Kanzler wird deutlich
Scholz verurteilt russische "Kriegsverbrechen" in der Ukraine
- Veröffentlicht: 10.04.2022
- 19:33 Uhr
- dpa
Die ukrainische Führung erhöht den Druck auf Deutschland, mehr Waffen für die Abwehr des russischen Angriffskriegs zu liefern. Der Kanzler blickt entsetzt auf die Kriegsgräuel und sagt Unterstützung zu. Ob das reicht?
Bundeskanzler Olaf Scholz hat "die abscheulichen Kriegsverbrechen des russischen Militärs" verurteilt und der Ukraine volle Unterstützung zugesagt. Dies teilte die Bundesregierung am Sonntag nach einem Telefonat des Kanzlers mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit. Die Ukraine fordert vor allem ein Ölembargo gegen Russland und mehr Waffen aus Deutschland. Sie erwartet neue russische Offensiven und keinen baldigen Verhandlungsfrieden.
Russische Truppen waren vor gut sechs Wochen in die Ukraine einmarschiert. Aus nördlichen Gebieten rund um die Hauptstadt Kiew haben sie sich inzwischen zurückgezogen, um sich neu zu formieren. Von dort werden immer neue Kriegsgräuel gemeldet. Westlich von Kiew etwa fanden ukrainische Behörden nach eigenen Angaben tote Zivilisten in einer Grube nahe einer Tankstelle in Busowa. Auf der Trasse von Kiew nach Schytomyr seien Leichen bei beschossenen Autos gefunden worden, sagte Gemeindevorsteher Taras Didytsch im Fernsehen.
Ukraine identifiziert 5600 Fälle mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa nannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin den "Hauptkriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts". Die Ukraine habe 5600 Fälle mutmaßlicher Kriegsverbrechen mit 500 Verdächtigen identifiziert. Dazu gehöre auch der Raketenangriff vom Freitag auf den Bahnhof der ostukrainischen Stadt Kramatorsk mit über 50 Toten, sagte sie dem britischen Sender Sky News. Russland hatte die Verantwortung für den Angriff zurückgewiesen.
Scholz sagte nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in seinem Telefonat mit Selenskyj, die Bundesregierung werde mit internationalen Partnern alles daran setzen, dass die Verbrechen aufgeklärt werden. Die Täter müssten identifiziert werden, um sie vor nationalen und internationalen Gerichten zur Verantwortung zu ziehen.
Melnyk fordert Scholz auf, nach Kiew zu reisen
Selenskyj schrieb auf Twitter, dass er mit Scholz auch über "antirussische Sanktionen, Verteidigungs- und finanzielle Unterstützung für die Ukraine" gesprochen habe. Selenskyj verlangt seit Tagen mehr Druck des Westens auf Russland. Unter anderem soll ein Ölembargo Russland von Milliardeneinnahmen abschneiden. Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, Bruder des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitscho, bekräftigte diese Appelle am Sonntag in einer Videobotschaft an Unterstützer der Ukraine in Deutschland.
Deutschland und andere Länder schrecken vor einem Importstopp für Öl und Gas zurück, aus Furcht vor wirtschaftlichen Schäden. Die EU hat aber inzwischen einen Importstopp für russische Kohle beschlossen.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk forderte Scholz auf, wie andere westliche Politiker nach Kiew zu reisen und dies mit "neuen strategischen Entscheidungen der Ampel-Koalition" zu begleiten. Gemeint sind Waffenlieferungen. Melnyk fordert die sofortige Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, Marder-Schützepanzern, Panzerhaubitzen 2000 und Artillerieortungsgeräten vom Typ Cobra aus den Beständen der Bundeswehr sowie Raketen vom Typ AGM-84 Harpoon, mit denen Schiffe angegriffen werden können.