Vergewaltigungsprozess gegen Christian B.
Wichtige Zeugin im Vermisstenfall Maddie McCann: "Ich habe noch nie solche Angst gespürt"
- Aktualisiert: 05.06.2024
- 09:13 Uhr
- dpa
Dem im Fall Maddie McCann verdächtigen Christian B. werden in einem anderen Verfahren drei Vergewaltigungen vorgeworfen. Eines der mutmaßlichen Opfer spricht vor Gericht und nennt Details.
Inhalt
- Nächtlicher "Besuch" über den Balkon
- Stundenlanger Vergewaltigungshorror
- Mutmaßlicher Vergewaltiger an den Augen erkannt
- Christian B. soll auch Kinder sexuell missbraucht haben
- Zeugin entfacht großes Interesse bei Journalist:innen
- Deutliche Kritik am Verhalten der portugiesischen Polizei
- Angeklagter steht unter Mordverdacht im Fall Maddie
Im Vergewaltigungsprozess gegen den auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B. hat eine wichtige Zeugin gesprochen. Die Frau aus Irland berichtet über eine Nacht vor rund 20 Jahren.
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Nächtlicher "Besuch" über den Balkon
"An diesem Abend wurde ein Feuer in mir gelöscht [...] ich habe noch nie solche Angst gespürt", sagte die Zeugin aus Irland am Mittwoch (15. Mai) vor dem Landgericht Braunschweig über eine Nacht vor etwa 20 Jahren in Portugal. Der Täter sei damals über ihren Balkon ins Zimmer gekommen und habe sie geweckt. Er habe ihren Namen gekannt und gesagt: "Schrei nicht, sonst bringe ich dich um", berichtete die heute 40-Jährige teils unter Tränen.
Stundenlanger Vergewaltigungshorror
Über mehrere Stunden schilderte die Zeugin sehr detailreich ihre Erinnerungen an die Juni-Nacht im Jahr 2004. Der Mann habe sie gefesselt und mehrmals vergewaltigt. Einen Teil des Angriffs habe er mit einer mitgebrachten Videokamera gefilmt. "Du hast Angst, oder?", soll der Täter gefragt haben. Zunächst habe sie noch verneint, später aber ihre Todesangst eingeräumt. Irgendwann habe ihr Peiniger von ihr abgelassen und sei über den Balkon verschwunden. Ihr sei es dann gelungen, sich zu befreien und Hilfe zu holen.
Mutmaßlicher Vergewaltiger an den Augen erkannt
Auf Nachfrage der Richterin erklärte die Zeugin, dass sie den Täter an seinen Augen erkennen könne. Als sie im Juni 2020 ein unverpixeltes Foto des Angeklagten im Internet entdeckte, habe sie sich direkt übergeben müssen. Am 3. Juni 2020 hatten das Bundeskriminalamt (BKA) und die Staatsanwaltschaft Braunschweig überraschend bekannt gegeben, dass sie im Fall Maddie gegen einen mehrmals vorbestraften Sexualstraftäter wegen Mordverdachts ermitteln.
Christian B. soll auch Kinder sexuell missbraucht haben
Für den Prozess gegen den 47-jährigen Deutschen gilt die Irin als wichtige Zeugin, weil sie das einzige bekannte von drei mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern ist. Zwei weitere Taten wollen Zeug:innen auf Videos gesehen haben - allerdings sind diese Filme verschwunden und mögliche Opfer konnten nicht ausfindig gemacht werden. Außerdem werden dem Angeklagten zwei Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern vorgeworfen. Die Tatorte waren laut Anklage alle in Portugal.
Zu den Vorwürfen im aktuellen Verfahren schweigt der Angeklagte. Seine Verteidigung hatte aber zum Auftakt angekündigt, dass ihr Mandant aus ihrer Sicht freizusprechen sein wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Derzeit sitzt B. eine siebenjährige Haftstrafe wegen einer anderen Vergewaltigung - ebenfalls in Portugal - ab, zu der er 2019 vom Landgericht Braunschweig verurteilt wurde.
Zeugin entfacht großes Interesse bei Journalist:innen
Wegen der Bedeutung der Aussage der Irin reisten wieder deutlich mehr Journalisten nach Niedersachsen als zuletzt. Mit Blick auf ihre Erzählung ging es schon vorab in Medienberichten immer wieder auch um die Frage, ob sie den Täter möglicherweise an einem besonderen Merkmal wie einer Narbe oder einem Muttermal wiedererkennt. Nach einer Täterbeschreibung gefragt, berichtete sie vor Gericht von einem "dunklen Fleck" auf dem Bein des Mannes, der durch die enge Hose sichtbar gewesen sei.
Mit Zustimmung des Angeklagten war im Sommer 2022 eine erkennungsdienstliche Maßnahme bei ihm durchgeführt worden, bei der entsprechende Fotos gemacht wurden. Die Bilder und gewonnenen Infos sollten nach damaligen Angaben der Staatsanwaltschaft unter anderem mit Täterbeschreibungen durch Zeug:innen abgeglichen werden. Zu möglichen Ergebnissen ist bisher aber nichts bekannt geworden.
Deutliche Kritik am Verhalten der portugiesischen Polizei
In ihrer Aussage vor Gericht sparte die Zeugin auch sehr intime Details nicht aus. Abschließend sagte die dreifache Mutter über den Vorfall: "Das war ein Moment, in dem ich komplett ausgeschaltet habe. Mein ganzer Fokus lag darauf, wie ich da rauskomme." Für das, was direkt nach der Tat und in den Folgetagen geschah, kritisierte sie die portugiesische Polizei scharf. Ihr sei keine Hilfe angeboten worden und sie sei nur auf männliche Polizisten getroffen. Obwohl sie es nicht gewollt habe, sei sie zurück in ihr Appartement geschickt worden, wo auch Fotos von ihr gemacht worden seien. "Man hat mir gesagt, das Beste, was ich machen kann, ist nach Hause zu gehen", sagte die Irin. Ihre Vernehmung wird fortgesetzt.
Angeklagter steht unter Mordverdacht im Fall Maddie
Großes internationales Interesse weckt der Prozess aber vor allem, weil B. eben auch im Fall Madeleine McCann unter Mordverdacht steht. 2007 war die damals Dreijährige aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwunden. Maddie ist zwar in Braunschweig immer wieder am Rande Thema, aber offiziell nicht Gegenstand der aktuellen Verhandlung. Mit Blick auf diesen Komplex betont die Staatsanwaltschaft immer wieder, dass die Ermittlungen weitergehen.