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Euro-Schein und Münze – steht das Bargeld vor dem Aus?

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Die Politik will Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung über eine Begrenzung von Bargeld-Transaktionen erschweren. Demgegenüber mangelt es vielen Deutschen an Vertrauen in elektronische Bezahlsysteme.

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In Zukunft müssen sich Deutsche darauf einstellen, nur noch begrenzt und vielleicht sogar gar nicht mehr mit klassischem Bargeld zahlen zu können. Im Februar wurden Pläne der Bundesregierung bekannt, denen zu Folge der Finanzausschuss des Bundestags über eine Deckelung von Bargeld-Transaktionen konferiert, um primär gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung vorzugehen. In der TV-Talkrunde von Anne Will Ende Februar begründete Finanzstaatssekretär Michael Meister von der CDU das Vorhaben mit den Worten: "Wir versuchen, eine Balance zu finden zwischen den Freiheitsrechten der Bürger und den Sicherheitsbelangen der Gesellschaft."

Doch nicht überall stößt das Vorhaben der Bundesregierung auf Verständnis. Zwar erschwere das Bargeldverbot womöglich den Geldfluss innerhalb krimineller Organisationen, dies führe de facto aber zum "finanziellen Überwachungsstaat", so die Meinung des ehemaligen AfD-Mitglieds Hans-Olaf Henkel, der sich wie andere deutsche Politiker, Finanzwissenschaftler und Ökonomen in der Initiative "Stop Bargeldverbot" engagiert. Indes wäre die Bundesrepublik nicht der erste europäische Staat, der eine Bargeld-Obergrenze einführt. Die Frage nach den Vorteilen und Nachteilen, gerade für Privateigentümer, rückt ebenso in den Vordergrund wie die Problematik einer sicheren Zahlungsalternative.

Bargeldgeschäfte auf 5.000 Euro begrenzt

Finanzminister Schäuble steht einer Bargeld-Deckelung offen gegenüber und hält auch die kolportierte Obergrenze von 5.000 Euro nicht für unrealistisch. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob eine derartige Maßnahme in Deutschland überhaupt gerechtfertigt ist. Anlässlich dieser berechtigten Frage veröffentlichte das Bundesfinanzministerium kürzlich eine Studie: Eine Hochrechnung der Universität Halle-Wittenberg errechnet ein jährliches Geldwäsche-Volumen in Deutschland in Höhe von 100 Milliarden Euro. Jedoch: Angerechnet auf die in Deutschland verübten Delikte machen "Geldwäsche und Verschleierung unrechtmäßiger Vermögenswerte" (§ 261 StGB) mit 0,13 Prozent nur einen geringen Teil der jährlich in Deutschland begangenen Straftaten aus, wie die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2014 belegt.

Allerdings schätzt das Bundeskriminalamt (BKA) die Dunkelziffer weitaus höher ein. In einer anderen Studie belegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich einen unrühmlichen achten Rang, was das illegale Geldwäsche-Volumen anbelangt. Betroffen seien vor allem die Bau- und Immobilienwirtschaft und ohnehin sämtliche Branchen, in denen mit horrenden Bargeldsummen hantiert wird, so der Grundtenor der Universitätsstudie. In Deutschland droht Geldwäschern eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren, wobei die Eigengeldwäsche nicht strafbar ist. Nur wer Geld für andere wäscht, muss hierzulande mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Wer hingegen versehentlich in den Besitz von Falschgeld gerät und mit Blüten zahlt, hat nicht vorsätzlich gehandelt und darf nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

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Was spricht für die Bargeld-Abschaffung?

In den meisten EU-Ländern ist die Bargeld-Obergrenze längst gang und gäbe. Im französischen Nachbarland beispielsweise sind Bargeld-Transaktionen über 1.000 Euro untersagt, gleiches gilt für Portugal. Auch Belgien und Italien begrenzen den greifbaren Geldtransfer auf 3.000 Euro und liegen somit noch unterhalb der in Deutschland diskutierten Grenze. Die Deckelung des Bargeldtransfers ist in jenen Ländern gesetzlich verankert, wenngleich im Beispiel von Frankreich erst seit September letzten Jahres. Bei Zuwiderhandlungen werden sogar erhebliche Strafzahlungen fällig. In Italien zum Beispiel müssen Delinquenten bis zu 40 Prozent des gehandelten Bargeldbetrags als Strafzahlung leisten.

Im südeuropäischen Stiefelstaat wollte die Regierung durch die Deckelung des Bargeldtransfers vor allem gegen die Mafia und Steuerhinterziehung vorgehen. In Deutschland gibt die Bundesregierung den Kampf gegen Drogenhandel und Prostitution sowie gegen Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung als Marschroute aus. Durch die Verlagerung von Finanzgeschäften in die digitale Welt über elektronische Bezahldienstleistungen könnten dubiose Transaktionen schneller erfasst werden. Universal wären Zahlungen transparenter nachzuvollziehen und könnten der Einsicht der wachsamen Justiz nur schwierig entzogen werden.

