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Lob aus Deutschland

Macron schlägt Alarm in Europa

  • Veröffentlicht: 05.03.2019
  • 21:11 Uhr
  • dpa
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Keine Fernsehansprache, kein Interview - mit einem Gastbeitrag in zahlreichen Zeitungen in der ganzen Europäischen Union prescht Frankreichs Präsident Macron kurz vor der Europawahl nach vorn und fordert tiefgreifende Reformen. Nicht jedem gefällt das.

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Mit seinem leidenschaftlichen Appell für einen "Neubeginn" in Europa hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für Aufsehen gesorgt. In einem Gastbeitrag, der am Dienstag zeitgleich in der Zeitung "Die Welt", der französischen Zeitung "Le Parisien" und anderen Tageszeitungen der 28 Mitgliedsländer der EU erschien, hat sich Macron an die Bürgerinnen und Bürger der EU gewandt und knapp drei Monate vor der Europawahl tiefgreifende Reformen gefordert.

Kritiker in Frankreich werfen dem einstigen politischen Senkrechtstarter vor, mit dem Vorstoß von den Problemen im eigenen Land ablenken zu wollen. Viel Lob für seine Initiative bekommt er aus Deutschland.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nationalisten, die keine Lösungen anzubieten haben, die Wut der Völker ausnutzen. Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein", schreibt Macron in dem Beitrag. Deshalb sei es jetzt an der Zeit zu handeln, denn die Europawahl werde "über die Zukunft unseres Kontinentes entscheiden". Anhand der Säulen von "Freiheit, Schutz, Fortschritt" schlägt Macron einen Aktionsplan für Europa vor.

LePen fordert mehr Bescheidenheit von Macron

In Frankreich, wo der Präsident wegen der "Gelbwesten-Krise" immer noch geschwächt ist, stoßen seine Vorschläge nicht nur auf Gegenliebe. Es sei viel bequemer, sich in einem permanenten Wahlkampf zu befinden, als ein Land und vor allem einen Kontinent wie Europa zu verwalten, sagte Robin Reda von den konservativen Republikanern dem Sender BFM TV. Die Rechtspartei Rassemblement National von Macrons Dauer-Gegenspielerin Marine LePen fordert angesichts der politischen Lage in Frankreich mehr Bescheidenheit von Macron. Er sei letztlich nur ein "armseliger Verteidiger einer schwindenden EU", heißt es.

Rechtskonservative Politiker in Frankreich werfen dem Präsidenten außerdem vor, in seinem Gastbeitrag Themen wie Migration auszusparen. Linke hingegen sehen einen Widerspruch zwischen seinen Ankündigungen und dem, was er tatsächlich tue. "Emmanuel Macron verspricht ein ehrgeiziges Europa im Bereich des Klimawandels. In Frankreich zieht es sich ständig von unseren Klimazielen und dem Ausstieg aus der Kernenergie zurück", erklärte Manon Aubry, Spitzenkandidatin der Linkspartei La France Insoumise für die Europawahl.

Unterstützung bekommt der 41-jährige Politiker aus Deutschland. "Emmanuel Macron hat ein entschlossenes Signal für den Zusammenhalt in Europa gesetzt. Ich finde, er hat Recht: Nicht Skepsis, sondern Zuversicht sollte unser Handeln bestimmen", erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). "Wichtig ist, dass wir souverän und stark sind, damit wir in der Welt nicht herumgeschubst werden." Er sehe Berlin eng an der Seite von Paris, äußerte sich aber nicht dazu, welche Vorschläge Macrons er konkret unterstützt.

Lob von den Grünen, Kritik von der AfD

Auch die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner lobte, Macron rüttele Europa mit Reformvorschlägen "zum richtigen Zeitpunkt" wach. "Seine Ideen sind in die Zukunft gerichtet und konkret", sagte Branter der Deutschen Presse-Agentur. Auch wenn sie nicht jeden Satz unterschreiben könne, stimme die Ambition. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, äußerte sich ähnlich: "Auch wenn aus Sicht der FDP-Fraktion nicht in allen Punkten Einigkeit besteht, enthält der Beitrag viel Richtiges."

Kritik gab es von der AfD. "Je größer die Probleme in Frankreich werden, desto mehr gibt Macron den Weltstaatsmann. Statt immer neue Visionen für die EU zu entwerfen und anderen Staaten Vorschläge zu machen, sollte Herr Macron sich zunächst lieber um Frankreich kümmern", erklärte Parteichef Alexander Gauland. Linken-Europachef Gregor Gysi sieht vor allem Macrons Ideen im Bereich Grenzschutz kritisch. "Seine Forderungen sind alles andere als progressiv."

Bereits im September 2017 hatte Macron mit seiner Sorbonne-Rede zur "Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas" aufgerufen. Davon ist allerdings nicht viel geblieben. Damals hatte Macron auch die Gründung einer europäischen Geheimdienst-"Akademie" vorgeschlagen. Auf Initiative Frankreichs kommen nun hochrangige Geheimdienstler aus 30 europäischen Ländern in Paris zusammen, um sich auszutauschen und über gemeinsame Strategien zu beraten. Der Staatschef will erreichen, dass Geheimdienste mehr in den Blick staatlicher Entscheider in Europa rücken.

Macron macht sich in seinem Gastbeitrag für einen strengeren Schutz der Grenzen stark. Er fordert, den Schengen-Raum neu zu überdenken, schlägt eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde vor. Gleichzeitig fordert er einen Europäischen Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens. Überhaupt reicht Macron rund drei Wochen vor dem möglichen Austritt der Briten aus der EU die Hand. Er spricht sich für ein Europa aus, in dem Großbritannien "einen vollwertigen Platz finden wird". Bei den Austrittsverhandlungen hatte sich Macron hart gegen die Briten gezeigt.

Ebenfalls auf dem Zettel des französischen Präsidenten stehen ein europaweiter Mindestlohn, eine Agentur zum Schutz der Demokratie, ein strengerer Umgang mit Unternehmen, die sich nicht an europäische Regeln halten und eine europäische Klimabank.

Kampf gegen schlechte Umfragwerte

Der Herr des Élyséepalastes kämpft in Frankreich seit Monaten gegen schlechte Umfragewerte. Seit Mitte November stemmen sich die "Gelbwesten" mit Demonstrationen gegen seine Reformpolitik. Auch aus Europa gibt es Gegenwind. Mit der populistischen Regierung in Italien lag Macron jüngst derart im Clinch, dass zeitweise sogar der Botschafter aus Rom zurückgerufen wurde. Auch mit Deutschland läuft nicht alles reibungslos - beim Thema Rüstungsexporte oder bei der russisch-deutschen Erdgasleitung Nord Stream 2 wurden die Differenzen besonders deutlich.

Macron, dessen Partei La République en Marche Umfragen zufolge bei den Europawahlen in Frankreich führt, will sich nun gegen die populistischen und nationalistischen Kräfte innerhalb der EU stemmen - sein größter Gegenspieler könnte der rechtsnationale ungarische Regierungschef Viktor Orban sein. "Eine nationalistische Abschottung hat nichts anzubieten, sie bedeutet Ablehnung ohne jegliche Perspektive", schreibt Macron in seinem Beitrag. "Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr."

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