Wahlkampfmotor Rente: Das neue SPD-Konzept ist da
Schulz setzt auf die Rente
- Veröffentlicht: 07.06.2017
- 14:08 Uhr
- dpa
Mit einem neuen Generationenvertrag will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den Lebensstandard im Alter sichern. Fraglich bleibt, ob der Entwurf seinen Wahlkampf rettet.
Kommt die Rettung mit der Rente? Es ist der erste große inhaltliche Aufschlag von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach den Wahlschlappen der Sozialdemokraten im Saarland, in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Am Mittwoch stellte er das sozialdemokratische Rentenkonzept vor.
Solidarrente über der Grundsicherung
Mit einem neuen Generationenvertrag will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz den Lebensstandard im Alter sichern. Damit Menschen, die ein Leben lang gearbeitet hätten, nicht im Alter in Armut leben müssten, solle es eine Solidarrente über der Grundsicherung geben, sagte Schulz in Berlin bei der Vorstellung des SPD-Rentenkonzepts für die kommende Wahlperiode.
Absinken des Rentenniveaus
Ein weiterer Kernpunkte des Konzepts seien, das Absinken des Rentenniveaus zu stoppen. Und im Gegensatz zur Union werde es mit der SPD keine Anhebung des Rentenalters geben.
Eine verlässliche Rente ist nach den Worten von Schulz ein "Kernversprechen" einer solidarischen Gemeinschaft. Die SPD wolle dafür arbeiten, dass sich die Menschen in Deutschland auf stabile Beiträge und Renten verlassen könnten.
Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) sagte bei der gemeinsamen Vorstellung des Konzepts, um das Absinken des Rentenniveaus zu verhindern, komme man nach den Berechnungen der SPD bis 2028 ohne zusätzliche Steuermittel aus. Danach seien zusätzliche Mittel von knapp 14,5 Milliarden Euro nötig, weil dann die so genannten Babyboomer in Rente gingen. Danach werde das aber nur noch langsam aufwachsen.
Krisenmodus in Berlin
Unter der Willy-Brandt-Statue in der SPD-Zentrale hatte der Wahlkämpfer im Krisenmodus an diesem Mittwochmittag Andrea Nahles zur Seite. Die Sozialministerin stellte bereits im November ein Rentenkonzept vor - nun half sie Schulz bei seinem.
Nahles ist im Spagat. Als Regierungsmitglied kann sie eigentlich nicht frontal Wahlkampf machen. Im November wollte sie ihr milliardenschweres Konzept noch nicht als Wahlkampfmunition für ihre Partei verstanden wissen. Sie meinte damals, im Spätherbst, sie hätte es gern im Konsens mit der Union verabredet.
Als SPD-Wahlkämpferin hingegen wird sie sich fragen lassen müssen, warum sie jetzt Handlungsdruck bei der Rente sieht. Sie war doch vier Jahre lang für mehrere Rentenreformen zuständig. Erst vergangene Woche verabschiedete die Koalition drei Rentenreformgesetze.
"Wie schaffen wir Verlässlichkeit?"
"Man kann entweder alles so lassen, wie es ist", sagte Nahles im November. "Oder man sagt: Wie schaffen wir Verlässlichkeit?" Wie verlässlich ist die 46-Jährige, wenn es um sichere Renten geht?
Der 61-jährige Schulz kann eher mit dem Anschein des Neuen handeln. Doch schon im April neigten sich die Wochen des Schulz-Hypes dem Ende zu. Heute muss er aufpassen, dass er nicht wie ein Getriebener wirkt, wenn er nun seinen Versprechen von mehr sozialer Gerechtigkeit konkrete Ansagen folgen lässt.
Wichtig war der SPD, dass Schulz bei der Präsentation "Schwerpunkte der sozialdemokratischen Rentenpolitik" dabei ist. Bei der Vorstellung des Wahlpogrammentwurfs fehlte Schulz.
Seither hat der Kandidat zwar auch zu erkennen gegeben, dass die Konzentration auf das Gerechtigkeitsthema wohl doch etwas zu eng war. Vorschläge für Verbesserungen bei Bildung, Investitionen, Lohngleichheit für Frauen und Europa folgten.
Zentrales Gerechtigkeitsfeld
Doch bei der Rente widmen sich Schulz und Nahles nun einem zentralen Gerechtigkeitsfeld und drehen das große Rad. Es geht um konkrete Probleme der Bezieher von Minirenten heute, um verbreitete Ängste vor künftigem Einschnitten im Alter, um immer stärker drohende Altersarmut - aber auch um enorme Summen, die Steuer- und Beitragszahler bereits heute und künftig noch stärker in die Rentenkasse zahlen. Falsche Weichenstellungen können negative Folgen auch für das Wachstum haben. Die Wirtschaft beklagt schon die Kosten bisheriger Nahles-Reformen.
Klare Zahlen
Im November legte Nahles Wert darauf, dass sie nach wochenlangen Vorbereitungen mit klaren Zahlen operiert. Bis 2045 sollte das Rentenniveau, das das Verhältnis von Löhnen und Rente anzeigt, von 48 nicht unter 46 Prozent sinken. Der Beitragssatz sollte bis dahin von derzeit 18,7 nicht über 25 Prozent steigen. Eine Solidarrente sollte Geringverdiener besser absichern. Beschäftigte sollten nach langen Beitragszeiten ein Alterseinkommen von 10 Prozent über Grundsicherung bekommen. Selbstständige sollten pflichtabgesichert werden. Kosten: mehr als elf Milliarden Euro Steuergeld zusätzlich pro Jahr.
Die Union lehnte sich bereits damals gelassen zurück. Der Merkel-Vertraute Volker Kauder (CDU) wies auf die aktuell gute Lage bei der Rente hin. Eine "große Möglichkeit, einen Rentenwahlkampf zu führen", sah er nicht. Angesichts der wieder flauen Umfragewerte für die SPD und der für Kanzlerin Angela Merkel positiveren Stimmung gibt man sich in der CDU auch jetzt unbeeindruckt. Anfang Juli soll das Wahlprogramm der Union stehen. Bei der Rente könnte es darauf hinauslaufen, dass eine Kommission nach der Bundestagswahl im September sich erstmal Gedanken über die Absicherung der Altersvorsorge in den kommenden Jahrzehnten machen soll.
Manche Sozialdemokraten könnten sich an Brandt zurückerinnern, als Schulz und Nahles unter der Statue des großen SPD-Kanzlers die Abmilderung von Zukunftssorgen versprachen. War es doch Brandt, der bereits damals neben seiner neuen Ostpolitik - aus heutiger Sicht fast nebenbei - auch etwas für soziale Gerechtigkeit tat. 1972 brachte eine Rentenreform die Einführung einer flexiblen Altersgrenze, die einen Rentenbeginn mit 63 ermöglichte - sowie für Geringverdiener die Aufwertung niedriger Rentenanwartschaften.