Union und SPD im Sinkflug
Merkel warnt CDU vor Ende als Volkspartei - Nahles will kämpfen
- Veröffentlicht: 21.10.2018
- 18:30 Uhr
- dpa
Eine Woche vor der schon zur Schicksalsfrage erklärten Wahl in Hessen werfen sich die Parteichefinnen in die Bresche - es geht auch um ihre berufliche Zukunft.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht angesichts der sinkenden Umfragewerte den Status der CDU als Volkspartei in Gefahr. Wenn man sich weiterhin so intensiv damit beschäftige, was 2015 in der Flüchtlingspolitik vielleicht hätte anders laufen müssen, "dann werden wir den Charakter einer Volkspartei verlieren", warnte die Parteivorsitzende am Samstag beim Landesparteitag der Thüringer CDU.
CDU und SPD müssen am 28. Oktober bei der Hessen-Wahl herbe Verluste befürchten. In Umfragen lag die CDU dort nur noch bei 26 Prozent, die Grünen kommen auf 20 bis 22 Prozent, die SPD auf 20 bis 21 Prozent.
Bundesweit kommen Union und SPD zusammen nur noch auf etwa 40 Prozent. Das zeigt sich auch im neuen "Sonntagstrend" von Emnid für die "Bild am Sonntag". Die CDU/CSU liegt dort bei 25 Prozent (minus 1), die SPD bei 15 (minus 2) - beides sind Allzeit-Tiefstände. Hauptgewinner sind die Grünen mit nun 19 Prozent (plus 2).
Ehrenrettung der GroKo
Besonders dramatisch zeigt sich die Lage bei der SPD. Die Vorsitzende Andrea Nahles verteidigte am Wochenende die umstrittene große Koalition. Die SPD setze sich am stärksten für bezahlbaren Wohnraum und stabile Renten ein. "Wir machen Politik für die Vielen und nicht für die Wenigen." Der "Bild am Sonntag" sagte sie: "Ich habe nie in den letzten Monaten gedacht, dass es falsch gewesen wäre, SPD-Vorsitzende zu werden. Im Gegenteil: Es treibt mich, genau diesen Job zu machen."
Allerdings könnten in der SPD bei einem Wahldebakel in Hessen die Kräfte für ein Ende der großen Koalition an Dynamik gewinnen. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte dazu dem Deutschlandfunk: "Wenn es schwierig wird, darf man sich nicht aus dem Staub machen. Und wenn die Hütte brennt, dann musst Du löschen und kannst nicht einfach losgehen." Im Koalitionsvertrag seien so viele gute Punkte für das Land vereinbart worden, die man umsetzen wolle.
Verpflichtung zum Optimismus
Ein Wahlbeben in Hessen - mit womöglich einem Ministerpräsidenten der Grünen - könnte auch eine geplante erneute Kandidatur Merkels für den CDU-Vorsitz beim Parteitag im Dezember in Frage stellen. Merkel hat betont, dass Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören, da sonst die Macht zerbröseln kann. Gerade für die SPD gibt es bei bundesweiten Umfragen von 14 Prozent kaum Alternativen, bei einer Neuwahl könnte sie hinter Grünen und AfD nur auf Platz vier landen.
"Seit einem Jahr beschäftigen wir uns viel zu sehr damit, ob wir beleidigt sein sollen oder nicht", sagte Merkel mit Blick auf die innerparteilichen Querelen zwischen CDU und CSU nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis 2017 (32,9 Prozent). "Solche Menschen wählt man nicht. Wir sollten optimistisch in die Zukunft blicken."
Merkel fordert mehr Mut
Sie forderte bei ihrer Rede in Thüringen dazu auf, ein Zeichen zu setzen, "für Zukunftsoffenheit, für Optimismus, für Mut". Merkel fügte hinzu: "Mit Griesgram gewinnt man die Menschen nicht."
Die angeschlagene SPD-Vorsitzende Nahles rief ihre Partei zum Kämpfen auf. "Ich bin entschlossen, den Rücken gerade zu machen, die Ärmel hochzukrempeln, zu kämpfen", sagte sie am Samstag bei einem Europa-Parteitag der rheinland-pfälzischen SPD. Es gebe jetzt Leitartikel um Leitartikel, die vom Ende der SPD ein Lied singen würden. Die SPD solle aber nicht auf die Umfragen wie ein Kaninchen auf die Schlange schauen. Am 28. Oktober könne Thorsten Schäfer-Gümbel Ministerpräsident in Hessen werden, sagte Nahles.
"Tektonische Plattenverschiebung"
"Wie amtsmüde muss dieser Bouffier noch werden, dass die Hessen ihn endlich mal in den Ruhestand schicken", fragte Nahles mit Blick auf Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Sie wolle, dass die SPD wieder die interessanteste Partei werde, wenn es um Zukunftsdebatten gehe. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sprach in der "Welt am Sonntag" angesichts des aktuellen Höhenflugs der Grünen von einer "tektonischen Plattenverschiebung in der Parteienlandschaft".