Anzeige
22 Menschen kommen bei einem Bootsunglück ums Leben, darunter zehn Kinder

Flüchtlingsdrama in der Ägäis

  • Veröffentlicht: 30.10.2015
  • 16:38 Uhr
  • dpa
Article Image Media
© dpa

Helfer und Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen kämpfen auf Lesbos um das Leben der Flüchtlinge. Sie gehen davon aus, dass die Zahl der Toten weiter steigen wird; für das Wochenende sind starke Stürme vorhergesagt.

Anzeige

Die Ägäis wird zum Grab für immer mehr Flüchtlinge. Allein in der Nacht zum Freitag kamen vor den griechischen Inseln mindestens 22 Menschen bei einem Bootsunglück ums Leben, darunter zehn Kinder. In der türkischen Ägäis starben vier Kinder bei einer weiteren Flüchtlingstragödie. Damit sind in den ersten zehn Monaten 2015 bereits 3329 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, mehr als im gesamten Jahr 2014 (3279 Tote), wie die Internationale Organisation für Migration mitteilte. Viele Flüchtlinge kommen aus Syrien, wo seit viereinhalb Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Die meisten wollen nach Deutschland.

Die Route von der türkischen Westküste nach Lesbos wird derzeit immer noch von vielen Flüchtlingen genutzt, obwohl sich das Wetter verschlechtert hat. Für das Wochenende sagt der staatliche griechische Wetterdienst Sturm und starken Seegang voraus. Helfer auf Lesbos befürchten, dass die Zahl der Toten weiter steigt.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, ihre Teams unterstützten Überlebende auf den Inseln Leros und Kalymnos. Pro Asyl forderte ein rasches Eingreifen der Europäer. Die Situation auf Lesbos und anderen griechischen Inseln sei katastrophal, teilte die Organisation mit. "Die Helfer sind am Limit und mit dem Massensterben überfordert." Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich bei einem Besuch auf Lesbos tief erschüttert.

Viele Freiwillige helfen auf Lesbos

"Nachts ist es besonders schlimm, dann wird der Wind noch stärker", sagt der Brite Faruk Divelli, der mit anderen Privatleuten auf Lesbos hilft. "Wir entzünden Feuer am Strand, damit die Flüchtlinge sehen, wo sie hinsteuern müssen." Wenn die Menschen das rettende Ufer erreichen, spielen sich dramatische Szenen ab, berichtet der 48-jährige. "Sie sind durchnässt, unterkühlt und traumatisiert, wir haben halbtote Kinder von den Booten geholt, mit Wasser in der Lunge. Und wir haben nicht einmal genug Rettungsdecken, Wasser und Medikamente für sie."

Divelli und seine Mitstreiter kommen aus Bolton bei Manchester. Innerhalb einer Stunde hat die Gruppe am Vormittag bereits drei überfüllte Boote mit jeweils rund 40 Flüchtlingen geborgen und die Menschen notdürftig versorgt. Die Gemeinde in der Heimat unterstützt die Initiative, aus Bolton sollen in den nächsten Tagen 22 Paletten mit Hilfsmitteln geliefert werden. Fassungslos ist Divelli über die Tatsache, dass auf Lesbos hauptsächlich Privatleute und Nichtregierungsorganisationen helfen. "Man sieht keine staatlichen Helfer, nur Freiwillige aus aller Herren Länder."

Kurz für ein einheitliches europäisches Asylrecht

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras schlug vor, die Registrierungszentren (Hotspots) von den griechischen Inseln in die Türkei zu verlagern, damit die Menschen nicht die gefährliche Seereise auf sich nehmen müssen. Im Parlament zeigte er sich am Morgen tief betroffen von den wiederholten Bootsunglücken. "Als Mitglied der Führung Europas schäme ich mich." Das eine Land schiebe das Problem dem anderen zu, die Wellen spülten nicht nur tote Migranten, sondern auch die europäische Kultur an Land.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz sprach sich für ein einheitliches europäisches Asylrecht aus. "Die Unterschiede bei Anerkennungsquoten oder bei Sozialleistungen für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge führen dazu, dass wir große Unterschiede in der Attraktivität der verschiedenen Staaten haben", sagte er der "Neuen Zürcher Zeitung". Das bedeute, dass gemeinsame europäische Regelungen geschaffen werden müssten.

Wer die Überfahrt nach Griechenland übersteht, dem steht der beschwerliche Weg auf der Balkan-Route Richtung Österreich und Deutschland bevor. Wenige Tage nach dem Spitzentreffen zum Flüchtlingschaos auf dieser Strecke veröffentlichte die EU-Kommission einen ersten Fortschrittsbericht. Von den 50 000 neuen Aufnahmeplätzen für Migranten, die bis Jahresende entlang der Route entstehen sollen, können demnach 12 000 in Ländern wie Österreich und Serbien sofort eingerichtet werden. Auf der Balkan-Route sind weiter Tausende Flüchtlinge unterwegs.

Mehr Informationen
Tuerkei_Urlaub_dpa
News

Reisebüros glauben nicht an Türkei-Comeback

  • 05.06.2023
  • 12:10 Uhr

© 2024 Seven.One Entertainment Group