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Italiens Regierungschef Matteo Renzi

Jung, dynamisch und gnadenlos

  • Veröffentlicht: 15.03.2014
  • 14:45 Uhr
  • jal, AFP
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© AFP

Italiens Regierungschef Matteo Renzi ist gerade gute zwei Wochen im Amt und hat das Land schon gehörig aufgewühlt. Der 39-jährige Sozialdemokrat stellte ein junges Kabinett auf die Beine, das zur Hälfte aus Frauen besteht, und brachte alsbald ein neues Wahlgesetz durch das Parlament. Seine Pläne sind ambitioniert: Er will Steuern im Umfang von zehn Milliarden Euro senken, die Bürokratie eindämmen und auf längere Sicht den Senat abschaffen. Am Montag wird er zu Regierungskonsultationen in Berlin erwartet.

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Sein Reformeifer, mit dem er Italien aus der Wirtschaftskrise und der politischen Instabilität ziehen will, passt zu Renzis Blitzaufstieg vom Florentiner Bürgermeister zum Chef der Demokratischen Partei (PD) und schließlich zum Regierungschef - dem jüngsten in Italiens Geschichte. Seinen Parteifreund und Vorgänger Enrico Letta hatte er Mitte Februar in einem internen Streit zu Fall gebracht.

Nachdem er von Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, versprach Letta: "Ich werde meine gesamte Energie, meinen Enthusiasmus und mein Engagement einsetzen, um Arbeitslosigkeit und Resignation zu bekämpfen." Und er legte direkt los. Renzi ist ein guter Redner und ein Kenner der sozialen Netzwerke. Sogar bei Anhängern der Rechten um den ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi kommt er gut an. Außerdem ist er unbeschmutzt von politischen Skandalen - denn zuvor saß er weder im Parlament, noch in einem Ministerium.

Geboren wurde Renzi im Januar 1975 in Florenz. Nach seinem Jurastudium arbeitete er in der Marketingfirma seiner Familie. Mit 19 Jahren trat er in die politischen Fußstapfen seines Vaters, eines örtlichen Abgeordneten der Christdemokraten. 2001 wurde Renzi der örtliche Koordinator der christdemokratischen Zentrumsbewegung Margherita, die später in der Demokratischen Partei aufging. Die Wahl zum Bürgermeister von Florenz war 2009 dann sein Durchbruch. Politisch eifert Renzi weltweit bekannten Vorbildern nach - US-Präsident Barack Obama und dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair.
Renzi pflegt ein jugendliches, energiegeladenes Image, das er mit hochgekrempelten Ärmeln und Lederjacke sowie mit Radtouren und Marathonläufen unterstreicht.

Verheiratet ist der Jurist mit der Italienischlehrerin Agnese, die er noch aus Pfadfinderzeiten kennt. Zu seiner Vereidigung als Regierungschef erschien er mit seiner Frau und den drei Kindern - sie waren in den Farben der italienischen Flagge gekleidet.

Renzi war bereits Gast im Kanzleramt

Seine Kritiker bemängeln allerdings, dass Renzi die Erfahrung auf der großen politischen wie auch diplomatischen Bühne fehlt. Erst am Freitag bezeichnete er den EU-Stabilitätspakt als "Dummheitspakt" - Italien könne wegen der Vorgaben kein Geld ausgeben. Dabei ist im Detail noch unklar, wie er seine Steuerreform finanzieren will. Auch auf harte Verhandlungen mit Gewerkschaften und politischen Schwergewichten dürfte Renzi kaum vorbereitet sein.

Sein Machthunger könnte ihm zusätzlich Probleme bereiten. Renzi nennt sich selbst gern den "Verschrotter" ("Rottamatore"). Die Demontage von Altgedienten ist ihm schon vor dem Machtkampf mit Letta gelungen: Sowohl Ex-Ministerpräsident Massimo D'Alema als auch der ehemalige Bewerber für das Amt des Regierungschefs, Walter Veltroni, traten unter anderem auf Betreiben Renzis bei der Parlamentswahl im Februar 2013 nicht mehr an.

Dass die Karriere des Bürgermeisters von Florenz noch nicht beendet ist, das machte im vergangenen Sommer Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich: Sie lud ihn ins Kanzleramt ein, aus reiner Neugier, wie sie der Presse sagte. Sie wollte ihn "einfach mal kennenlernen". Da hatte sie offenbar einen guten Riecher - am Montag sitzt ihr der junge Italiener als neuer Amtskollege gegenüber.

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