Regierungskrise in Wien
Kurz behält Kickl vorerst im Amt
- Veröffentlicht: 20.05.2019
- 14:39 Uhr
- dpa
Die FPÖ-Minister wollen ihre Ämter behalten. Und eine kleine Oppositionspartei will den Kanzler per Misstrauensantrag stürzen: Die Regierungskrise in Österreich sorgt weiter für Chaos. Wie reagiert nun der Kanzler?
Nach dem Ende der rechtskonservativen Koalition in Österreich wegen eines Skandalvideos gibt es zunächst keine weiteren personellen Konsequenzen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) belässt seinen umstrittenen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vorerst im Amt. In einem Statement am Montag ging Kurz nicht weiter auf diesen Punkt ein. Er kritisierte aber die FPÖ und sprach von großer Unterstützung seines Kurses in der eigenen Partei. "Es gibt die 100-prozentige Unterstützung aller Mitglieder des Parteivorstandes für diesen inhaltlichen Kurs", sagte Kurz. Die FPÖ habe dagegen "einen falschen Zugang zur Politik".
FPÖ und die Opposition erhöhten am Montag den Druck auf Kurz. Der designierte neue FPÖ-Chef Norbert Hofer und Kickl machten klar, dass sie ihre Ämter vorerst behalten wollen. Sollte Kurz aber auf der Entlassung Kickls bestehen, wollten alle FPÖ-Minister zurücktreten. Dazu kam es infolge der Zurückhaltung von Kurz nicht.
Der Normalzustand sei, dass alle Minister so lange im Amt sind, bis neue vereidigt werden, sagte Kickl. "Ich erwarte mir jetzt eine solide Abwicklung der Übergabe." Der von Kurz geführten ÖVP warf Kickl "kalte und nüchterne Machtbesoffenheit" vor, weil sie der FPÖ offensichtlich das Innenressort wegnehmen wolle.
"Einen falschen Zugang zur Politik"
Kickl war FPÖ-Generalsekretär, als das Skandalvideo im Juli 2017 auf Ibiza entstand, das bereits zum Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache und zum Bruch der ÖVP/FPÖ-Koalition geführt hat. In ihm werden auch möglicherweise illegale Parteispenden an die FPÖ thematisiert. Kurz hatte dem "Kurier" (Montag) gesagt, dass Kickl als Innenminister nun nicht gegen sich selbst ermitteln könne.
In seinem Statement vom Montag betonte Kurz, "dass eine ordentliche Aufklärung im Innenministerium gewährleistet sein muss". Hier gebe es aber "noch immer kein notwendiges Bewusstsein für die Aufarbeitung und den Umgang mit diesem Skandal". Im ÖVP-Parteivorstand sei anerkannt worden, dass die Regierung bislang inhaltlich gute Arbeit geleistet habe. Es sei der gemeinsame Wille, "genau diesen inhaltlichen Kurs auch fortzusetzen, aber eben ohne Korruption, Skandale und immer wiederkehrende Einzelfälle", sagte Kurz.
Die oppositionelle Liste "Jetzt" kündigte für die nächste Nationalratssitzung einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler an. Sollte dieser angenommen werden, müsste Van der Bellen jemanden mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. "Dann ist der Bundeskanzler Geschichte - und das ist auch gut so", sagte der Gründer der Liste "Jetzt", Peter Pilz, am Montag im Sender "oe24". Der Kanzler sei der Hauptverantwortliche für die Regierungskrise.
Wann der Nationalrat - das Parlament - zum nächsten Mal tagt, sollte im Laufe des Montags festgelegt werden. Die oppositionelle SPÖ hatte einen Antrag auf Einberufung einer Sondersitzung gestellt. Auch der österreichische Grünen-Europapolitiker Michel Reimon forderte, die Rolle von Bundeskanzler Kurz zu beleuchten.
FPÖ will nur Kleinspenden erhalten haben
Ausgelöst hatte die Regierungskrise ein von "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" am Freitag veröffentlichtes Video. Darin hatte Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte unter anderem öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt, sollte sie der FPÖ zum Erfolg bei den Nationalratswahlen 2017 verhelfen. Strache trat zurück. Die ÖVP/FPÖ-Koalition wurde von Kurz aufgekündigt. Neuwahlen sollen im September stattfinden.
Zu möglicherweise illegalen Parteispenden an die FPÖ sagte Strache in dem Video, dass große Spenden an die Partei über einen gemeinnützigen Verein erfolgen könnten, damit keine Meldung an den Rechnungshof nötig sei. Strache erwähnte zudem einige wichtige Unternehmer, die so bereits gespendet hätten. Diese reagierten mit Dementis.
FPÖ-Politiker Hofer kündigte diesbezüglich an, die Finanzen der Partei von einem externen Wirtschaftsprüfer durchleuchten zu lassen. Er erklärte zudem, dass die Partei in den vergangenen Jahren hauptsächlich kleine Spenden erhalten habe. Die größte Zuwendung der vergangenen Jahre sei eine Spende in Höhe von 10 000 Euro gewesen, die eine Landwirtin nach einer Erbschaft an die Partei überwiesen habe. "Wir werden diese Liste auch veröffentlichen", sagte Hofer.