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Wunsch nach Gabriel-Comeback

Schröder übt scharfe Kritik an Nahles

  • Veröffentlicht: 01.02.2019
  • 16:13 Uhr
  • dpa
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Der Altkanzler spricht der SPD-Chefin die Kompetenz für eine Kanzlerkandidatur ab und bringt einen Nachfolger in Stellung.

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Es ist ein Interview, das SPD-Chefin Andrea Nahles nicht gerne lesen dürfte. Der bisher letzte SPD-Kanzler Gerhard Schröder bricht quasi den Stab über sie. "Das sind Amateurfehler", sagt der 74-Jährige in einem "Spiegel"-Interview zum Beispiel über flapsige Nahles-Ausdrücke wie "Bätschi". Schröder hält sie offensichtlich nicht für fähig, die Kanzlerkandidatur für die SPD zu übernehmen, dafür brauche es ökonomische Kompetenz. Auf die Frage, ob Nahles diese Kompetenz habe, sagt Schröder: "Ich glaube, das würde nicht mal sie selbst von sich behaupten." Er hält Vizekanzler Olaf Scholz eher für geeignet - und plädiert für ein Comeback von Sigmar Gabriel.

Die kritischen Aussagen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem immer mehr führende Sozialdemokraten Andrea Nahles als Vorsitzende von Partei und Bundestagsfraktion in Frage stellen. Die Umfragewerte dümpeln bei 15 Prozent auf Bundesebene, in Bayern sind es nur noch sechs Prozent.

Schröder betont zwar, dass die "Bätschi"-Episode vor der Wahl zur Vorsitzenden stattgefunden habe. Nahles bezog das nach dem Scheitern der "Jamaika"-Verhandlungen darauf, dass die Union nun doch die SPD wieder als Koalitionspartner brauche und dass dies teuer werde. Im nächsten Satz sagt der Altkanzler dann: "Übrigens kann Schlampigkeit auch im Kleidungsstil außerordentlich kontraproduktiv sein, insbesondere bei SPD-Wählern."

Und betont zugleich: "Damit meine ich nicht Frau Nahles, aber das muss man wissen." Die Vorstellung, dass SPD-Wähler es am liebsten hätten, wenn man mit einem Kapuzenpulli zum Parteitag gehe, sei ein Fehler. "Gerade unsere Leute erwarten, dass wir vernünftig auftreten." Unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert tritt gerne im Kapuzenpulli auf.

Lob für Scholz

Ausdrücklich lobt Schröder Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der klargemacht hat, dass er sich die Kanzlerkandidatur zutraut. "Jemand wie Olaf Scholz hat schon bewiesen, dass er was von Wirtschaft versteht. Und er hat erfolgreich Hamburg regiert." Gutes Regieren sei Voraussetzung für einen erfolgreichen Politiker, es reiche aber nicht. "Man muss es auch nach außen kommunizieren." Scholz wird immer wieder intern eine dürftige Kommunikation und ein arrogantes Auftreten vorgeworfen.

Schröder ist seit der Hochzeit mit seiner fünften Ehefrau Soyeon Kim deutlich präsenter auf der Berliner Bühne, hält sich mit Golfen fit und geht in die "Muckibude", wie er im Interview sagt. Zur Kritik an seinen lukrativen Nebenjobs in Russland sagt er den Interviewern: "Das ist mein Leben, nicht eures." Er äußere sehr wohl Kritik, sage diese Präsident Wladimir Putin aber persönlich, nicht über Medien.

Schröder und andere Granden eint die Sorge um ein Implodieren der ältesten Partei Deutschlands. Das größte Lob findet der Niedersachse für einen anderen Niedersachsen - der von Nahles und Scholz bei der Kabinettsbildung im vergangenen Jahr aber abserviert worden ist.

Schröder plädierte nun dafür, angesichts der schweren Krise der SPD wieder stärker auf den früheren Außenminister und Parteichef Sigmar Gabriel zu setzen. "Sigmar Gabriel ist vielleicht der begabteste Politiker, den wir in der SPD haben", betonte er. "Er ist nur in der Partei ein paar Leuten zu fest auf die Füße getreten. Er muss selbst entscheiden, ob er noch einmal eine stärkere Rolle spielen will. Aber die SPD könnte von seinen Fähigkeiten nach wie vor profitieren."

Gabriel ist gerade an der Basis weiter ein sehr gefragter Gast. Er ist weiter Abgeordneter des Bundestags. Zudem schreibt er viele Gastbeiträge, hat ein Buch veröffentlicht und Nebenjobangebote angenommen. Auf Nahles und Scholz wächst der Druck, Gabriel ein Comeback zu ermöglichen. Intern wird Nahles und Scholz vorgeworfen, dass Loyalität wichtiger sei als Qualität, um unter ihnen etwas zu werden. So werden Außenminister Heiko Maas und Umweltministerin Svenja Schulze intern oft kritisiert.

Mit Schulz versöhnt

Zuletzt wurde aufmerksam registriert, dass sich Gabriel und der Kanzlerkandidat von 2017, Martin Schulz, wieder versöhnt haben und immer wieder in Sitzungen die Köpfe zusammenstecken. Mitglieder der Bundestagsfraktion können sich Schulz als Fraktionschef vorstellen, bei einer Neubesetzung der Parteispitze wird eine Doppelspitze wie bei den Grünen als Modell genannt, ein Mann, eine Frau, alt und jung.

Als mögliche Wegmarke für personelle Veränderungen gilt der Ausgang der Europawahl am 26. Mai und der parallel stattfindenden Bremen-Wahl, wo die SPD erstmals seit 1946 die Macht verlieren könnte. Zudem drohen herbe Einbußen bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen im September und Ende Oktober.

Schröder spricht sich dafür aus, den nächsten Kanzlerkandidaten der SPD über eine Urwahl zu klären. Das mobilisiere die Mitglieder und schaffe eine gute Grundlage für den Wahlkampf.

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