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Nach Rücktritt von SPD-Chefin Nahles

Ein Trio soll es jetzt richten

  • Veröffentlicht: 03.06.2019
  • 14:33 Uhr
  • dpa
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© Silas Stein/dpa

In höchster Not sortiert sich die SPD neu. Erstmal gibt es aber nur Zwischenlösungen. Devise: Zeit gewinnen. Wohl auch, weil unklar ist, wie lange die SPD noch in der großen Koalition bleibt.

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Nach dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles soll die SPD vorerst von einem Trio geführt werden. Die engere Parteiführung schlug dem Vorstand am Montag für die kommissarische Leitung die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, sowie den hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vor. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen.

Zugleich wurden Rufe nach einer Doppelspitze für die krisengeschüttelte Partei laut. Ob der für Dezember geplante Wahl-Parteitag - und damit die mit Spannung erwartete Halbzeitbilanz der große Koalition - vorgezogen wird, blieb zunächst allerdings offen.

Nahles trat am Vormittag im Parteivorstand offiziell zurück. Danach verließ sie das Willy-Brandt-Haus mit den Worten "Machen Sie's gut" - und der Vorstand tagte ohne sie weiter. Ziel der Beratungen war ein Fahrplan für eine Neuaufstellung der in eine tiefe Krise gefallenen Partei.

"Machen Sie's gut"

Dreyer war bereits am Wochenende als Interims-Parteichefin im Gespräch gewesen. Sie hatte zum Zusammenhalt in der Krise gemahnt und andernfalls vor einer düsteren Zukunft für die Partei gewarnt. In Rheinland-Pfalz führt sie geräuschlos eine Ampelkoalition. Schwesig gilt bereits seit Wochen als mögliche Nahles-Nachfolgerin. Die frühere Bundesfamilienministerin ist zielstrebig und verkörpert das Bild einer jüngeren, weiblichen SPD. Schäfer-Gümbel will sich im Herbst aus der Politik zurückziehen, nachdem er bei der Landtagswahl 2018 zum dritten Mal mit dem Vorhaben gescheitert war, Ministerpräsident in Hessen zu werden.

Beim Koalitionspartner stieß die Entscheidung für eine kommissarische Dreier-Führung auf Unverständnis. "Ein Trio? Und wer ist jetzt der verbindliche Ansprechpartner, wer führt?", fragte die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner auf Twitter.

Nahles hatte ihren Rückzug nach nur 13 Monaten an der Parteispitze am Sonntag in einem kurzen Schreiben an die Parteimitglieder angekündigt. "Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist", heißt es darin. Nahles wird auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich damit komplett aus der Bundespolitik zurückziehen.

Ersetzt wird sie im Parteivorstand möglicherweise von einer Doppelspitze. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach sich am Montag genauso für diese Lösung aus wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig. "Das ist etwas, womit die anderen offensichtlich ganz gut arbeiten können", sagte Müller etwa mit Blick auf die Grünen. Die SPD müsse über ein Team nachdenken - ob Doppelspitze oder Vorsitzender und Stellvertreter. "Nur zu glauben, ein neuer Kopf wird es schon richten, ist offensichtlich eine fatale Fehlentscheidung".

Auf das Trio könnte ein Duo folgen

Maas plädierte zugleich für eine Urwahl, also eine Abstimmung sämtlicher SPD-Mitglieder. "Die Zeit der Hinterzimmer muss endlich vorbei sein", erklärte er seinen Vorschlag, wie aus Parteikreisen verlautete. "Wir brauchen eine neue Parteispitze, die eine möglichst breite Unterstützung unserer Mitglieder hat."

Der SPD-Politiker Thomas Oppermann sagte im ZDF-"Morgenmagazin", er rechne mit mehreren Kandidaten für die Nachfolge von Andrea Nahles an der SPD-Spitze. Bisher hat allerdings nur die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange Interesse angedeutet. Vizekanzler Olaf Scholz und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil dagegen winkten ab. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte Scholz im "Bild"-Interviewformat "Die richtigen Fragen" auf, diese Absage noch einmal zu überdenken.

Oppermann forderte, so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen. "Es nutzt nichts, weitere Niederlagen abzuwarten, damit keiner beschädigt wird", sagte er mit Blick auf die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September und Oktober.

Söder fordert klare Aussage

Mehrere Sozialdemokraten forderten derweil Debatten über den grundsätzlichen inhaltlichen Kurs: "Was keinen Sinn mehr macht, ist, dass wir nach einer Wahl von einem tagespolitischen Thema zum nächsten hopsen", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger betonte: "Wir brauchen jetzt an erster Stelle eine vernünftige Grundaufstellung und nicht in erste Linie eine Debatte über GroKo oder nicht GroKo." Die SPD müsse Klarheit über ihre inhaltlichen Ziele schaffen. Sachsen-Anhalts SPD dagegen sprach sich für ein Ende der großen Koalition aus.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder forderte die SPD auf, sich zu einer möglichen Fortsetzung der großen Koalition zu positionieren. "Die SPD muss am Ende auch klar machen, nicht nur, wie sie ihr Personal erneuert, sondern wie der grundlegende Kurs ist: "Ja", oder möglicherweise "Ja, aber" oder gar "Nein" zu einer großen Koalition auf Dauer", sagte er in Weimar.

Auch die Fraktionsspitze muss nach Nahles' Rücktritt neu besetzt werden. Als ein möglicher Kandidat gilt der bisherige Vizechef Achim Post. Zunächst aber soll auch die Fraktion kommissarisch geleitet werden, vom Kölner SPD-Abgeordneten und Fraktionsvize Rolf Mützenich. Die ursprünglich für Dienstag geplante Neuwahl des Fraktionsvorsitzes wird nicht stattfinden.

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