinmeier schnappte sich 2009 den Fraktionsvorsitz, um zu überleben. Das würden sie Schulz wohl nur durchgehen lassen, wenn er in die Nähe von 25 Prozent kommt. Druck herausnehmen könnten die Niedersachsen-Wahl Mitte Oktober und der Dezember-Parteitag. Gibt es wieder eine Groko, könnte der Ex-Buchhändler aus Würselen Außenminister und Vizekanzler werden. 

SIGMAR GABRIEL (SPD/58): Der Goslarer funkt als Chefdiplomat und Merkels Vize auf allen Kanälen - und will die Jobs behalten. Gabriel, der Schulz im Januar SPD-Vorsitz und Kanzlerkandidatur schenkte, ist plötzlich populär. Im Wahlkampf oft als Selbstzünder unterwegs, der den stotternden Schulz-Motor am Laufen hielt. Gabriel, Architekt der Groko 2013, stützt Schulz, ermuntert ihn zum Durchhalten, auch um selbst im Spiel zu bleiben. Bei einem Neuanfang in der Opposition dürften Gabriels Tage gezählt sein - unterschätzen sollte man den begnadeten Instinktpolitiker jedoch nie.  

THOMAS OPPERMANN (SPD/63): Ist schon 63, sieht viel jünger aus, könnte aber bald zum alten Eisen gehören. Seine Chancen, dauerhaft SPD-Fraktionschef zu bleiben, stehen eher schlecht. Oppermann aber ist ein kühler Stratege. Bliebe die SPD Merkels Juniorpartner, käme der Ex-Richter aus Göttingen auch als Minister für Verteidigung, Justiz oder Wirtschaft infrage. 

ANDREA NAHLES (SPD/47): Einige in der SPD hoffen, «die Andrea» sagt den «alten Gringos» bei einem miesen Ergebnis ins Gesicht, dass jetzt Schluss ist. Nahles könnte Fraktionschefin werden, um die SPD inhaltlich und strukturell bis 2021 zu erneuern. Die Parteilinke boxte als pragmatische Arbeitsministerin viele Reformprojekte durch. Mit 47 ist die Ex-Juso-Chefin jung genug, um im möglichen Machtkampf ihre Karten jetzt noch nicht auszuspielen. In einer Neuauflage der großen Koalition würde sie - alternativ zur Fraktionsspitze - gerne Arbeitsministerin bleiben.

WOLFGANG SCHÄUBLE (CDU/75): Gerade erst pilgerten Merkel & Co. nach Offenburg, um dem Finanzminister zum 75. Geburtstag zu gratulieren. Eine Jobgarantie war nicht unter den Geschenken. FDP und SPD dürften in Koalitionsverhandlungen Anspruch auf das Finanzministerium erheben, um sich gegen das Kanzleramt zu behaupten. Einfach abschieben kann Merkel ihren erfahrensten Mann im Kabinett nicht - im rechten Flügel der Union wird Schäuble als «Nebenkanzler» verehrt, der konservative Werte verteidigt, die die Kanzlerin gerne mal dem Mainstream opfert. Schäuble könnte auch Außenminister, falls die Gesundheit mitspielt. Die Lammert-Nachfolge als Bundestagspräsident - das Amt wird mit Einzug der AfD ins Parlament an Symbolkraft gewinnen - dürfte für einen Schäuble zu wenig sein.

URSULA VON DER LEYEN (CDU/58): Ihr PR-getriebener Umgang beim Bundeswehr-Skandal um rechte Umtriebe in der Truppe hat ihr Macherin-Image angekratzt. Seitdem begegnen ihr viele in der Bundeswehr mit Misstrauen. In der Unionsfraktion nie geliebt, bleibt sie dennoch eine große Nummer, solange Merkel zu ihr hält. Intern ist zu hören, das wichtige Thema Umwelt könnte auf sie zulaufen. Das hängt aber von künftigen Regierungsfarben ab: Sind die Grünen mit am Drücker, dürften sie sich das Umweltressort kaum nehmen lassen.

KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG (CSU/45): Vor sechs Jahren trat er wegen seiner Schummel-Doktorarbeit als Verteidigungsminister zurück. Jetzt ist «KT» die Geheimwaffe von Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, um seinen Intimfeind Markus Söder in Schach zu halten. Im Wahlkampf rockte Guttenberg die Bierzelte. Außenminister zu sein, fände der USA-Experte cool, aber das dürfte kaum klappen. Dann eher wieder Wirtschaftsminister mit viel Digitalem. Aber ist die Zeit für ein Kabinettscomeback wirklich reif?

