Trumps folgenschwere Niederlage
Nancy sagt Nein
- Veröffentlicht: 27.01.2019
- 17:32 Uhr
- dpa
Donald Trump sieht sich als begnadeten Verhandler, als Macher, der den "Etablierten" in Washington zeigt, wo es lang geht. In dieser Rolle ist der Präsident im "Shutdown"-Kampf grandios gescheitert, an Nancy Pelosi. Trumps Taktik-Fehler könnten lange nachwirken.
Donald Trump mag Spitznamen. Er bedenkt seine Gegner gerne mit möglichst despektierlichen Titeln: "Crooked Hillary", "Cryin' Chuck", solche Dinge - betrügerische Hillary (Clinton), heulender Chuck (Schumer). Bei seiner aktuell wichtigsten Gegnerin, der Frontfrau der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, ist das anders.
"Nancy Pelosi, oder Nancy, wie ich sie nenne", sagte Trump kürzlich, als er über Pelosi sprach. Der Vorname also - mehr traut sich Trump in ihrem Fall nicht. Das sagt viel aus. Der US-Präsident scheint erkannt zu haben, dass er in Pelosi eine mächtige und raffinierte Gegenspielerin hat. Im Kampf um den "Shutdown" der US-Regierung hat er das nur allzu deutlich zu spüren bekommen. Seine Niederlage ist schmerzlich und womöglich folgenreich.
Pelosi ist erst seit gut drei Wochen Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses. Den einflussreichen Posten besetzte sie schon vor ein paar Jahren, als erste Frau in der US-Geschichte. Bei ihrem Comeback musste sie Widerstand aus den eigenen Reihen überwinden. Einige Demokraten wollten Aufbruch, Veränderung - und keine 78-Jährige als ihre Galionsfigur. Trump beobachtete das genüsslich, bot zwischenzeitlich sogar süffisant an, notfalls könnten seine Republikaner auch mit ein paar Stimmen aushelfen bei ihrer Wahl. Schließlich habe Pelosi es verdient, erneut auf den Spitzenposten aufzurücken. Es war ein vergiftetes Lob: Trump schien der Ansicht, in Pelosi eine einfache Gegnerin gefunden zu haben.
Pelosi weiß zu taktieren
Aber Pelosi ist seit 37 Jahren im politischen Geschäft. Sie weiß zu taktieren und im Hintergrund zu schachern. Die interne Revolte wehrte sie erfolgreich ab. Und nun ist sie erneut die Nummer drei im Staat, nach Trump und dessen Vize. Sie ist damit auch die mächtigste Frau in der US-Politik und vorerst wichtigste Gegenspielerin für Trump - bis feststeht, wer für die Demokraten bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 gegen Trump antritt. Pelosi hat Trump eines Besseren belehrt, was ihre Gefährlichkeit angeht. Sie hat 35 Jahre mehr politische Erfahrung als er. Und die spielt sie nun aus.
Im Streit über den Haushalt und die Finanzierung einer Grenzmauer zu Mexiko ließ sie Trump auflaufen. Der Präsident tönte wiederkehrend, er werde keinem Haushalt und auch keinem Übergangshaushalt zustimmen, wenn darin nicht die von ihm geforderten Milliarden für den Mauerbau vorgesehen seien. Um das Geld zu bekommen, ist er auf Stimmen der Demokraten im Kongress angewiesen.
Der Druck auf Trump wuchs jedoch mit jedem Tag: sinkende Umfragewerte, Bilder von Staatsbediensteten, die für Lebensmittelspenden anstehen, chaotische Zustände an Flughäfen, weil sich dort reihenweise Mitarbeiter krank meldeten, Prognosen zu deutlichen Einbußen beim Wirtschaftswachstum durch den "Shutdown", alarmierende Warnungen aus dem Sicherheitsapparat des Landes und schließlich interne Absetzbewegungen bei den Republikanern.
Die Demokraten dagegen warteten ab, blieben bei ihrem Nein zu einer Mauer, blieben geschlossen und setzten sich damit auf ganzer Linie durch. "Unsere Einigkeit ist unsere Macht", sagte Pelosi. "Und das ist etwas, das der Präsident vielleicht unterschätzt hat."
