SVP scheitert mit Initiative
Schweizer gegen Verschärfung des Ausländerrechts
- Veröffentlicht: 28.02.2016
- 19:16 Uhr
- dpa
Vor zwei Jahren stimmten die Schweizer gegen die Masseneinwanderung von Ausländern. Jetzt ging es um die strikte Ausweisung krimineller Ausländer. Der Ausgang war auch eine Nagelprobe für den Rechtsstaat.
Rote Karte für Rechtspopulisten: Die Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung gegen die automatische Ausweisung krimineller Ausländer ausgesprochen. 58,9 Prozent der Eidgenossen lehnten am Sonntag nach Angaben des Schweizer Fernsehens eine automatische und ausnahmslose Ausweisung krimineller Ausländer ab. 41,1 Prozent waren dafür.
Zuvor war schon eine Mehrheit der 26 Kantone gegen die Initiative. Damit war allein aus diesem Grund der Vorstoß der Schweizerischen Volkspartei (SVP) abgelehnt. Vor allem in den Städten waren viele Schweizer gegen die Vorlage. In Basel lag die Ablehnung bei 70 Prozent. Die Stimmbeteiligung war mit 63 Prozent besonders hoch.
Die SVP wollte in Fragen der Ausweisung von Ausländern, die eine Straftat begangen haben, die bisher übliche Einzelfall-Prüfung durch einen Richter abschaffen. Obendrein umfasste der Ausweisungs-Katalog mehr als 50 auch minder schwere Delikte. Die Initiative sollte ohne weitere Beratung durch das Parlament Gesetz werden.
Gegnern gelang Stimmungsumschwung
Mit der Ablehnung wird nun im Kern eine Volksabstimmung von 2010 umgesetzt. Auch dieses sieht die Ausweisung krimineller Ausländer vor, aber bei weniger Delikten und nur nach Prüfung durch einen Richter auf einen etwaigen Härtefall.
Das Ergebnis wurde von den Gegnern der Durchsetzungsinitiative als ermutigendes Signal der Zivilgesellschaft gedeutet. "Wir haben genug von der Angstmacherei der SVP", sagte Flavia Kleiner von der Plattform "Nein zur Durchsetzungsinitiative". Dem von der Plattform angeführten Bündnis war es mit einer breiten Kampagne gelungen, einen Stimmungsumschwung unter den Eidgenossen zu erreichen.
Im November 2015 waren noch 66 Prozent der Eidgenossen für die sogenannte Durchsetzungsinitiative. Als einer der entscheidenden Punkte galt das wachsende Bewusstsein, dass eine automatische Ausweisung an den Grundpfeilern eines Rechtsstaates rütteln würde. Die Beseitigung von Minderheiten- und Individualrechten sei "nicht mit bisher geltenden Konzept der Schweizerischen Demokratie vereinbar", hatte Bundesrichter Thomas Stadelmann betont.
Häufig Referenden zu Ausländerfragen
Für die SVP bedeutet das Ergebnis eine schwere Niederlage. Sie war noch bei der Parlamentswahl im Herbst 2015 als Sieger hervorgegangen.
Volksabstimmungen zu Ausländerfragen haben in der Schweiz eine lange Tradition. Das Land ist zwar von der aktuellen Flüchtlingskrise fast nicht betroffen, aber hat mit 25 Prozent einen extrem hohen Ausländeranteil.
Erst vor zwei Jahren hatten sich die Schweizer gegen die Masseneinwanderung und damit gegen den freien Zuzug von EU-Bürgern ausgesprochen. Da dieser Volkswille gegen europäische Bestimmungen zur freien Wahl des Wohnsitzes verstößt, sucht die Regierung in Bern nach einem politisch gangbaren Weg zur Umsetzung.
Mehrheit für zweite Tunnelröhre durch den Gotthard
Der Gotthard-Straßentunnel soll um eine zweite Röhre erweitert werden. Mit einer Mehrheit von 58 Prozent stimmten die Eidgenossen für das von Umweltschützern bekämpfte Projekt. Die zweite Röhre ist Voraussetzung für eine umfassende Sanierung des 36 Jahre alten und 17 Kilometer langen Tunnels. Später sollen die beiden Röhren für je eine Fahrtrichtung genutzt werden.
Das milliardenschwere Projekt werde zur Verdoppelung der Zahl der Lastwagen und der Schadstoffe führen und es stehe einer Verlagerung des Transitgüterverkehrs auf die Schiene entgegen, hatten die Gegner argumentiert. Nach der voraussichtlichen Fertigstellung im Jahr 2030 wird der Verkehr durch einen Tunnel in den Süden und durch einen Tunnel in den Norden rauschen.
Die Verfassung verbietet, die Kapazität der Transitstraßen im Alpengebiet zu erhöhen. Deshalb steht im Gesetz für den Bau der zweiten Röhre, dass pro Fahrtrichtung nur eine der zwei Spuren betrieben werden darf. Die Gegner glauben, diese Vorgabe werde nicht von Dauer sein.