Nach Geiselnahme
Frankreich: Polizistenmörder getötet - Kontakte zum IS
- Veröffentlicht: 14.06.2016
- 18:57 Uhr
Ein Geiselnehmer hat in der Nähe von Paris einen französischen Polizisten und dessen Frau getötet. Der sich zum IS bekennende Täter wurde anschließend erschossen.
Nach der Tötung eines französischen Polizisten und seiner Lebensgefährtin ist ein bewaffneter Mann nahe Paris von Spezialeinheiten erschossen worden. Der Täter hatte sich in der Wohnung des Paares in der Ortschaft Magnanville verschanzt, wie das Innenministerium in der Nacht zum Dienstag mitteilte. Medienberichten zufolge stieß die Polizei erst in der Wohnung auf die Leiche der weiblichen Geisel und einen dreijährigen Jungen, der unverletzt blieb.
Der Polizist war schon zuvor getötet worden. Innenminister Bernard Cazeneuve äußerte in einer Stellungnahme "unendliches Bedauern" und sprach den Angehörigen des Paares sein Beileid aus. Da die Verhandlungen mit dem Geiselnehmer erfolglos geblieben seien, habe man sich schließlich zur Stürmung des Hauses entschlossen, sagte Innenministeriums-Sprecher Pierre-Henry Brandet laut der Nachrichtenagentur AFP.
Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft zog den Fall aufgrund des Vorgehens, des Ziels und der Äußerungen des Täters an sich, wie der Deutschen Presse-Agentur aus Justizkreisen bestätigt wurde. Der Mann habe sich bei Verhandlungen mit der Polizei-Spezialeinheit RAID auf den IS berufen. Die von der Terrormiliz als Sprachrohr genutzte Nachrichtenagentur "Amaq" berichtete zudem unter Verweis auf eine nicht näher spezifizierte Quelle, dass der Täter Kämpfer des IS gewesen sei.
Kind bleibt unversehrt
Bei der Attacke auf den Polizisten vor dessen Haus in der Gemeinde Magnanville soll der Mann laut Augenzeugen auf Arabisch "Allah ist groß" gerufen haben, wie die Zeitung "Le Parisien" berichtete. Dann habe er die Frau und den dreijährigen Sohn als Geiseln genommen. Das Kind wurde von den Polizisten befreit und blieb unversehrt, stand aber unter Schock.
Über die Identität des Angreifers wurde zunächst nichts bekannt, auch nicht über die Glaubwürdigkeit seiner Berufung auf den IS. Nach Angaben der auf die Beobachtung dschihadistischer Propaganda spezialisierten Firma Site berichtete "Amaq", dass ein IS-Kämpfer den stellvertretenden Polizeichef der Ortschaft Les Mureaux und dessen Frau mit Stichwaffen getötet habe.
Die getötete Frau war selbst Beamtin des Innenministeriums und arbeitete nach Angaben des Staatsanwalts von Versailles, Vincent Lesclous, als Sekretärin im Polizei-Kommissariat der nahegelegenen Stadt Mantes-La-Jolie. Ihr Mann war laut "Parisien" stellvertretender Chef der Kriminalpolizei im ebenfalls nahegelegenen Les Mureaux.
"In diesem Moment ist der Schmerz unermesslich", sagte der Präfekt des Départements Yvelines, Serge Morvan. Eine Anwohnerin bezeichnete das Viertel, in dem sich die Tat ereignete, vor französischen Journalisten als ruhig: "Hier passiert nie etwas."
Hollande: "Abscheuliche Tat"
Präsident François Hollande verurteilte "diese abscheuliche Tat". Er sicherte zu, dass die Hintergründe vollständig aufgeklärt würden, und berief für Dienstagmorgen eine Sitzung im Élyséepalast ein. Innenminister Bernard Cazeneuve soll am Morgen zudem die Kommissariate von Les Mureaux und Mantes-la-Jolie besuchen.
Frankreich war im vergangenen Jahr mehrfach Ziel islamistischer Terroranschläge, denen insgesamt 149 Menschen zum Opfer fielen. Die schwerste Anschlagserie ereignete sich am 13. November, als IS-Terroristen mit Sturmgewehren und Sprengstoffgürteln im Pariser Musikclub "Bataclan", am Stade de France sowie in Bars und Restaurants der Hauptstadt 130 Menschen ermordeten.
Im Vorfeld der laufenden Fußball-EM hatten Behörden immer wieder auf eine anhaltend hohe Terrorgefahr in Frankreich hingewiesen. Nach übereinstimmenden Angaben gab es aber keine konkreten Hinweise auf Anschlagspläne gegen das Turnier.
Nach dem jüngsten Massaker in einem vor allem von Homosexuellen besuchten Club in der US-Großstadt Orlando hatte die IS-nahe Agentur "Amaq" ebenfalls behauptet, der Täter gehöre zu der Terrororganisation. Auch dort hatte sich der Todesschütze im Kontakt mit der Polizei zu islamistischen Terrororganisationen bekannt, allerdings passen seine verschiedenen Äußerungen nach Angaben der US-Bundespolizei FBI dem ersten Anschein nach nicht zusammen.