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Jetzt müssen Aktionäre noch zustimmen

Lufthansa-Vorstand wirbt um Zustimmung für Rettungspaket

  • Veröffentlicht: 25.06.2020
  • 16:15 Uhr
  • dpa
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© Arne Dedert/dpa

Der deutsche Staat will mit einer Milliardenspritze bei der Lufthansa einsteigen. Zuvor müssen aber noch die Aktionäre einer Kapitalbeteiligung zustimmen.

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Im Ringen um das staatliche Rettungspaket hat die Lufthansa-Spitze den Druck auf die Aktionäre erhöht. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley am Donnerstag bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Konzerns. Ohne das Unterstützungspaket von neun Milliarden Euro, für das bei der Hauptversammlung eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, drohe der Airline "in den nächsten Tagen" die Insolvenz. Mit einer Entscheidung der Eigentümer wurde erst für den frühen Abend gerechnet.

Wann genau es zur Zahlungsunfähigkeit käme, wollte auch der Vorstand auf Nachfrage nicht sagen. Eine Insolvenz oder ein abgeschwächtes Schutzschirmverfahren sei "kein Drohszenario, sondern eine reale Gefahr", sagte Personal- und Rechtsvorstand Michael Niggemann. Dies wäre nach seinen Worten im Fall einer Ablehnung des Staatseinstiegs durch die Hauptversammlung nur noch abzuwenden, wenn sich eine andere Finanzierungslösung fände, die sich aber nicht abzeichne.

Vor der ausschließlich im Internet übertragenen außerordentlichen Hauptversammlung hatte Großaktionär Heinz Hermann Thiele erklärt, dass er dem Rettungspaket zustimmen werde. Wegen der schwachen Beteiligung der übrigen Stimmrechtsinhaber mit einer Präsenz von 39,3 Prozent hätte er mit seinem Aktienanteil von mindestens 15,5 Prozent Gelegenheit zu einer Blockade. Im Vorfeld hatte sich der Selfmade-Milliardär kritisch über den seiner Meinung nach zu starken Staatseinfluss geäußert.

Am Morgen hatte die EU-Kommission dem Rettungsplan final zugestimmt. Als Bedingung setzten die Wettbewerbshüter durch, dass Lufthansa in München und Frankfurt jeweils 24 Start- und Landerechte an Wettbewerber abgeben muss. Die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte dazu: "Dadurch erhalten konkurrierende Luftverkehrsunternehmen die Möglichkeit, in diese Märkte einzutreten, wodurch faire Preise und eine größere Auswahl für die europäischen Verbraucher gewährleistet werden." Konkurrent Ryanair kündigte dennoch eine Klage gegen die Beihilfen an.

Der Lufthansa-Vorstand verteidigte vor der Abstimmung noch einmal das mit der Bundesregierung verhandelte Paket aus Beteiligung, stillen Einlagen und Kredit als alternativlos. Mehr sei nicht durchsetzbar gewesen. Das Konzept bedeute für Lufthansa in den kommenden Jahren erhebliche finanzielle und strukturelle Belastungen, sagte Aufsichtsratschef Kley. "Für den Staat ist es ein durchaus lukratives Geschäft." Dennoch gebe die Vereinbarung dem Unternehmen Raum und Zeit, um die Krise zu überwinden. Davon profitierten letztlich auch die Aktionäre. Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich zuversichtlich, die Einlagen und Kredite fristgerecht zurückzahlen oder refinanzieren zu können.

Lufthansa hatte für den Fall eines Scheiterns angekündigt, schnell ein so genanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen. Diese mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht wird bereits beim Ferienflieger Condor angewendet und gibt dem Management weitgehend freie Hand, bestehende Verträge auch mit dem eigenen Personal zu kündigen. Das ist nun nicht mehr nötig. Den rechnerischen Überhang in der Corona-Krise hatte der Konzern mit weltweit 138 000 Beschäftigten auf 22 000 Vollzeitstellen beziffert, davon die Hälfte in Deutschland.

Mit den Gewerkschaften ist das Unternehmen in weit fortgeschrittenen Verhandlungen zu umfangreichen Kostensenkungen. Als erste hat ausgerechnet die zuvor so streitbare Kabinengewerkschaft Ufo einem Krisenpaket zugestimmt, das Lufthansa auch ohne Kündigungen bis Ende 2023 mehr als eine halbe Milliarde Euro einsparen hilft. Neben verkürzten Arbeitszeiten, dem Verzicht auf bereits vereinbarte Lohnsteigerungen und Betriebsrentenzahlungen gibt es eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen, um Lohnkosten zu reduzieren. Am Morgen demonstrierten Ufo-Flugbegleiter vor der Frankfurter Lufthansa-Zentrale für die Annahme der staatlichen Rettung.

Die Corona-Pandemie mit den Reisebeschränkungen hat die Geschäfte der Lufthansa mit Ausnahme der Fracht nahezu zum Erliegen gebracht. Die Barreserven der größten deutschen Airline verringerten sich zuletzt monatlich um 800 Millionen Euro, so dass die Zahlungsunfähigkeit drohte. Im ersten Quartal brockte die Corona-Krise dem Unternehmen bereits einen Verlust von 2,1 Milliarden Euro ein. Lufthansa-Chef Spohr erwartet, dass sich die Nachfrage im Luftverkehr nur langsam erholt und über Jahre unter dem Vor-Corona-Niveau bleibt. Beim Gewinn traut sich der Konzern nach Niggemanns Worten allerdings bereits für 2022 zu, das Vorkrisenniveau zu erreichen.

Das Rettungspaket sieht vor, dass der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Zuge einer Kapitalerhöhung für rund 300 Millionen Euro Aktien zeichnet, um eine Beteiligung von 20 Prozent am Grundkapital der Airline aufzubauen. Er zahlt dafür nur den Nennwert von 2,56 Euro, rund ein Viertel des aktuellen Aktienkurses. Für den Fall einer feindlichen Übernahme könnte der Staat weitere Anteile aktivieren, um eine Sperrminorität zu erreichen. Zudem sind stille Einlagen von 5,7 Milliarden sowie ein KfW-Kredit von 3 Milliarden Euro geplant.

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