"Der große Fehler meines Lebens"
Ex-Rad-Profi Hondo gesteht Blutdoping
- Veröffentlicht: 12.05.2019
- 22:00 Uhr
- dpa
Weil der Sportarzt Mark S. ihn in der Doping-Affäre belastet haben soll, geht der ehemalige Rad-Profi Danilo Hondo an die Öffentlichkeit. Er gesteht Blutdoping - und bekommt die erste Konsequenz zu spüren.
In der Affäre um das mutmaßliche Doping-Netzwerk des Erfurter Sportmediziners Mark S. hat der erste prominente deutsche Sportler ein Geständnis abgelegt. Der ehemalige Rad-Profi Danilo Hondo gab am Sonntag in einem Interview mit der ARD-Dopingredaktion zu, 2011 bei dem Arzt Blutdoping praktiziert zu haben.
"Ich hatte diesen schwachen Moment", erzählte der 45-Jährige der ARD-"Sportschau". Warum er schwach geworden sei? "Die Frage werde ich mir wahrscheinlich mein Leben lang stellen", meinte der einstige Sprint-Spezialist. Mark S. habe "einfach unwahrscheinliche Überzeugungsarbeit geleistet", lautete ein Erklärungsversuch Hondos. "Dann habe ich schlussendlich leider Gottes den großen Fehler meines Lebens getan und dieser Geschichte zugestimmt."
Noch am Abend erhielt er die erste Konsequenz. Der Schweizer Radsport-Verband stelle Hondo als Nationaltrainer frei, teilte Swiss Cycling mit. Hondo hatte den Verband am Morgen vor dem Interview informiert: "Alle sind natürlich geschockt." Der viele Jahre in der Schweiz lebende Deutsche hatte den Posten nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio angetreten. 2014 hatte er seine Karriere nach 18 Jahren beendet.
"Es war meine persönliche Schwäche"
Als Mitglied des damaligen Gerolsteiner-Teams war der zweimalige Giro-Etappensieger wegen Dopings 2005 für zwei Jahre gesperrt worden. Er hatte willentliches Doping stets bestritten. Bei Hondo war damals ein verschwindend geringer Carphedon-Fund in seinem Urin festgestellt worden. Nach einem juristischen Marathon hatte sich damals sogar der als kompromissloser Doping-Kritiker bekannte Mikrobiologe Werner Franke für ihn eingesetzt und seine Schuld öffentlich bezweifelt.
Auslöser für sein Outing nun war, dass Mark S. ihn in Vernehmungen belastet haben soll. "Mir war es einfach wichtig klarzustellen, dass es mein persönlicher Fehler war; meine persönliche Schwäche", sagte er. Es sei für ihn persönlich unglaubwürdig gewesen, wenn er abgestritten hätte, dass er auch Kunde von S. gewesen wäre. Er wollte den Sportlern aufzeigen, "in welche Situationen man wirklich geraten kann, wenn man in einem Moment in seinem Leben unaufmerksam ist oder in einem seines Lebens schwach wird".
Hondo war damals beim Team Lampre. Mark S. sei auf ihn zugekommen. Hondo habe erst abgelehnt. Doch Mark S. habe ihn stets versichert, dass diese Art die sicherste Methode des Dopings sei. Anfang 2012 kündigte Hondo nach eigenen Angaben die Zusammenarbeit auf. Bis dahin habe er an den Mediziner mindestens etwa 30 000 Euro gezahlt.
Die Gabe des Mediziners, Menschen zu motivieren
Es habe drei bis vier Entnahmen und drei bis vier Zurückgaben gegeben. Die Entnahmen seien in einem Apartment in der Nähe von Frankfurt erfolgt, die Rückführungen einmal "bei Mailand-San Remo, zu den Klassikern in Belgien und dann auch noch mal zur Tour de France", meinte Hondo. Er habe sich von Beginn an "extrem beschissen" gefühlt. "Schon in dem Moment, wo ich zugestimmt habe, war ich mir nicht sicher. Und auch bei der ersten Blutentnahme habe ich mich unwahrscheinlich schlecht gefühlt", sagte er. Sportmediziner Mark S. habe aber eine "gewisse Art" gehabt, Menschen zu motivieren.
Hondo geht neben dem Job-Verlust als Schweizer Nationaltrainer von weiteren Konsequenzen aus. Die Geschichte sei sportrechtlich nicht verjährt. "Aber dem stelle ich mich", sagte er. "Mir ist klar, dass es natürlich keine berufliche Zukunft, weder bei Swiss Cycling noch in irgendeiner anderen Form, im Radsport für mich geben wird."
Hondo galt als Sprintspezialist. Der Brandenburger wurde 1994 Weltmeister im deutschen Bahnvierer, gewann zehn Etappen der Friedensfahrt, 2001 zwei Etappen beim Giro d'Italia, war 2002 deutscher Straßenmeister und 2005 als Zweiter knapp am Sieg beim Klassiker Mailand-San Remo vorbeigefahren.
Razzien bei der Ski-WM in Seefeld
Mark S. soll angeblich Drahtzieher eines mutmaßlichen Doping-Netzwerkes sein. Mitte März hatte die zuständige Staatsanwaltschaft München die Zahl von mindestens 21 Sportler aus acht Nationen genannt, die bei S. praktiziert haben sollen. Auslöser der staatsanwaltlichen Ermittlungen war der Film "Die Gier nach Gold" der ARD. Der ehemalige österreichische Skilangläufer Johannes Dürr hatte in diesem Film Blutdoping zugegeben und dadurch vor zweieinhalb Wochen Razzien bei der Ski-WM in Seefeld und in Erfurt ausgelöst.
Am Freitag hatte die Nationale Anti-Doping-Agentur erstmals den Namen des mutmaßlich in den Blutdoping-Skandal verwickelten Ex-Eisschnellläufers Robert Lehmann-Dolle offiziell bestätigt. Gegen den 35 Jahre alten Thüringer werde ein sportrechtliches Disziplinarverfahren vor dem Deutschen Sportschiedsgericht wegen möglichen Verstoßes gegen Anti-Doping Bestimmungen eingeleitet, teilte die NADA am Freitag mit.