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Fortschrittsbericht rügt Menschenrechtsverstöße

EU-Kommission: Türkei muss sagen, was sie wirklich will

  • Veröffentlicht: 09.11.2016
  • 18:43 Uhr
  • dpa
Article Image Media
© EPA File/Sedat Suna

Die EU-Kommission zeichnet einmal mehr ein düsteres Bild der Lage in der Türkei. Für die Politik ist das heikel. Kann es wirklich weiter eine Kooperation geben?

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Die Europäische Union geht mit dem Beitrittskandidaten Türkei so scharf wie nie zuvor ins Gericht, scheut aber weiter den Abbruch der Verhandlungen mit Ankara. Im jüngsten sogenannten Fortschrittsbericht warf die EU-Kommission der Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch Menschenrechtsverstöße und mangelnde Rechtsstaatlichkeit vor. Erdogan äußerte sich ungehalten und mahnte Brüssel, die Türkei nicht im Ungewissen zu lassen.

"Ungeniert und ohne Scham sagen sie, die EU-Verhandlungen mit der Türkei müssen überprüft werden", sagte der Staatschef in Istanbul. "Na los, überprüft sie so bald wie möglich. Überprüft sie schleunigst. Aber wenn ihr sie schon überprüft, zögert es nicht noch weiter hinaus, sondern fällt eure endgültige Entscheidung."

Erdogans Europaminister Ömer Celik beschwerte sich, der EU-Bericht sei nicht "konstruktiv und wegweisend". Gleichzeitig forderte er, der Türkei die Perspektive auf eine EU-Mitgliedschaft zu erhalten.

Brüssel: Ankara muss wegweisende Entscheidung treffen

Das Land ist seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Das Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel war aber zuletzt extrem angespannt, vor allem nach der Inhaftierung von Journalisten und kurdischen Oppositionspolitikern nach dem Putschversuch türkischer Militärs vom Juli. Gleichzeitig sind beide Seiten über den Flüchtlingspakt vom März eng aufeinander angewiesen.

Darauf verwies auch der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn bei der Vorstellung des Berichts, der eigentlich die Fortschritte auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft aufzeigen soll, im Fall der Türkei aber sehr negativ ausfiel. Hahn lobte dennoch das Flüchtlingsabkommen. Im halben Jahr vor dem Abschluss kamen nach Hahns Worten rund 740.000 Migranten von der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland, im halben Jahr danach dann nur noch 18.000.

Der EU-Kommissar forderte die türkische Führung auf, selbst eine Richtungsentscheidung zu treffen. Die jüngsten Entwicklungen seien "zunehmend unvereinbar" mit dem offiziellen Beitrittswunsch, sagte der Österreicher. "Es ist an der Zeit, dass uns Ankara sagt, was sie wirklich wollen."

Erdogan: Westen unterstützt "Terroristen" der Gülen-Bewegung

Besondere Sorge machen der EU nach Hahns Worten Einschränkungen der Meinungsfreiheit, die Festnahmen und die Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe. Im Bericht ist sogar vom Verdacht "zahlreicher schwerer Verletzungen des Verbots von Folter und Misshandlung" zu lesen. Europaabgeordnete von CDU, SPD, FDP und Grünen forderten die EU-Kommission auf, trotz Risiken Konsequenzen zu ziehen und die Verhandlungen zumindest vorläufig abzubrechen.

Die türkische Regierung hat offiziell das Ziel ausgegeben, bis 2023 Mitglied der EU zu werden. Doch ging Präsident Erdogan die Partner erneut scharf an. "Wer öffnet seine Türen für die Terroristen, die von hier fliehen?", fragt er. "Die Führenden des Westens. Die Präsidenten, die Ministerpräsidenten und die Minister öffnen (ihnen) die Tür." Als Terroristen sieht die seine Regierung vor allem Anhänger der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK an.

Einige Beitrittskandidaten mit Mängeln im Rechtssystem

Die ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Berichte zu den Entwicklungen in den anderen EU-Kandidatenländern fielen ebenfalls alles andere als euphorisch aus. Zu ihnen zählen die Balkanstaaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien.

Alle Erweiterungsländer stünden auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene weiter vor großen strukturellen Herausforderungen, heißt es von der EU-Kommission. Dazu gehörten wenig effiziente öffentliche Verwaltungen und die hohe Arbeitslosigkeit. In den meisten Kandidatenländern wiesen zudem die Justizsysteme Effizienzprobleme und Mängel in den Bereichen wie Unabhängigkeit auf.

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