Berlin sucht nach Erdogan-Sieg Gespräch mit Ankara
Kemalisten fordern Annullierung des Referendums
- Veröffentlicht: 17.04.2017
- 13:22 Uhr
- dpa
Nach Beschwerden über zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Referendum in der Türkei fordert die größte Oppositionspartei CHP eine Annullierung des Ergebnisses. "Diese Wahl muss annulliert werden", sagte der Vizechef der Mitte-Links-Partei, Bülent Tezcan, am Montag in Ankara. Nur so könne eine "Diskussionen über die Legitimität" vermieden werden. Die CHP werde "alle juristischen Wege einschlagen", um das Referendum anzufechten, einschließlich einer Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Zur knappen Mehrheit für die Verfassungsänderung sagte er: "Nach unserem Einspruch muss das noch einmal bewertet werden."
Tezcan kritisierte unter anderem, dass die Wahlkommission entgegen eigenen Bestimmungen während der laufenden Abstimmung Stimmzettel und Umschläge zugelassen habe, die nicht von ihr gestempelt wurden. "Nicht einmal am Wahltag hat man sich an die Wahlgesetze gehalten." Kommissionschef Sadi Güven wies derartige Einwände zurück und betonte, auch ohne offiziellen Stempel habe es sich um gültige Stimmzettel und Umschläge gehandelt. Tezcan bemängelte außerdem, dass Wahlbeobachter der Opposition behindert und Wähler zur offenen Stimmabgabe gezwungen worden seien.
Auch die pro-kurdische Oppositionspartei HDP erklärte am Montag, sie erkenne das vorläufige Ergebnis nicht an. Es sei "nicht legitim", weil die Wahlkommission auf das Resultat eingewirkt habe, teilte die HDP mit. Der Wahlkampf sei zudem unter "ungleichen Bedingungen" geführt worden. ""Nein" hat gewonnen, und die, die für ein "Nein" gekämpft haben, haben gewonnen". Schon am Sonntagabend hatte die Partei angekündigt, sie werde das Ergebnis von zwei Dritteln der Wahlurnen anfechten, weil es Hinweise auf "Manipulation" gebe.
Merkel sucht das Gespräch mit Erdogan
Unterdessen will die Bundesregierung so schnell wie möglich den Gesprächsfaden mit Ankara wieder aufnehmen. "Der knappe Ausgang der Abstimmung zeigt, wie tief die türkische Gesellschaft gespalten ist", erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel am Montag. "Die Bundesregierung erwartet, dass die türkische Regierung (...) einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes sucht."
Am Sonntag hatten 51,3 Prozent der Türken für eine Verfassungsreform gestimmt, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht gibt. Die Opposition in der Türkei hat angekündigt, das knappe Wahlergebnis anfechten zu wollen.
Merkel und Gabriel erinnerten die türkische Regierung daran, dass sie als Mitglied des Europarats, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und als EU-Beitrittskandidat Bedenken des Europarats gegen die neue Verfassung Rechnung tragen müsse. Die Bundesregierung nehme das vorläufige Abstimmungsergebnis "zur Kenntnis", heißt es in der Erklärung. "Der abschließenden Einschätzung der OSZE-Wahlbeobachter am heutigen Montag soll nicht vorgegriffen werden. Die Bundesregierung misst dieser Bewertung besondere Bedeutung bei." Der hart geführte Wahlkampf hatte das deutsch-türkische Verhältnis in eine tiefe Krise gestürzt.