Trump steht nun vorerst mit leeren Händen da. Trotz fünf Wochen Regierungsstillstand hat er keine seiner Forderungen durchgesetzt. Dafür hat er jede Menge Leute verprellt, auch unter seinen Anhängern. Die Moderaten unter ihnen sind abgestoßen dadurch, dass er den "Shutdown" trotz aller Härten für die betroffenen Staatsbediensteten durchgezogen hat. Die Hardliner wiederum halten es für schwächlich, dass er eingeknickt ist, ohne sein großes Wahlversprechen - den Bau der Grenzmauer - durchzusetzen.
Auch in dem Neben-Kampf mit Pelosi rund um die Rede zur Lage der Nation hat Trump verloren. Die Demokratin setzte ihm zu mit ihrem Vorstoß, die traditionsreiche Ansprache des Präsidenten vor dem Kongress bis nach dem Ende des "Shutdowns" zu vertagen. Trump mühte sich noch, mit mehreren Volten zurückzuschlagen und seinen Willen zu bekommen, musste sich am Ende aber Pelosi geschlagen geben. Der Präsident hätte vorhersehen können, dass er bei der Auseinandersetzung über die Rede keine Chance hat. Er sah es nicht.
Trump hat sich maximal verzockt. Ausgerechnet er also, der frühere Geschäftsmann, der sich selbst für einen begnadeten Verhandler hält. Trump veröffentlichte Ende der 80er, in seinem alten Leben, das Buch "The Art of the Deal". Nun hat er sich als wenig kunstvoller und geschickter Deal-Maker präsentiert. Eher als einer, der sich hat über den Tisch ziehen lassen. Selbst aus Regierungskreisen ist zu hören, Trump habe bei diesem Kampf gegen Pelosi krachend verloren. Und unter den Republikanern rumort es. Dort macht sich Unruhe breit angesichts des politischen Schadens durch das "Shutdown"-Debakel.
Der Präsident hat es versäumt, sich im Kongress die Finanzierung für seine Mauer zu sichern, solange eine Republikaner noch die Mehrheit in beiden Kongresskammern hatten. Seit den Zwischenwahlen im November haben die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus. Und diese neue Macht nutzen sie unerbittlich, allen voran Pelosi.
Trump steht so schlecht wie nie zuvor da
Der Verlust der Stimmen im Abgeordnetenhaus kam für die Republikaner nicht wirklich überraschend. Hat Trump das ausgeblendet, nicht wahrhaben wollen? Oder ist das "Shutdown"-Debakel einfach Zeichen einer Politik ohne jede längerfristige Strategie?
Trump steht nun, genau zur Hälfte seiner Amtszeit, so schlecht da wie nie zuvor. Seine ohnehin mageren Umfragewerte sind durch die quälenden "Shutdown"-Wochen weiter abgesackt. Er hat selbst unter seinen Anhängern viele vergrault. Und das von ihm selbst beschworene Image als Macher - als jemand, der den "Etablierten" in Washington zeigt, wo es lang geht - ist nachhaltig ramponiert.
Bis zur Präsidentschaftswahl 2020 hat Trump es nun mit einem Repräsentantenhaus zu tun, in dem die Demokraten und Pelosi das Sagen haben und ihm das Leben schwer machen können. Es sieht vieles danach aus, dass sich auch die Wirtschaftslage - bislang immer ein Joker für Trump - bis zur Wahl eher etwas verschlechtern könnte. Für den Präsidentschaftswahlkampf, der nicht mehr weit weg ist, sind all das nicht die besten Voraussetzungen.
Was Trump ebenfalls zusetzt, sind die Ermittlungen zu möglichen Verwicklungen seines Wahlkampf-Teams von 2016 mit Russland. Erst am Freitag wurde wieder ein langjähriger Trump-Vertrauter in der Affäre festgenommen. Der sechste aus seinem direkten Umfeld. Die vorläufige Einigung zum "Shutdown" lenkte die Aufmerksamkeit zwar mit Wucht weg von dieser für Trump so unbequemen Nachricht. Womöglich war das auch von ihm so beabsichtigt - es wäre nicht das erste Mal. Doch die Russland-Ermittlungen verschwinden nicht. Im Gegenteil, sie rücken immer näher an den Präsidenten heran.
Das Duell mit Pelosi geht nun in die nächste Runde. Drei Wochen ist Zeit, um eine Lösung zu verhandeln, bis die nächste Eskalation droht. Trump geht bei diesem Kampf deutlich geschwächt in die zweite Runde.