Vor der Rückführung:
Krawalle in griechischen Auffanglagern
- Veröffentlicht: 01.04.2016
- 13:39 Uhr
- dpa
Steine fliegen, Menschen werden mit Messern verletzt: In Griechenland kommt es vor Beginn der Rückführung in die Türkei vor allem in den Auffanglagern der Inseln immer öfter zu heftigen Zusammenstößen.
Vor der erwarteten Zustimmung Griechenlands zum Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei ist es erneut zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Migranten gekommen. Vor allem im "Hotspot" der Insel Chios liegen die Nerven blank: Dort wurden nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Afghanen zwei Männer mit Stichverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die Randalierer zerstörten auch ein Zelt zur medizinischen Versorgung der Flüchtlinge. Daraufhin zog die Hilfsorganisation Ärzte der Welt ihr Team aus dem Lager ab.
Dumpfe Schläge und laute Rufe hallten in der Nacht zum Freitag aus dem "Hotspot" der Insel Chios. Aufgebracht diskutierten die Insassen hinter den Gittern, schließlich marschierte ein Trupp Polizisten durch das Stahltor ins Lager. Journalisten haben in Griechenland keinen Zutritt mehr zu den "Hotspots" - schon gar nicht auf den Inseln, wo die Flüchtlinge seit dem Inkrafttreten des Flüchtlingspakts am 20. März quasi inhaftiert werden.
Mittlerweile kommt es fast jeden Tag zu Ausschreitungen
Doch auch die Videoaufnahmen von außen, die der griechische Fernsehsender Skai am Freitag veröffentlichte, lassen ahnen, dass die Stimmung im Lager extrem angespannt ist. Die Behörden auf Chios haben bereits von Athen Verstärkung durch Bereitschaftspolizisten erbeten, weil es mittlerweile fast jeden Tag zu Ausschreitungen kommt.
Auch im Lager von Idomeni im Norden des Landes reicht nach Einschätzung griechischer Medien "ein Funke", um die explosive Lage zu entzünden. Dennoch zeigt sich die griechische Polizei hier wie andernorts extrem zurückhaltend, selbst wenn sie von den Menschen attackiert wird.
"Die Polizei hat den Befehl, so wenig wie möglich einzugreifen", sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Dimitris Vitsas dem Sender Skai. "Wir können nicht einfach so eingreifen, da leben ganze Familien in den Zelten, die Tumulte finden mittendrin statt. Unsere erste Aufgabe ist es, die Familien und Kinder zu schützen."
Die meisten Flüchtlinge wollen nach Deutschland
Im Hafen von Piräus, wo derzeit rund 5600 Flüchtlinge und Migranten wild campen und in den Wartehallen schlafen, war die Situation bereits vor zwei Tagen eskaliert. Auch dort griff die Polizei kaum ein, als zwei Gruppen afghanischer und syrischer Männer aneinandergerieten, sich mit Steinen bewarfen, Mülltonnen umkippten und sich gegenseitig verletzten. Das Hafengelände soll jetzt schrittweise geräumt werden - im Laufe des Freitags sollten rund 700 Afghanen in offizielle Auffanglager des Landes gebracht werden.
Zwar sind die Menschen am Hafen von Piräus nicht von der Rückführung betroffen, weil sie vor dem 20. März in Griechenland ankamen. Allerdings fühlen sie sich, genau wie die Menschen in Idomeni, in Griechenland gefangen, seit die mazedonische Grenze geschlossen und damit der Weg nach Norden und Deutschland blockiert ist. Mehr als 52.000 Flüchtlinge haben sich seither nach Angaben des griechischen Flüchtlings-Krisenstabes im Land angesammelt - gut zwei Drittel von ihnen gaben jüngst in einer Umfrage an, nach Deutschland zu wollen.