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Quote bleibt weiter umstritten

Europa verschiebt Beschluss zu Flüchtlingen

  • Veröffentlicht: 14.09.2015
  • 20:38 Uhr
  • dpa
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Es bleibt schwierig: Eine feste Quote zur Verteilung von Flüchtlingen hat in Europa keine Mehrheit. Die EU-Innenminister schaffen nur einen Mini-Kompromiss. Die Staaten wollen insgesamt 160 000 Flüchtlinge verteilen. Wer wieviele nimmt, bleibt heftig umstritten.

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Eine feste Quote zur Umverteilung von Flüchtlingen hat keine Mehrheit unter den EU-Staaten. Die EU-Innenminister konnten sich bei einem Krisentreffen am Montag in Brüssel nur grundsätzlich auf die Verteilung von insgesamt 160 000 Flüchtlingen einigen, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach dem Treffen. Ein verbindlicher Verteilschlüssel, wie die EU-Kommission ihn vorgeschlagen hatte, habe aber keine Mehrheit gefunden. Die mittelosteuropäischen und baltischen Staaten waren dagegen.

Die Minister vertagten die Entscheidung auf ihr nächstes Treffen am 8. Oktober. "Wir haben heute erreicht, dass wir eine politische Zustimmung zur Verteilung von 160 000 Flüchtlingen bekommen", bilanzierte de Maizière. "Wir haben noch nicht erreicht die Festlegung auf die Quoten und die Verfahren im Einzelnen."

Ungarn, Griechenland und Italien entlasten

Die Umverteilung von Asylsuchenden soll Ungarn, Griechenland und Italien entlasten. Der Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament, Guy Verhofstadt, forderte einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs, weil das gesamte Schengen-System für die Reisefreiheit in Europa in Gefahr sei. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte mit einem solchen Schritt bei mangelnden Fortschritten bei diesem Thema gedroht.

Mittelosteuropäische und baltische Staaten beharrten auf ihrer Ablehnung. "Wir denken, dass Quoten nicht die richtige Lösung sind", sagte der slowakische Innenminister Robert Kalinak. Es müsse stattdessen dafür gesorgt werden, dass die Syrien-Flüchtlinge in den Auffanglagern in der Türkei, im Libanon oder Jordanien blieben. Neben Ungarn sind Polen, Tschechien und die Slowakei gegen eine Pflichtverteilungsquote, wie sie die EU-Kommission vorschlägt.

De Maizière übte gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve Druck auf die bremsenden Länder aus. Die beiden Minister gaben eine gemeinsame Pressekonferenz.

Mikl-Leitner: Deutschland ist mitverantwortlich

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner machte unterdessen deutlich, dass sie Deutschland für mitverantwortlich am aktuellen Ausmaß der Flüchtlingskrise hält. Nachdem in internationalen Medien zu lesen gewesen sei, dass die Bundesregierung das sogenannte Dublin-Verfahren für Syrer ausgesetzt habe, hätten sich "Tausende von Menschen verstärkt auf den Weg gemacht", sagte die konservative Politikerin. Es habe "sehr viele Hoffnungen" gegeben.

Zu den von Deutschland wiedereingeführten Grenzkontrollen sagte Mikl-Leitner: "Wir haben damit gerechnet, dass Deutschland irgendwann einmal reagieren musste. Es war allen klar, dass das so nicht weitergehen kann."

De Maizière sagte, die Grenzkontrollen seien auch als Druckmittel gegen andere EU-Staaten wieder eingeführt worden: "Wir haben gezeigt, dass Deutschland nicht bereit ist, alleine durch eine faktische Umverteilung die Last zu tragen."

Asselborn warnt vor Chaos an den Grenzen

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte vor einem Chaos an den Grenzen in Europa, wenn viele Länder wieder Grenzkontrollen einführen würden. «Das wird ein Domino-Effekt werden, und wir können Schengen vergessen», warnte Asselborn.

Die schweizerische Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bemängelte, dass der Vorschlag der EU-Kommission für einen dauerhaften Verteilmechanismus "offenbar nicht einmal ein Thema" sei. "Ich bedaure das sehr, weil es ist allen klar: Wenn wir in dieser Frage vorwärtskommen wollen, (...) dann braucht es einen festen Verteilmechanismus."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte ein solches System in der vergangenen Woche erneut vorgeschlagen. Immer dann, wenn der Zustrom von Flüchtlingen ein Land zu stark belastet, könnten Flüchtlinge nach dem festgelegten Verteilungsschlüssel in andere EU-Staaten umgesiedelt werden.

UN-Hochkommissar appelliert an die EU

Der Vorschlag für eine Notumsiedlung sieht lediglich vor, 120 000 Flüchtlinge aus Griechenland, Italien und Ungarn auf andere EU-Länder zu verteilen. Dies soll zusätzlich zu den 40 000 Migranten erfolgen, auf deren Aufnahme sich die EU-Staaten im Sommer geeinigt hatten - doch in der Praxis waren die tatsächlichen Zusagen hinter dem Ziel zurückgeblieben. Die Minister bekräftigten am Montag diese Zahl. Bis Jahresende soll es eine Einigung auf die restliche Zahl geben.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, appellierte an die EU, sich endlich auf die Verteilung von Flüchtlingen zu einigen. "Wir erleben heute eine Situation des Chaos und der Verwirrung bei der Flüchtlingskrise in Europa", sagte Guterres. Die EU-Staaten müssten Ordnung schaffen: "Solidarität ist etwas, was einige Länder manchmal benötigen und andere Länder anbieten müssen."

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