Landesverrat aus Langeweile
CIA-Spitzel zu Haftstrafe verurteilt
- Veröffentlicht: 17.03.2016
- 16:52 Uhr
- dpa
Tote Briefkästen, geschmuggelte Dokumente, konspirative Treffen: Das Doppelleben als CIA-Spitzel gefällt dem BND-Mann. Der Nervenkitzel ist Nebenverdienst und Nahrung fürs Ego. Doch zum Top-Spion fehlt ihm das Zeug. Er wird erwischt - und muss nun für Jahre hinter Gitter.
Ohne Regung nimmt Markus R. das Urteil entgegen, die Hände artig auf der Anklagebank gefaltet: acht Jahre Haft. Einen Top-Spion stellt man sich anders vor. Dennoch: Der schüchterne BND-Büromitarbeiter hat jahrelang unentdeckt für die CIA spioniert - und damit nach Ansicht des Oberlandesgerichts München Staatsgeheimnisse weiter gegeben und dem Bundesnachrichtendienst (BND) wie auch der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland geschadet.
Deckname "Uwe"
Markus R. habe umfassenden Zugang zu Verschlusssachen gehabt und dabei seine "verantwortliche Stellung missbraucht", sagt der Vorsitzende Richter Reinhold Baier. Unter dem Decknamen "Uwe" gab der 32 Jahre alte Büroangestellte in der Abteilung «Einsatzgebiete Auslandsbeziehungen» teils hochbrisante Dokumente weiter.
Die Tätigkeit des Maulwurfs hat nach Auffassung des Gerichts dazu beigetragen, dass vor zwei Jahren öffentlich wurde, dass die Bundesregierung die Türkei als BND-Aufklärungsziel führt - obwohl die Türkei ein Partner Deutschlands in der Nato ist. Spionage "unter Freunden" hatte bereits kurz vor dieser Enthüllung für Aufregung gesorgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommentierte Berichte, die CIA höre ihr Handy ab, damals empört mit den Worten: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht."
Ob Geheimnisverrat unter Partnern möglich ist, war auch ein zentraler Punkt in dem Verfahren gegen Markus R. Das Gericht meint: Ja, das ist möglich - und verurteilt den Angeklagten wegen Landesverrats. Dessen Anwälte wollen das Urteil aber unter Umständen in einer Revision vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. Sie argumentieren: Die CIA sei ein befreundeter Dienst - und Geheimnisverrat unter Freunden könne es doch gar nicht geben. Während der Deutsche nun hinter Gitter müsse, kämen zudem seine Kollegen auf CIA-Seite mit den Decknamen "Alex" und "Craig" ungestraft davon. "Dass keine Konsequenzen entstehen, das kann doch nicht sein", empört sich Anwalt Walter Lechner. Die Politik sei gefragt.
Staunen löste bei Beobachtern des viermonatigen Prozesses aus, wie leicht Spionage sein kann - und wie einfach der Kontakt zu Geheimdiensten herzustellen ist. In unverschlüsselten Emails hatte sich der Mann der CIA und dann auch dem russischen Geheimdienst angedient. In der Email an das russische Generalkonsulat sandte er gleich ein paar BND-Dokumente mit, eines davon soll auch brisant gewesen sein. Für die CIA wiederum schaffte er von 2008 bis 2014 mehr als 200 Dokumente unentdeckt aus dem Dienstgebäude in Pullach heraus. Kontrolliert wurde er nicht.
Geld als Motivation
Richter Baier sieht vor allem "finanzielle Motive". Der Angestellte kassierte immerhin insgesamt 90.000 Euro Agentenlohn. Doch er genoss auch das Doppelleben. Der junge Mann, der es schwer hatte, überhaupt einen Job zu finden, war plötzlich umworben und scheinbar hoch geachtet. Das Leben als Spion brachte zudem Nervenkitzel und Abenteuer in seinen Job, der ihn aus seiner Sicht unterforderte. Tatsächlich aber hätten ihn erste Aufgaben beim BND überfordert, meint der Richter. "Weshalb der Angeklagte unterfordert war und sich über geringe Gehälter echauffierte, erschließt sich uns nicht ganz", sagt Baier. Nach außen, bei Eltern und Freundin, gab er sich gerne als mehr aus: als "Agent" oder "Nachrichtendienst-Offizier".
Besonders brisant bewertet das Gericht unter anderem die Weitergabe einer Datei mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des BND. "Die Offenbarungen führten auch zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des BND", sagt Baier. "Damit bestand und besteht eine konkrete Gefahr für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland."
Ein schwerer Vorwurf, aber Markus R. zuckt nicht. Genau so wenig wie an einem früheren Verhandlungstag, als es darum geht, dass er das Leben einer Quelle im Ausland gefährdet habe.
"Er hat so reagiert wie immer", sagt später sein Anwalt Klaus Schroth. "Dass er nicht gelächelt hat, ist alles." Sein Mandant lächle meistens. "Das ist seine Art, sich mitzuteilen." Aber: "Dass in ihm einiges vorgeht, dürfte klar sein." Er hat eine Partnerin, das Paar dachte an Familiengründung. Und den Job beim BND hatte er bekommen, nachdem er viele, sehr viele, Bewerbungen geschrieben hatte - unter anderem an die Bundespolizei und den Verfassungsschutz.