Darüber hinaus sprechen aber auch ganz andere Gründe für die Abschaffung von Bargeldzahlungen, so zum Beispiel die Kosten. "Sowohl die Geschäftsbanken als auch die Handelsunternehmen benötigen Personal, um das Geld anzunehmen, auszuzahlen, zu zählen, zu prüfen und zu verwahren. Hinzu kommen Geldautomaten, Tresore, Versicherungen und sonstige Verwaltungsaufgaben. Dieser Kreislauf ist teuer, " erläutert ein Bericht auf www.kreditkarte.net zur aktuellen Bargeld-Diskussion und führt die Argumentationsbasis weiter auf die volkswirtschaftlichen Kosten des Bargeldsystems.

Was sagen Kritiker zur Bargeld-Revolution?

Kritiker hingegen betrachten den Kampf gegen Geldwäsche und Terror lediglich als vorgeschobenen Grund. Vielmehr gehe es dem Staat und auch den Banken um die vollständige Kontrolle von Finanzen und Geldgeschäften, heißt es aus Kreisen von Verbraucherschützern, die in einer möglichen Außerkraftsetzung des Bargeldsystems die permanente Gefahr einer Enteignung von Bürgern sehen. Der 2015 verstorbene Ökonom und ehemalige Chef der Schweizer Bank UBS, Andreas Höfert, prognostizierte mit dem Hinscheiden des Bargelds auch dessen Ende als Privateigentum.

Auch auf europäischer Ebene wird derzeit über Maßnahmen diskutiert, wie Geldgeschäfte innerhalb von kriminellen Organisationen eingedämmt werden können. Derzeit steht die Abschaffung des 500-Euro-Scheins zur Diskussion, der laut Aussage des französischen Finanzministers Michel Sapin am häufigsten für illegale Geschäfte genutzt würde, da mit dem 500-Euro-Schein auch größere Geldsummen relativ einfach bewegt werden könnten. Auch EU-Kommissar Jonathan Hill unterstützt diese Ansicht. EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré kündigte vor kurzem an, diesen Hinweis auf keinen Fall ignorieren zu wollen und in absehbarer Zeit zu einer Entscheidung zu gelangen.

Bargeldbefürworter vermuten hingegen, die EZB befasse sich aus gänzlich anderen Motiven mit der Bargeld-Deckelung. Demzufolge plane die Europäische Zentralbank insgeheim die Einführung von Negativzinsen. Der Hintergrund: Sofern kein Bargeld mehr im Umlauf ist, kann kein Bürger der Negativzinspolitik entkommen, denn das digitale Kapital muss bei einem Bankinstitut gelagert werden. Nach der Einführung negativer Zinsen müsste jeder Bürger folglich Geld in Form von Zinsen oder verhüllt über beispielsweise Verwaltungsgebühren an seine Bank zahlen. Von Tag zu Tag würde das eigene Vermögen somit schrumpfen. Weitergedacht würde sich Sparen nicht mehr lohnen, was einen direkten "Angriff auf die Marktwirtschaft" bedeuten würde, so die Meinung von Thorsten Polleit, Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland.

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Deutsche halten elektronische Bezahlsysteme für unsicher

Bargeldloses Zahlen als alternative zum traditionellen Bargeldsystem ist zumindest in Deutschland derzeit noch unpopulär. Nur jeder dritte deutsche Bundesbürger hat schon einmal ein elektronisches Bezahlsystem genutzt, wie eine repräsentative Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC ergab. Der Grund: Neun von zehn Bürgern haben Angst vor Spionage oder Hacker-Angriffen und befürchten beim mobilen Bezahlverfahren um ihre persönlichen Daten. Verbraucherzentralen sind derweil um Aufklärungsarbeit bemüht und nennen Gefahren der elektronischen Finanzdienstleister wie PayPal oder 1-Click-Bezahlsystemen.

Obendrein sei die Bargeldbezahlung eine "Gefühlssache", so die Meinung von Nancy Schneider, Geschäftsführerin eines Leipziger Autohauses und ebenfalls anwesend in der Talk-Runde bei Anne Will Anfang 2016. Frei nach dem Motto "Nur Bares ist Wahres" ist die Bargeldzahlung noch immer die am häufigsten genutzte Bezahlvariante in Deutschland. 54,4 Prozent aller Einkäufe werden im deutschen Einzelhandel mit Scheinen und Münzen bezahlt, ermittelte das Forschungsinstitut EHI. Dies lässt sich womöglich auf die Angst vieler zurückführen, den Bezug zum Geld zu verlieren, wenn sie Geld nur noch elektronisch transferieren. Viele Menschen mit begrenztem Budget würden lieber bar zahlen, weil sie auf diese Weise Schulden besser vermeiden könnten, ergab eine Studie der Bundesbank.

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  • 05.06.2023
  • 12:10 Uhr

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