Generalbundesanwalt Range reagiert
Ermittlungen gegen Netzpolitik-Blogger
- Veröffentlicht: 31.07.2015
- 15:32 Uhr
- dpa
Beschämend, unverhältnismäßig, fragwürdig: Die Kritik am Vorgehen der obersten Ermittlungsbehörde gegen den Blog Netzpolitik.org überschlägt sich. Von einem Angriff auf die Pressefreiheit ist die Rede. Generalbundesanwalt Range reagiert und rudert zurück.
Die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen den Blog Netzpolitik.org sorgen für Proteststürme. Politiker von SPD, Linken, Grünen, FDP und Piraten reagierten am Freitag mit Unverständnis und Empörung auf das Vorgehen der Bundesanwaltschaft und forderten diese auf, das Verfahren einzustellen. Auch Journalistenverbände verlangten eindringlich ein Ende der Aktion. Generalbundesanwalt Harald Range will die Ermittlungen nun vorerst ruhen lassen und ein Gutachten dazu abwarten, wie er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte.
Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Der Generalbundesanwalt wirft dem Gründer des Blogs, Markus Beckedahl, und dem Autoren André Meister, Landesverrat vor und hat ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden eingeleitet. Darüber informierte die oberste deutsche Ermittlungsbehörde die Blogger in einem Brief, den Netzpolitik.org am Donnerstagabend ins Netz stellte.
Veröffentlichung von Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz
Es geht um die Veröffentlichung von Informationen und Dokumenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Netzpolitik.org hatte in zwei Artikeln Pläne der Behörde zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben. Dazu veröffentlichte der Blog Auszüge von vertraulichen Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes.
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hatte wegen der Durchstechereien Anfang Juli beim Landeskriminalamt Berlin Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Diese ging dann weiter an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Auf dpa-Anfrage wollte sich das Bundesamt nicht zu den Vorgängen äußern. Aus dem Umfeld der Behörde hieß es aber, Maaßen habe die Anzeigen nicht gegen Journalisten oder Blogger gerichtet. Ihm sei es vielmehr darum gegangen, gegen jene vorzugehen, die die Informationen an Journalisten gegeben hätten.
Journalisten sollen eingeschüchtert werden
Der Gründer von Netzpolitik.org warf Regierung und Bundesanwaltschaft vor, mit den Ermittlungen Journalisten einschüchtern zu wollen. Die Aktion richte sich gegen investigative Journalisten und ihre Quellen, sagte Beckedahl der dpa. Seine Kollegen und er ließen sich dadurch aber nicht abschrecken. Die Blogger erhielten von vielen Seiten Solidaritätsbekundungen.
Journalistenverbände sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit und verlangten eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Der netzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Klingbeil, sagte der dpa, er halte das Vorgehen der Bundesanwaltschaft für absolut nicht verhältnismäßig.
Range will die Ermittlungen ruhen lassen
Kritiker werfen der Ermittlungsbehörde seit längerem vor, Spähvorwürfen gegen die NSA nur höchst zögerlich nachzugehen. Die Grünen warfen Range vor, in einem Fall gar nicht zu handeln und im anderen übereilig. Das sei mehr als fragwürdig. Linksfraktionsvize Jan Korte klagte, der Rechtsstaat sei außer Balance geraten. FDP-Chef Christian Lindner rief die Regierung auf, für ein Ende dieser beschämenden "Posse" zu sorgen.
Range will die Ermittlungen zwar nicht einstellen, aber zumindest ruhen lassen. Seine Behörde verzichte mit Blick auf das hohe Gut der Pressefreiheit vorerst auf nach der Strafprozessordnung mögliche Exekutivmaßnahmen, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". In dem Ermittlungsverfahren sei zunächst zu klären gewesen, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelt. Dazu werde ein externes Sachverständigengutachten eingeholt. "Bis zum Eingang des Gutachtens wird mit den Ermittlungen innegehalten", erklärte er.