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Osteuropäische Staaten haben Plan B in der Tasche

Europaparlamentarier warnen vor Scheitern des EU-Gipfels

  • Veröffentlicht: 16.02.2016
  • 07:54 Uhr
  • dpa
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Beim EU-Gipfel will Angela Merkel erneut um Unterstützung für ihre Flüchtlingspolitik werben. Bei den EU-Partnern aber wächst der Unmut. Ein Eklat scheint nicht ausgeschlossen.

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Angesichts des zunehmenden Widerstandes bei den EU-Partnern gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnen Grüne und Liberale im Europaparlament vor einem Scheitern des EU-Gipfels. Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Ska Keller, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag): "Ich befürchte, dass der EU-Gipfel ein Ablenkungsmanöver wird: Die europäischen Staats- und Regierungschef schieben Griechenland den Schwarzen Peter zu, statt sich gemeinsam an die dringend notwendige Lösung der Flüchtlingskrise zu machen." Zugleich lehnte sie Grenzschließungen ab: "Das wäre Sprengstoff für die gesamte EU."

Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), hält ein Scheitern des Gipfels für möglich. "Wenn es der Kanzlerin nicht gelingt, eine europäische Lösung zu erarbeiten, dann ist amtlich dokumentiert, dass es ihr in Europa so geht wie in ihrer Regierungskoalition: Sie steht allein auf weiter Flur. Dann ist es Zeit für die Vertrauensfrage", sagte er der "Welt" (Dienstag). Zugleich forderte er die Sicherung der griechischen Außengrenze. "Wenn das nicht gelingt, dann ist die Abschottung der mazedonisch-griechischen Grenze die logische Konsequenz."

Osteuropäische Staaten haben Plan B in der Tasche

Ähnlich hatten sich am Montag auch östliche EU-Mitglieder bei einem Treffen in Prag geäußert. Die Regierungschefs Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei forderten einen "Plan B", sollten Griechenland und die Türkei die Zahl der Flüchtlinge nicht bald deutlich vermindern können. Dann müsse die Balkanroute für Flüchtlinge versperrt werden. Die Vierergruppe sagte dem mazedonischen Präsidenten Djordje Ivanov und dem bulgarischen Ministerpräsidenten Boiko Borissow praktische Unterstützung bei der Grenzsicherung zu und ging auf Konfrontationskurs zu Berlin.

Deutschland setzt auf eine Lösung mit der Türkei und Griechenland. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte die vier Länder der Visegrad-Gruppe davor, in der Flüchtlingskrise einen "Verein der Abtrünnigen" zu bilden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wandte sich in Brüssel gegen "Einfachstlösungen" wie Grenzschließungen.

Merkel: "Wir können es schaffen"

Merkel verteidigte ihre Flüchtlingspolitik. "Ich bin fest überzeugt: Wir können es schaffen", betonte sie bei einem Wahlkampfauftritt in Baden-Württemberg. Von Krieg Betroffene bräuchten Schutz. Gleichzeitig müssten Flüchtlinge die in Deutschland geltenden Werte und Gesetze anerkennen. Um die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, müssten Fluchtursachen stärker als bisher bekämpft werden. Hierfür sei die Kooperation mit der Türkei der richtige Weg.

Zum Thema Grenzsicherung sagte Merkel: "Es entscheidet sich nicht an der Grenze Deutschlands zu Österreich. Es entscheidet sich an den EU-Außengrenzen, auf offener See. Dort müssen wir ansetzen und Schleppern das Handwerk legen." Dies könne Europa nur gemeinsam gelingen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, forderte eindringlich eine europäische Lösung in der Flüchtlingskrise. "Es wäre für mich ein Skandal erster Ordnung, wenn wir nach dieser Woche im Grunde genommen sagen, wir haben keine Lösung, und an den Grenzen Europas geht es weiter so wie bisher", sagte er am Montagabend dem ZDF-"heute journal". "Jetzt geht es doch erstmal darum, Menschen vor der nackten Not zu retten", mahnte Marx. Erst dann könne man Schritt für Schritt über Integrationsmaßnahmen nachdenken.

Begrenzung der Flüchtlingszahlen

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok forderte vom EU-Gipfel Beschlüsse zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen. "Die Reduzierung ist entscheidend", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die ursprünglich von der Bundesregierung angestrebte feste Quote zur Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten hält Brok dagegen nicht für vorrangig. "Die Frage der Quote ist völlig überschätzt. Es kommt vor allem auf die Reduzierung der Gesamtzahl an." Der Gipfel in Brüssel werde nur eine "Zwischenbilanz" ziehen.

Ein Großteil der EU-Bürger scheint sich indes eine gemeinsame Lösung der Flüchtlingskrise und eine faire Verteilung der Lasten zu wünschen. Das ist das Ergebnis einer am Dienstag in Gütersloh vorgestellten Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Demnach sprechen sich 87 Prozent der Befragten in allen 28 Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Sicherung der EU-Außengrenzen aus. 79 Prozent der EU-Bürger befürworten demnach, dass Asylsuchende auf alle Länder "fair verteilt werden". 69 Prozent unterstützen die Forderung, dass die Staaten, die sich ihrer Verantwortung in der Flüchtlingsfrage entziehen, weniger Geld aus der EU-Kasse erhalten.

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