Sondierungsgespräche nach der Wahl
Ampel in Reichweite? Erste Dreier-Gesprächsrunde
- Veröffentlicht: 06.10.2021
- 16:30 Uhr
- dpa
War's das mit einer Regierung unter Führung der Union? Eine erste Dreierrunde zur Regierungsbildung findet jedenfalls ohne Laschet und die Seinen statt. Entschieden ist aber noch nichts.
Aus zwei mach drei: An diesem Donnerstag wollen SPD, Grüne und FDP erstmals zu einem gemeinsamen Gespräch zusammenkommen. Es ist die erste Dreierrunde bei der Suche nach einer neuen Regierung. Sie sähen den Moment gekommen, verkünden die beiden Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck am Mittwochmorgen. Das Land könne sich "keine lange Hängepartie leisten", sagt Baerbock. Wenig später legt FDP-Parteichef Christian Lindner nach: "Wir haben den Vorschlag eines Gesprächs mit der SPD angenommen, um Gemeinsamkeiten zu prüfen, die unser Land nach vorne bringen."
Bei der Frage, ob das mit den Grünen so abgesprochen war, gibt sich Lindner schmallippig: Er könne versichern, dass er in einem regelmäßigen Austausch mit allen relevanten Akteuren stehe. Völlig überrumpelt haben die Grünen ihren möglichen künftigen Koalitionspartner aber wohl nicht: "Mit dieser Pressekonferenz und kurz davor" habe man der FDP vorgeschlagen, gemeinsam auf die SPD zuzugehen, sagt Habeck. Und auch Lindner klingt nicht allzu überrascht als er wenig später erklärt: "Ich habe Herrn Scholz eben in Abstimmung mit den Grünen angeboten, dass wir bereits morgen zu einem solchen Gespräch zu dritt zusammenkommen."
Union geht auf die Ersatzbank
Die Union wird damit von den beiden kleineren möglichen Regierungspartnern offiziell auf die Ersatzbank verbannt. CSU-Chef Markus Söder betrauert das angestrebte Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP - benannt nach den Flaggenfarben des Karibikstaats - bereits in der Vergangenheitsform: "Es hätte sich gelohnt, ein solches Projekt anzugehen." CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier reagiert ernüchtert: "Soeben hat der Ampel-Zug den Bahnhof verlassen", schreibt er auf Twitter. Der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, meint: "Der Zug, den Grüne und FDP heute aufs Gleis gesetzt haben, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch sein Ziel erreichen." Und der angeschlagene Unions-Chef Armin Laschet gibt etwas hilflos zu Protokoll, man stünde zu weiteren Gesprächen bereit - aber die Entscheidung liege nun bei FDP und Grünen.
Wie auch immer man sich einen Ampel-Zug vorstellen müsste - eine allzu ruhige Fahrt gar bis ins Ziel sollte man nicht erwarten, warnt Habeck. "Viele Dinge sind noch nicht durchdiskutiert, geschweige denn so konkretisiert, dass man sagen kann: Das ist jetzt auf einem sicheren Gleis", hat Habeck vorher klargemacht. Es gebe noch "erhebliche offene Stellen und auch Differenzen" sowohl zwischen Grünen und FDP, aber auch zwischen Grünen und SPD.
Chance auf Jamaika?
Und insbesondere die FDP, aber auch die Grünen behalten sich einen Ausstieg auf freier Strecke weiterhin vor: Ein Jamaika-Bündnis mit der Union bleibt für beide ausdrücklich eine Option. Seine Partei wolle "Schritt für Schritt" vorgehen und entscheiden, betont Lindner - darauf hätten sich die Gremien der Partei verständigt. "Und dass wir nicht schon abstrakte Debatten über Fahrpläne und Was-wäre-wenn-Szenarien führen." Habeck seinerseits klopft der zerrütteten Union verbal auf die Schulter: "Wir haben gesehen, dass die Union sich wirklich bemüht hat, und (sie) ist auch weit und sortiert uns entgegengekommen."
Große Chancen scheint aber selbst Lindner nicht mehr zu sehen. "Für uns bleibt eine Jamaika-Koalition eine inhaltlich tragfähige Option", meint er. "Allerdings werden in der Öffentlichkeit Regierungswille und Geschlossenheit der Unionsparteien diskutiert." Frei übersetzt könnte das heißen: Wenn's nur um die Themen ginge, könnten wir ja mit der Union, aber in diesem Zustand? Grüne und FDP haben sich über wiederholte Indiskretionen nach Gesprächen mit der Union beklagt. Was dabei unter den Tisch fiel: Durchstechereien gab es auch nach einem Gespräch von SPD und FDP am Wochenende.
Wie tief die drei möglichen Partner SPD, Grüne und FDP in Gespräche einsteigen wollen, bleibt abzuwarten. Auffällig ist, dass Lindner von "einem Gespräch" redet - eine Zusage für eine Reihe von Unterredungen klingt anders. Einem Bericht, wonach seine Partei gleichzeitig über Bündnisse mit SPD und Union an der Spitze verhandeln könnte, widerspricht er ausdrücklich: "Es gibt keine Parallelgespräche." Das heißt aber auch: Wenn die FDP sich gegen ein Ampel-Bündnis entscheidet, würden sie die Lieblingsoption der Grünen aus dem Spiel nehmen. Die stünden damit bei möglicherweise folgenden Jamaika-Verhandlungen unter großem Druck.
Die SPD macht es ein wenig später im Willy-Brandt-Haus denkbar kurz. Keine drei Minuten brauchen Kanzlerkandidat Olaf Scholz und die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Nachmittag, um die nun beginnenden Ampel-Gespräche zu begrüßen. In seinen paar leise vorgetragenen Sätzen, schafft es Scholz, von der "wirtschaftlichen und industriellen Modernisierung" bis zum Kampf gegen den Klimawandel Kernprojekte der künftigen Wunschkoalition zu benennen. Esken bleibt es vorbehalten, den SPD-Wahlkampfschlager Respekt zu erwähnen. Nachfragen lassen die drei nicht zu.
Bereits in den vergangenen Tagen war beim Wahlsieger SPD wenig zu hören. Es scheint fast, als gehöre es zum Plan von Scholz, Gelb und Grün erstmal zusammenfinden zu lassen. Wenn man SPD-Leute fragte, wann denn aus ihrer Sicht sondiert werden könne, hieß es, in den Terminkalendern sei viel frei gehalten werden. Das dürfte sich nun ändern.