Nur ein zahmes Händeschütteln mit Kollegen
Brüssel: Johnson kommt, um wieder zu gehen
- Veröffentlicht: 18.07.2016
- 18:53 Uhr
Ohne die Ereignisse des vergangenen Wochenendes wäre Boris Johnson der Mittelpunkt des EU-Außenministertreffens in Brüssel gewesen. Doch der Showdown des Brexiteers mit seinen Kollegen bleibt aus. Der sonst eher laute Brite gibt sich ganz handzahm.
Als der Brite kommt, wird der belgische Außenminister Didier Reynders plötzlich uninteressant. Die Kameras, die gerade noch auf ihn gerichtet waren, schwenken auf einen vorfahrenden schwarzen Range Rover. Es ist Boris Johnsons erster großer EU-Auftritt als neuer Außenminister Großbritanniens. Doch wer einen turbulenten Auftritt erwartet hatte, wurde enttäuscht.
Johnson bleibt sachlich
Eines macht der 52-Jährige gleich klar: Er ist gekommen, um nicht zu bleiben. "Wir müssen dem Willen des Volkes entsprechen und die EU verlassen", sagt der Konservative. Aber dennoch verliert er über die Europäische Union bei seinem kurzen Auftritt am Morgen kein schlechtes Wort.
Die dramatischen Ereignisse in der Türkei und in Frankreich haben den britischen Politiker beim EU-Außenministertreffen am Montag zwar ein wenig aus dem Brüsseler Rampenlicht gerückt. Aber die Neugier auf seinen ersten Auftritt war dennoch groß. Doch Johnson gibt sich sachlich, scheint diesmal nicht auf Krawall oder Provokationen aus.
Den Putschversuch in der Türkei kommentiert er untypisch knapp. Es sei sehr wichtig, dass alle Seiten nun Zurückhaltung und Mäßigung zeigten, sagt er. "Bo-Jo" zeigt sich an seinem ersten Tag geradezu zahm. Angekommen im Versammlungssaal schüttelt er eifrig Hände seiner Amtskollegen.
Frank-Walter Steinmeier will anschließend nicht viel über das Zusammentreffen mit dem Neuen berichten. "Er hat sich kurz vorgestellt und versichert, dass er seine Aufgaben kennt", erklärt der SPD-Politiker und lässt einen kurzen Seufzer hören. Dass er für den lauten Briten noch vor nur wenigen Wochen keine besonders wohlwollenden Worte übrig hatte, bleibt unkommentiert. "Wir führen hier keine Personaldiskussionen, sondern versuchen Dinge voranzubringen", sagt der SPD-Politiker.
Kurz nach der Ernennung Boris Johnsons zum Außenminister hatte Steinmeier - ohne Namen zu nennen - gesagt, verantwortungslose Politiker hätten das Land in den Brexit gelockt und sich anschließend aus dem Staub gemacht, um Cricket zu spielen. "Ich finde das, ehrlich gesagt, ungeheuerlich." Das war allgemein als auf Johnson gemünzt gewertet worden.
Erster "Übersee-Trip"
Johnsons erster "Übersee-Trip", wie er ihn selbst nennt, war mit Spannung erwartet worden. Der ehemalige Bürgermeister Londons ist für derbe Sprüche und wenig diplomatisches Auftreten bekannt. Im Referendums-Wahlkampf hatte er beispielsweise für Aufsehen gesorgt, als er die Politik der EU mit der von Adolf Hitler in einem Atemzug nannte. Seine derben Auftritte zu anderen Themen sind legendär.
Kritiker spotteten zu Johnsons Ernennung zum Außenminister, er werde wohl bis Weihnachten brauchen, um sich bei allen ausländischen Politikern zu entschuldigen, die er in seiner Laufbahn schon beleidigt habe.