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Vorfall an Grenze belastet Treffen

Europa einigt sich mit Türkei auf gemeinsamen Flüchtlingsplan

  • Veröffentlicht: 16.10.2015
  • 08:45 Uhr
  • dpa
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© dpa

Die EU und die Türkei rücken in der Flüchtlingskrise enger zusammen - Brüssel stellt dabei bisherige Vorbehalte zurück. Über Milliardensummen zugunsten Ankaras steht eine Einigung aber noch aus.

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Nach Jahren gegenseitiger Vorwürfe und politischer Entfremdung rücken die EU und die Türkei in der Flüchtlingskrise zusammen. Die Partner einigten sich im Grundsatz auf einen gemeinsamen Aktionsplan, um den Flüchtlingszustrom aus der Türkei einzudämmen. Die EU-Staats- und Regierungschefs begrüßten den Kompromiss bei ihrem Gipfel, der am Freitagmorgen in Brüssel endete.

Das Abkommen sehe vor, "dass die Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden, in der Türkei bleiben werden(...)", sagte Juncker. Flüchtlinge sollten auch daran gehindert werden, über türkisches Gebiet nach Europa einzuwandern.
Finanzielle Hilfe noch nicht beschlossen

Ankara fordert im Gegenzug drei Milliarden Euro für die Versorgung von Flüchtlingen im Land - das ist drei Mal soviel wie bisher von der EU angeboten. Dazu steht eine Einigung allerdings noch aus. "Wir werden mit der Türkei in den nächsten Tagen über die Finanzierung und das Ganze reden", bilanzierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach rund achtstündigen Beratungen.
"Die Summe von drei Milliarden Euro hat eine Rolle gespielt", bestätigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie fliegt am Sonntag zu Gesprächen nach Istanbul. Dabei dürfte es laut Diplomaten auch um diese Finanzforderung gehen.
Merkel sagte: "Wir brauchen Steuerung, wir brauchen Ordnung, wir brauchen Planbarkeit, und das bedeutet auch Lastenteilung und das bedeutet vor allen Dingen, dass man den Schleppern nicht mehr die Hoheit über irgendwelche Hoheitsgewässer überlässt."
In dem EU-Kandidatenland Türkei leben rund zwei Millionen Menschen, die aus dem kriegserschütterten Syrien geflohen sind. "Wenn Sie uns helfen, helfen wir Ihnen", sagte Gipfelchef Donald Tusk an die Adresse der Türkei.

Visa-Lockerungen geplant
Das Verhältnis zwischen Ankara und der EU ist seit langem gespannt. Die Türkei wirft den EU-Staaten vor, dem Land keine echte Perspektive für den gewünschten Beitritt zur Union zu eröffnen. Die EU kritisierte ihrerseits Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit sowie Mängel bei der Rechtsstaatlichkeit.
Es sei vereinbart worden, die Lockerung der Visa-Pflicht für türkische Bürger zu beschleunigen, sagte Juncker. Dies hänge aber direkt davon ab, wie effizient die Flüchtlingsströme gebremst würden. Und dabei würden auch keine Kriterien aufgeweicht. "Es kann keine Visa-Liberalisierung geben, wenn es keine Kontrollen gibt, wenn die Türkei die Bedingungen nicht respektiert", sagte der französische Staatschef François Hollande.
Einen Zeitplan zur Umsetzung des Aktionsplans gibt es nach Merkels Worten noch nicht. Die von Ankara geforderte Anerkennung der Türkei als sicheres Herkunftsland sei kein großes Thema gewesen.

Sicherung der Grenzen wichtig
Der Gipfel traf wichtige Entscheidungen zur Sicherung der gemeinsamen Außengrenzen, resümierte Tusk. So solle die EU-Grenzschutzagentur Frontex das Recht erhalten, in bestimmten Fällen Migranten zurückzuführen.
Frontex und das Europäische Asyl-Unterstützungsbüro EASO sollen personell gestärkt werden. Die "Chefs" debattierten auch kontroverse Themen wie die gemeinsame Asylpolitik und Registrierungszentren ("Hotspots"). Umstritten ist das Vorhaben der EU-Kommission, einen dauerhaften Schlüssel zur Verteilung von Flüchtlingen festzulegen. "Wir können ja nicht alle sechs Monate wieder von vorne anfangen", sagte Juncker. Die bisher vereinbarte Verteilung von 160 000 Flüchtlingen auf die EU-Staaten beruht auf einer Notfallregelung.
Merkel räumte ernste Meinungsverschiedenheiten ein. Es habe "sehr ehrliche Diskussionen" gegeben. Der für 160.000 Menschen beschlossene Schlüssel zur Verteilung auf die EU-Länder müsse erst einmal umgesetzt werden, sollte nach Merkels Überzeugung aber generell auch für weitere Flüchtlinge gelten.

Vorfall an der Grenze zu Bulgarien

Ein tödlicher Zwischenfall an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei belastete den Gipfel. Bulgariens Grenzpolizei hat einen Migranten im Grenzgebiet zur Türkei erschossen. Das bestätigte der Hauptkommissar im bulgarischen Innenministerium am Freitag. Der tödliche Zwischenfall habe sich ereignet, als die Grenzpolizei eine Gruppe aus 54 Männern stoppen wollte. Offenbar gab es Handgreiflichkeiten zwischen der Polizei und den Migranten. 

Ein Grenzpolizist habe nach eigener Darstellung einen Warnschuss in die Luft gefeuert, der aber den Migranten tödlich getroffen habe. Die Migranten, darunter der Tote, seien nach ersten Erkenntnissen aus Afghanistan gekommen. Ermittlungen sollen die genauen Umstände des Todes klären, hieß es. Der bulgarische Regierungschef Bojko Borissow war wegen des Vorfalls vorzeitig vom EU-Gipfel heimgereist. "Das ist das nächste Argument dafür, wie wichtig unsere Diskussion heute Abend war", sagte Gipfelchef Donald Tusk.

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