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Ausblick 2019

Schicksalsjahr für die Wackel-GroKo

  • Veröffentlicht: 27.12.2018
  • 08:29 Uhr
  • dpa
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Schwarz-Rot steht schon wieder vor Monaten der Entscheidung. Schafft die SPD doch noch eine Art Erneuerung in der Regierung? Und kann das neue Trio an der Spitze der CDU eine Spaltung der Partei verhindern?

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Es dürfte nicht einfacher werden für Angela Merkel und Andrea Nahles im Jahr zwei ihrer Wackel-Regierung aus Union und SPD. Nach den Dauerkrisen und Paukenschlägen im ersten Jahr von Merkel IV. droht der Kanzlerin und der SPD-Chefin schon wieder ein Schicksalsjahr. Übersteht Schwarz-Rot die nächsten Monate? Angesichts eines möglichen Desasters bei der Europawahl Ende Mai und den - wegen möglicher AfD-Erfolge - fast noch schwierigeren Wahlen im Osten des Landes im Herbst ist das keineswegs sicher.

Zwar geht die große Koalition ein dreiviertel Jahr nach ihrem Zitterstart wohl nicht mit einem neuen Großkrach in die besinnlichen Weihnachtstage. Doch eine Lösung im Streit über eine Reform des Werbeverbots bei Abtreibungen haben die zuständigen Minister der Koalition nur auf Eis gelegt: Gleich nach dem Jahreswechsel, wenn erst die CSU und dann die CDU mit ihren traditionellen Klausuren ins neue Jahr starten, wird der Krach wieder aufbrechen. Er hat das Potenzial für eine Grundsatz-Auseinandersetzung.

Neue Erschütterungen drohen

Doch nicht nur die Koalition als Ganzes, auch CDU/CSU und SPD jeweils für sich stehen vor Herausforderungen, die neue Erschütterungen in die Regierung jagen könnten. In der CDU muss Annegret Kramp-Karrenbauer als Merkel-Erbin im Parteivorsitz nach ihrem knappen Sieg gegen Friedrich Merz erst einmal viel daran setzen, die zwischen einem Merz- und einem Merkel/Kramp-Karrenbauer-Lager zerrissene Partei wieder zusammenzuführen.

Wie werden die neuen Kraftzentren der CDU zusammenarbeiten? Kommen die Kanzlerin, die AKK genannte neue Vorsitzende und der neue starke Mann in der Unionsfraktion, Ralph Brinkhaus, miteinander klar? Der Abstimmungsbedarf wird steigen. Für die Kanzlerin könnte das Regieren nicht unbedingt einfacher werden.

Und dann ist da noch die CSU: Zwar ist der Dauerstreit mit Merkel um die aus Sicht der Christsozialen völlig verfehlte Migrationspolitik der Kanzlerin aktuell etwas in den Hintergrund getreten. Doch ob der Burgfrieden hält, weiß niemand.

Vieles hängt von Führungswechsel an CSU-Spitze ab

Viel wird davon abhängen, wie sich nach dem Mitte Januar anstehenden Führungswechsel an der CSU-Spitze von Horst Seehofer zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder die interne Machtbalance bei der kleinen Unionsschwester entwickelt. Wie die komplizierte politische Dreiecks-Beziehung zwischen Kanzlerin Merkel, der neuen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und Söder funktioniert, weiß noch niemand. Und ob der Merkel-Quälgeist Seehofer aus seinem Posten als Innenminister heraus vielleicht dauernd gegen Merkel und auch Söder quer schießt, auch nicht. Gut möglich aber, dass sich der 69-Jährige demnächst ganz aus der Politik verabschiedet: Am 4. Juli wird Seehofer 70.

Ob die Koalition hält, dürfte zentral auch davon abhängen, ob in der SPD jene Kräfte die Oberhand gewinnen, die das Heil der Partei angesichts katastrophaler Wahlergebnisse und Umfragewerte nur noch in der Opposition sehen. Im Mai sind Europawahlen, im September/Oktober werden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen Landtage gewählt.

Schon jetzt ist absehbar, dass zwei Dauerthemen des Jahres 2018 auch die politische Agenda 2019 bestimmen werden: der Aufstieg der AfD, die nun in allen Landtagen und im Bundestag sitzt. Und verbunden damit der Umgang mit dem Thema Migration, das die Rechtspopulisten nutzen, um Sorgen und Ängste in der Bevölkerung zu schüren.

Ein Rückblick: Schon die Koalitionsverhandlungen waren für Merkel, die Union und die SPD ein quälend langer Prozess. Eigentlich hatte der damalige SPD-Chef und Spitzenkandidat Martin Schulz direkt nach der Bundestagswahl im September 2017 verkündet, man werde auf keinen Fall in eine erneute Koalition mit der Union ziehen. Doch nach dem Jamaika-Scheitern war die Lage anders - die Sozialdemokraten mussten sich einen neuen Vorsitzenden suchen, bei den GroKo-Verhandlungen klang immer mit, dass die SPD diese eigentlich ja gar nicht wollte.

Anfang März gab die SPD-Basis dann endlich grünes Licht für die neue Regierung mit CDU und CSU, in einer Mitgliederbefragung stimmten 66 Prozent der Teilnehmer dafür. Merkel konnte weiterregieren. Am 14. März wurde sie vereidigt - doch aus dem im Koalitionsvertrag versprochenen "Aufbruch für Europa" und aus der neuen "Dynamik für Deutschland" wurde erstmal nichts.

Nahles steht parteiintern unter Druck

Was der Wechsel im CDU-Vorsitz für die Statik der Zusammenarbeit mit der SPD bedeutet, steht in den Sternen. Nahles jedenfalls steht parteiintern unter Druck. Doch wollen die Sozialdemokraten wirklich eine vorgezogene Neuwahl riskieren? Bei Umfragewerten von derzeit um die 15 Prozent wäre das ganz schön risikoreich. Dass Merkel tatsächlich wie angekündigt bis zum planmäßigen Ende der Koalition im Jahr 2021 Kanzlerin bleiben wird, glauben in der CDU viele nicht.

Doch mit Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze dürfte es für Merkel immerhin nicht so schwierig werden, wie es wohl mit Merz geworden wäre. Merkel und Kramp-Karrenbauer - die beiden Frauen könnten harmonieren, auch wenn AKK weiterhin versuchen muss, sich von der Kanzlerin abzugrenzen. Merkel könne sogar gelingen, was vorher noch keinem CDU-Vorsitzenden gelungen ist, wie mittlerweile etliche in der Partei glauben: Die eigene Nachfolge nicht nur an der Spitze der Partei, sondern auch im Kanzleramt zumindest mitzubestimmen. Gedankenspiele, wann der günstigste Zeitpunkt für einen möglichen Wechsel zu AKK in der Regierungszentrale wäre, gibt es schon länger.

Sollte die Koalition zerbrechen, dürften die Grünen in den Fokus rücken. Dass die FDP eine Jamaika-Neuauflage ohne Merkel will, macht ihr Chef Christian Lindner immer wieder deutlich. Die Grünen dagegen dürften kaum bereit sein, auf Basis ihrer 8,9 Prozent von der Bundestagswahl zu verhandeln, da sie in Umfragen jetzt teils bei über 20 Prozent liegen. Klar ist: Die Partei hält sich bereit. Jemand an der Grünen-Spitze spricht vom Bibel-Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen, in dem es darum geht, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Es endet mit den Worten: "Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde." Angesichts der Lage sicher kein schlechter Rat - für alle Parteien.

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