Anzeige
Europartner skeptisch gegenüber Athens Sparplänen

Schäuble bringt Grexit auf Zeit ins Gespräch

  • Veröffentlicht: 11.07.2015
  • 22:05 Uhr
  • dpa
Article Image Media
© dpa

Das jüngste Spar- und Reformpaket Griechenlands stößt bei Finanzminister Schäuble und seinen Euro-Kollegen auf Skepsis.

Anzeige

Das jüngste Spar- und Reformpaket Griechenlands stößt bei Finanzminister Wolfgang Schäuble und vielen seiner Euro-Kollegen auf Skepsis. Ob es neue finanzielle Unterstützung für Athen in Höhe von rund 74 Milliarden Euro geben kann, war am Samstagabend offen. "Auf dem Papier sind die Vorschläge nicht gut genug", sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem vor einer Krisensitzung in Brüssel. Schäuble verlangt einem Zeitungsbericht zufolge in einem Positionspapier entweder rasche Nachbesserungen oder eine mindestens fünfjährige "Auszeit" Griechenlands aus der Eurozone.

Die Euro-Finanzminister berieten über neue Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM für das akut von der Staatspleite bedrohte Griechenland. Das Treffen verlaufe sehr kontrovers, berichteten Diplomaten am Abend. Skeptisch träten mehr als zehn Eurostaaten auf, darunter Deutschland. Unterstützung für Athen komme vor allem aus Frankreich und einigen anderen Ländern. In der Eurogruppe sind 19 Länder vertreten. Offen sei noch, ob es eine Empfehlung gebe, Verhandlungen für ein Hilfsprogramm mit einem Umfang von rund 74 Milliarden Euro zu beginnen. Dieses Programm hatte die griechische Regierung beantragt.

'FAS': Schäuble schlägt zwei Wege vor

Die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") zitierte aus einem ihr vorliegenden Papier Schäubles für die anderen Minister. Die Vorschläge Athens könnten "nicht die Grundlage für ein komplett neues, auf drei Jahre angelegtes ESM-Programm bilden", heiße es dort. Es fehlten "zentral wichtige Reformbereiche, um das Land zu modernisieren und um über lange Sicht Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung voranzubringen".

Stattdessen blieben nach Ansicht Schäubles zwei Wege. So solle Griechenland seine Vorschläge entweder rasch und umfassend mit voller Unterstützung des Parlaments verbessern. Griechenland solle Vermögenswerte in Höhe von 50 Milliarden Euro an einen Treuhandfonds übertragen, der sie verkaufe und damit Schulden abtrage. Als zweiter Weg würden Verhandlungen mit Athen über eine "Auszeit" genannt. Das Land solle nach dieser Variante die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen und seine Schulden restrukturieren. Es bleibe EU-Mitglied und erhalte weiter "wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung". Das Bundesfinanzministerium wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

Athen: Kein offizieller Vorschlag

Offiziell sei der Vorschlag über einen zeitlich begrenzten Austritt Griechenlands nicht unterbreitet worden, wie am Samstagabend aus Regierungskreisen in Athen verlautete. Griechische Medien berichteten zudem, die Sitzung der Eurogruppe in Brüssel sei vorübergehend unterbrochen worden. Finanzminister Euklid Tsakalotos habe Kontakt mit Regierungschef Alexis Tsipras aufgenommen. Einzelheiten wurden jedoch nicht bekannt.

Schäubles Pläne sind mit Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel abgestimmt, wie die Deutsche Presse-Agentur am Samstagabend in Brüssel erfuhr. Alles, was Schäuble innerhalb der Eurogruppe verhandele, sei mit Merkel abgestimmt.

Vertrauen fehlt

"Das reicht nicht für ein drittes Hilfsprogramm", hatte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir vor dem Treffen zu den griechischen Vorschlägen gesagt. Der maltesische Minister Edward Scicluna beschrieb die Stimmung unter den Euro-Ländern mit den Worten: "Es gibt einige, die sehr skeptisch sind, und einige, die es weniger sind." Vielen Staaten fehlt nach Worten von Eurogruppenchef Dijsselbloem das Vertrauen, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die versprochenen Reformen wirklich umsetzen wird. Man frage sich, "ob der griechischen Regierung vertraut werden (kann), dass sie das tun, was sie versprechen", sagte er.

Das griechische Parlament hatte Tsipras in einer Nachtsitzung ein Mandat für Verhandlungen über seine Reformpläne erteilt. Sollten die Finanzminister diesen Maßnahmen zustimmen, könnten sie den Weg frei machen für Verhandlungen über ein neues Hilfspaket. Lehnen sie ab, wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum ("Grexit") nicht ausgeschlossen.

Österreich will Garantien

Griechenland brauche in den nächsten drei Jahren etwa 82 Milliarden Euro, hieß es aus Brüsseler Kreisen. "Wir haben es jetzt mit Finanzierungslücken zu tun, die jenseits all dessen sind, mit dem wir uns in der Vergangenheit beschäftigt haben", sagte Schäuble. Griechenland hat in den vergangenen fünf Jahren internationale Hilfe von insgesamt 240 Milliarden Euro erhalten.

Der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling verlangte: "Es muss eine Garantie geben, dass eine unmittelbare Umsetzung der Maßnahmen erfolgt." Das griechische Parlament müsse beschließen, dass die Spar- und Reformschritte in einem Gesetzesentwurf akzeptiert werden. Auch bei den Privatisierungen sei eine Garantie nötig.

Auch Mehrwertsteuerreform Teil der Sparpläne

Die Geldgeber hatten die Vorschläge Athens zunächst als "eine Basis für ein neues ESM-Programm" bewertet, wie EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte. Die Geldgeber-Institutionen bestehen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte: "Wir sehen, dass es den Willen von griechischer Seite gibt, eine Einigung zu erreichen."

Das nach monatelanger Hängepartie vorgelegte Spar- und Reformpaket umfasst auch eine Mehrwertsteuerreform. Bis 2022 soll das Rentenalter auf 67 Jahre steigen. Am Sonntag kommen die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten zu einem Sondergipfel zusammen.

Mehr Informationen
Tuerkei_Urlaub_dpa
News

Reisebüros glauben nicht an Türkei-Comeback

  • 05.06.2023
  • 12:10 Uhr

© 2024 Seven.One Entertainment Group