PETER ALTMAIER (CDU/59): Merkels Allzweckwaffe und Kanzleramtsminister zieht an vielen Strippen. In der Union wird ihm nachgesagt, ein Auge auf den Vorsitz der CDU/CSU-Fraktion geworfen zu haben. Die kennt er bestens, hatte dort schon wichtige Jobs. Dumm nur, Parteifreund Volker Kauder will den Platz an der Fraktionssonne behalten. Die Bahn für Altmaier wäre wohl nur frei, wenn Kauder als Nachfolger von Norbert Lammert auf den Sessel des Parlamentspräsidenten wechseln würde. In dieser Woche leistete sich Altmaier einen Fauxpas, als er im Video-Interview der «Bild»-Zeitung in einem Ja-Nein-Spiel mit einem schnellen «Nein» reagierte auf die Feststellung der Interviewerin: «Es ist besser, die AfD zu wählen als nicht zu wählen.»

VOLKER KAUDER (CDU/68): Dürfte wie gesagt kaum vom Vorsitz in der Unionsfraktion (hat er seit 2005) zu verdrängen sein – es sei denn, der bibelfeste Baden-Württemberger wird als Lammert-Nachfolger gebraucht, um der AfD die Stirn zu bieten. Dass sich Kauder einer solchen Bitte der Kanzlerin widersetzen würde, ist kaum zu erwarten. Eine Entscheidung könnte schon am Dienstag nach der Wahl fallen: Dann kommt die neue Unionsfraktion erstmals zusammen. Dass Kauder auf einen Ministerposten wechselt, gilt als extrem unwahrscheinlich. 

JOACHIM HERRMANN (CSU/61): CSU-Chef Seehofer hat die Fahrkarte nach Berlin für seinen Landesinnenminister quasi schon gelöst. Vier Jahre nach Hans-Peter Friedrich soll wieder ein CSU-Mann im Bundesinnenministerium für «law and order» in der Republik sorgen. Für mögliche Koalitionspartner FDP und Grüne dürfte Herrmann eine Reizfigur sein. Dass die Union auf das Schlüsselressort Innen verzichtet, ist aber kaum denkbar.

THOMAS DE MAIZIÈRE (CDU/63): In der Flüchtlingskrise geriet der Innenminister unter Druck, weil es im zuständigen Bundesamt nicht rund lief. Merkel kann sich auf den akribischen Aktenfresser, der auch schon Verteidigungsminister und Kanzleramtschef war, aber stets verlassen. Sollte Finanzminister Schäuble doch seinen Posten räumen, könnte de Maizière das Haus der Zahlen reizen. In Sachsen war er von 2001 bis 2002 Finanzminister. Ansonsten vielleicht wieder Manager im Kanzleramt? 

CHRISTIAN LINDNER (FDP/38): Der FDP-Chef dürfte am Wahlabend tiefenentspannt sein. Die 2013 nach dem Abschied aus dem Bundestag von ihm gestartete «mission impossible» könnte die Liberalen direkt wieder in die Regierung bringen - entweder Schwarz-Gelb, oder Jamaika. Lindner, der im Muskelshirt die coolste Kampagne aller Spitzenleute organisierte, will eher nicht Minister, sondern Fraktionschef werden. 

CEM ÖZDEMIR (GRÜNE/51): Dass der Parteichef diesen Job nicht weitermachen will, hat er schon deutlich gemacht. Gilt als möglicher Außenminister, aber würden die Grünen als Nummer Drei hinter Union und FDP in eine Jamaika-Koalition gehen, dürfte daraus nichts werden. Sollten nur zwei Ministerien an die Ökopartei gehen, könnte Özdemir kaum mit Co-Spitzenkandidatin Göring-Eckardt ins Kabinett - der linke Parteiflügel würde einen Posten beanspruchen. In so einem Fall käme der Fraktionsvorsitz für ihn in Frage. Läuft es ganz schlecht, müsste der 51-Jährige, der ein Integrationsministerium fordert, als einfacher Abgeordneter Politik machen.

KATRIN GÖRING-ECKARDT (GRÜNE/51): Im Wahlkampf hat die Spitzenkandidatin ein «Superministerium» für Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschutz, Landwirtschaft, Energie und Digitalisierung gefordert - und das solle grün besetzt werden. Von ihr selbst? In Kombination mit dem Agrar- oder Verkehrsministerium, das zum Beispiel der linksgrüne Fraktionschef Anton Hofreiter besetzen könnte, könnte die Ökopartei dann etwas bewegen. Abgesehen davon hat Göring-Eckardt ein stark sozialpolitisches Profil. Den Fraktionsvorsitz könnte sie sicher nur mit einem guten Wahlergebnis halten, falls die Grünen nicht mitregieren.

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