Nach Vorwürfen gegen Merkel
Kubicki: Habe nichts Grenzwertiges gesagt
- Veröffentlicht: 01.09.2018
- 15:18 Uhr
- dpa
Nach der Kritik an seinem Vorwurf einer Mitverantwortung der Kanzlerin für die Ausschreitungen in Chemnitz spricht der FDP-Vize von unglücklicher Wortwahl. Eine Entschuldigung gibt es nicht - und in der Sache will Kubicki schon gar nichts zurücknehmen.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat sich gegen Kritik an seinen Vorwürfen gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen der ausländerfeindlichen Übergriffe in Chemnitz gewehrt. "Ich habe nichts Grenzwertiges gesagt", sagte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Samstag). Er müsse sich bei der Kanzlerin nicht entschuldigen. "Ich habe eine unglückliche Wortwahl getroffen, aber in der Sache bleibe ich dabei." Internen Kritikern in der FDP riet Kubicki zu mehr Gelassenheit.
Kubicki hatte angesichts der rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz gesagt: "Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im 'Wir schaffen das' von Kanzlerin Angela Merkel." Die CDU-Vorsitzende hatte den Satz am 31. August 2015 vor dem Hintergrund der damals nach Deutschland kommenden hunderttausenden Flüchtlingen gesagt.
"Falsch und gefährlich"
Vor knapp einer Woche war ein 35-jähriger Deutscher bei einer Messerattacke in Chemnitz getötet worden, zwei weitere wurden verletzt. Als Tatverdächtige sitzen ein Iraker und ein Syrer in Untersuchungshaft. Dem Verwaltungsgericht Chemnitz zufolge hätte der Iraker im Mai 2016 nach Bulgarien abgeschoben werden können. Dies sei aber nicht vollzogen worden, weshalb die Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen sei. Auch soll er einem Medienbericht zufolge gefälschte Personaldokumente besessen haben. Die Tat war Anlass für Demonstrationen, aus denen heraus es zu ausländerfeindlichen Attacken kam. Auch der Hitlergruß wurde gezeigt.
FDP-Chef Christian Lindner erklärte ohne den Namen Kubickis zu erwähnen, die Vorfälle sollten Demokraten vereinen und nicht spalten. Der FDP-Politiker Gerhart Baum nannte Kubickis Äußerungen in der «Süddeutschen Zeitung» "falsch und gefährlich". SPD-Chefin Andrea Nahles sprach von einer unglaublichen Einlassung und kündigte an, der Ältestenrat des Bundestages werde sich damit befassen. Im Ältestenrat sitzen sehr erfahrene Politiker, die den Bundestagspräsidenten bei seiner Arbeit unterstützen und auch Streitigkeiten schlichten sollen.
Entschuldigung zweiter Klasse
Kubicki sagte nun: "Ich bin alles andere als ein Rechtspopulist." Merkel sei "mitnichten schuld daran, dass in Chemnitz der rechte Mob mit Hitlergruß durch die Stadt gezogen ist, Naziparolen brüllt und Menschen gejagt hat". Wenn sich Merkel von ihm getroffen fühle, "tut mir das Leid, dann werde ich ihr das auch sagen". Richtig bleibe aber, dass die Bundesregierung mit ihrer Flüchtlingspolitik mitverursacht habe, dass die AfD stark geworden sei. Die Kanzlerin habe «mit ihrem "Wir schaffen das" den Eindruck erweckt, das geht mit links", das sei einfach und koste Deutschland auch kein Geld.
Zur Ankündigung von Nahles sagte Kubicki, der Ältestenrat sei "kein Gremium, das die soziale Ächtung ausspricht. Ich wehre mich gegen eine Meinungspolizei, die meint, über Grenzen bestimmen zu können." Nahles sei verzweifelt: "Sie versucht, die Sozialdemokratie am Leben zu halten, was ihr kaum noch gelingt."
Partei der Meinungsfreiheit
Dem früheren FDP-Innenminister Baum rate er zu mehr Gelassenheit, sagte Kubicki. Die FDP sei vor allem auch die Partei der Meinungsfreiheit. "Wo kommen wir denn hin, wenn wir nicht mehr frei diskutieren können." Viele Befürchtungen von 2015 seien eingetreten. "Wenn wir die Probleme nicht ernst nehmen und abstellen, spielen wir den Rechten in die Hände", sagte der Bundestagsvizepräsident. "Auf dem Resonanzboden der AfD glauben nun einige Menschen, sie hätten das Recht, Gewalt anzuwenden."
Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz gab Merkel die Schuld an dem Toten von Chemnitz. Der 35-Jährige sei Merkels Toter, sagte Kalbitz bei einer Diskussionsveranstaltung der AfD in Neuenhagen bei Berlin.