Politischer Streit in Sicht
Renten steigen um mehr als drei Prozent
- Veröffentlicht: 30.04.2019
- 13:05 Uhr
Auf die Konten der Rentner fließt zum Juli mehr Geld. Doch nicht alle profitieren komplett von den höheren Bezügen.
Die rund 21 Millionen Rentner in Deutschland erhalten ab dem 1. Juli spürbar höhere Bezüge. In Westdeutschland legen die Renten zum 1. Juli um 3,18 Prozent zu, im Osten sogar um 3,91 Prozent. Das Bundeskabinett billigte am Dienstag eine entsprechende Verordnung des Sozialministeriums.
Eine monatliche Rente von 1000 Euro, die nur auf West-Beiträgen beruht, erhöht sich dadurch um 31,80 Euro, eine gleich hohe Rente mit Ost-Beiträgen um 39,10 Euro. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sprach von einer "außerordentlich erfreulichen Entwicklung bei den Renten". Im vergangenen Jahr waren die Renten im Westen um 3,22 Prozent und im Osten um 3,37 Prozent gestiegen.
Zugleich nähern sich die Ostrenten weiter an die Westbezüge an. Der Rentenwert im Osten steigt auf 96,5 Prozent des Westwerts. Bis zum Jahr 2024 steigt er aufgrund einer Gesetzesvorgabe von 2017 schrittweise auf 100 Prozent. Der Rentenwert gibt konkret in Euro an, wie viel ein Entgeltpunkt in der Rentenversicherung wert ist; ein Entgeltpunkt wird anhand einer komplizierten Formel berechnet und ist maßgeblich für die Höhe der Rente.
Die Rentenerhöhung kostet knapp 11 Milliarden Euro pro Jahr. Im laufenden Jahr fallen Kosten von knapp 5,5 Milliarden Euro an. Das Rentenniveau erhöht sich leicht auf 48,16 Prozent. Es gibt als Verhältnis der Rente zum Durchschnittslohn Auskunft über die Absicherungskraft der Rente.
GRUND FÜR DIE RENTENERHÖHUNG:
Zwar wird sie per Verordnung festgelegt, sie bedarf aber auch noch der Zustimmung des Bundesrats. Doch beruht die Rentenerhöhung nicht auf einer einmaligen Entscheidung etwa der Regierung, sondern auf einer festgelegten Formel. Vor allem folgt sie der Lohnentwicklung. Die für 2019 maßgebliche Lohnsteigerung lag in Westdeutschland bei 2,39 Prozent und bei 2,99 Prozent in den neuen Ländern. Aber auch die Beitragsentwicklung und das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern spielen hinein. Künftig wird sich daher verstärkt das ungünstiger werdende Verhältnis von zahlreicheren Rentnern und weniger werdenden Beitragszahlern bei den Rentenanpassungen auswirken.
KAUFKRAFT UND EINSCHRÄNKUNGEN:
Durch die Rentenerhöhung bleibt den Betroffenen unterm Strich mehr Geld im Portemonnaie. Denn die Rentenanpassung liegt über der Inflationsrate. Die Verbraucherpreise waren im März um 1,3 Prozent gemessen am Vorjahresmonat gestiegen. Allerdings kommt die Rentenerhöhung nicht bei allen komplett an. Laut Bundesfinanzministerium werden voraussichtlich rund 48 000 Rentner zusätzlich von Einkommensteuer belastet. Gut 4,4 Millionen Personen und zusammen veranlagte Paare mit Renteneinkünften müssen Steuern zahlen. Versicherungspflichtige Rentner müssen auch prozentuale Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung zahlen - mit der Rente steigen auch die Beiträge.
KOMMENTARE UND REAKTIONEN:
Minister Heil betonte, das milliardenschweren Volumen der Rentenanpassung zeige, "dass Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land ist, das sich eine verlässliche Alterssicherung leisten kann". Der CDU-Sozialexperte Peter Weiß machte auf den wirtschaftlichen Hintergrund des Rentenplus' aufmerksam: "Auch weil die Zahl der Beitragszahler weiter zugenommen hat, können die Renten in diesem Jahr deutlich steigen." Der Sozialverband VdK Deutschland wies hingegen auf die Situation von Menschen mit Minirente hin. "Einer 74-jährigen Rentnerin aus Berlin geht es wie hunderttausenden bundesweit: Ihre Rente von nur 550 Euro erhöht sich jetzt auf etwa 570 Euro", sagte Präsidentin Verena Bentele. Sie pochte darauf, dass die geplante Grundrente nun auch kommt. Die Aufwertung kleiner Renten müsse wie von Heil vorgesehen ohne Bedürftigkeitsprüfung erfolgen.
"Das Thema steht auf der Agenda", bekräftigte eine Ministeriumssprecherin. Die Union will die Grundrente hingegen nur für jene, die sie auch brauchen. Trotz der zunächst guten Renten-Zeiten ist vor diesem Hintergrund also weiterer Streit in der Koalition über das Thema programmiert.