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Verstöße gegen EU-Grundwerte

EU-Kommission: Verfahren gegen Polen

  • Veröffentlicht: 13.01.2016
  • 15:17 Uhr
  • dpa
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© dpa/EPA/Olivier Hoslet

Der Streit über die Reformen der neuen polnischen Regierung geht in die nächste Runde. Brüssel gibt sich mit den bisherigen Erklärungen aus Warschau nicht zufrieden.

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Die neue polnische Regierung muss sich wegen des Verdachts auf schwere Verstöße gegen Grundwerte der EU einem Verfahren der EU-Kommission stellen. Die Brüsseler Behörde leitete am Mittwoch erstmals einen 2014 geschaffenen Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten ein. Er könnte in der Aufforderung münden, in den vergangenen Wochen beschlossene Gesetze wieder zurückzuziehen.

"Wir gehen diesen Schritt vor dem Hintergrund der vorliegenden Informationen - insbesondere dazu, dass verbindliche Entscheidungen des Verfassungsgerichts derzeit nicht respektiert werden", erklärte der stellvertretende EU-Kommissionschef Frans Timmermans am Mittwoch in Brüssel. Dies sei eine ernste Angelegenheit.

 Umstrittene Justizreform und neues Mediengesetz

Unter den umstrittenen Maßnahmen der erst seit November amtierenden national-konservativen Regierung in Warschau sind vor allem eine Justizreform und ein neues Mediengesetz. Gegner befürchten, dass geänderte Regeln für das Verfassungsgericht die Gewaltenteilung im Land bedrohen. Denn sie sehen vor, dass Entscheidungen künftig mit einer - womöglich selten zu erreichenden - Zwei-Drittel-Mehrheit getroffen werden müssen.

Zudem hat die Regierung Anfang Dezember getroffene Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht befolgt. Sie betrafen die Ernennung neuer Richter und verboten die Verkürzung der Amtszeit der alten Gerichtspräsidenten.

Das neue Mediengesetz erlaubt es der Regierung, über Führungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien zu entscheiden. Die Neuregelung werfe Fragen bezüglich der Pressefreiheit und des Pluralismus der Medien auf, kommentierte Timmermans.

Prüfung einer "systembedingten Gefahr"

In der ersten Phase des jetzt eingeleiteten Verfahrens will die EU-Kommission genau analysieren, ob es eindeutige Anzeichen für eine "systembedingte Gefahr" für die Rechtsstaatlichkeit in Polen gibt. Nur wenn dies der Fall ist, könnte die Regierung in weiteren Schritten offiziell aufgefordert werden, Änderungen herbeizuführen. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen Mitte März vorliegen.

Es gehe nicht darum, Polen anzuklagen, sondern darum, die Probleme gemeinsam zu lösen, sagte Timmermans. Der Niederländer wird in den nächsten Wochen federführend für den Dialog mit der polnischen Regierung zuständig sein.

Nach Darstellung der polnischen Regierung versicherte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vor der Kommissionssitzung am Mittwoch, dass es sich bei dem Verfahren lediglich um eine "Routineprozedur" zur Orientierung über die Veränderungen in Polen handele. Nach Angaben aus Warschau führte der Luxemburger dazu am Dienstag ein 45-minütiges Telefongespräch mit der polnischen Regierungschefin Beata Szydlo.

"Nichts dramatisieren"

Der polnische Regierungssprecher Rafal Bochenek unterstrich am Mittwoch diese Einschätzung. "Das ist eine Standardprozedur, wir sollten da nichts dramatisieren", sagte er vor Journalisten in Warschau.

Bereits in der vergangenen Woche hatte Juncker gesagt, er erwarte nicht, dass wegen Polen der Artikel 7 des EU-Vertrags angewendet werde. Dieser sieht bei "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor.

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