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Datendiebstahl

Seehofer verspricht umfangreiche Information

  • Veröffentlicht: 06.01.2019
  • 18:07 Uhr
  • dpa
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Handynummern, Privatadressen, Chat-Protokolle und mehr: Der großangelegte Datenklau betrifft fast 1.000 Politiker, Promis und Journalisten. Haben die Sicherheitsbehörden geschlafen?

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Im Fall des hundertfachen Datendiebstahls hagelt es Kritik an Behörden und dem Bundesinnenminister - nun hat Horst Seehofer umfangreiche Informationen versprochen. Er wolle sich am Montag noch einmal mit den Chefs des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für IT-Sicherheit (BSI), Holger Münch und Arne Schönbohm, zusammensetzen, sagte der CSU-Politiker der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). Spätestens Mitte der Woche wolle er die Öffentlichkeit informieren. "Die Öffentlichkeit wird alles erfahren, was ich weiß", sagte Seehofer der Zeitung.

Am Donnerstag kommt außerdem der Innenausschuss des Bundestags zu einer Sondersitzung zusammen, an der nach Angaben aus Sicherheitskreisen voraussichtlich auch Seehofer teilnehmen wird. Zugesagt haben das Bundeskriminalamt, das BSI und das Bundesamt für Verfassungsschutz, wie die Ausschussvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Nach Informationen aus Sicherheitskreisen vom Sonntag sind 994 Personen von dem Online-Angriff betroffen. Es sind vor allem Politiker, aber auch Prominente und Journalisten. Etwa 50 Fälle seien schwerwiegender, weil größere Datenpakete wie Privatdaten, Fotos und Korrespondenz veröffentlicht worden seien, hieß es. Ermittelt wird nach Angaben eines Sprechers der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt "mit Hochdruck" - aus taktischen Gründen würden derzeit aber keine weiteren Angaben zu dem Verfahren gemacht, dass die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft zusammen mit dem Bundeskriminalamt führt.

Kritik an BSI-Präsident

Am Wochenende hagelte es Kritik an der Arbeit des BSI und seines Präsidenten Schönbohm. "Das BSI hat sich nicht mit Ruhm bekleckert", sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem Sender n-tv. "Ein Präsident, der erst erklärt, man wisse seit Anfang Dezember von den Vorgängen, um jetzt zurückzurudern und zu sagen, man wisse es eigentlich erst seit dem 3. Januar, der muss sich fragen lassen, ob er der richtige Mann an dieser Position ist."

Was ist passiert? In der Nacht zum Freitag war über einen Medienbericht öffentlich bekannt geworden, dass ein Unbekannter über ein Twitter-Konto bereits im Dezember über eine Art Adventskalender massenhaft Daten und Dokumente im Netz veröffentlicht hatte - darunter Handynummern, Fotos und private Chat-Protokolle. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sind unter den Betroffenen. Viele der Opfer erfuhren von dem Online-Angriff nach eigenen Worten erst am Freitag aus den Medien.

Dann sorgte das BSI mit seiner Informationspolitik für Irritationen. Schönbohm sagte dem Sender Phoenix am Freitag: "Wir haben schon sehr frühzeitig im Dezember auch schon mit einzelnen Abgeordneten, die hiervon betroffen waren, dementsprechend gesprochen." Daraufhin äußerten sich viele Betroffene verärgert, weil sie von nichts wussten.

Gestohlene Daten tagelang im Netz

Einen Tag später gab das BSI allerdings an, dass die Experten einen Fall von Anfang Dezember sowie vier weitere Fälle im Lauf des Jahres 2018 zunächst für Einzelfälle gehalten hatten. Einen Zusammenhang habe man erst "durch die Analyse der Gesamtheit der aktuell im ganzen veröffentlichten Datensätze" feststellen können.

Von einer geplanten oder erfolgten Veröffentlichung der gestohlenen Daten im Zusammenhang mit dem Twitter-Account "G0d" (@_0rbit) habe man bis zur Nacht zu Freitag "keine Kenntnis" gehabt. Auch Seehofer weiß nach eigenen Angaben erst seit Freitagmorgen von den Veröffentlichungen. Für Stirnrunzeln sorgt bei Politikern auch, dass der Twitter-Account noch bis Freitag online war, obwohl beispielsweise das Kanzleramt bereits kurz vor Mitternacht informiert wurde.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte der "Bild am Sonntag", es sei "empörend, dass gestohlene Daten tagelang im Netz präsentiert werden und die zuständige Behörde nichts unternimmt, um die Betroffenen zu informieren und zu schützen". Er rief Bundesinnenminister Seehofer, dem das Bundesamt für IT-Sicherheit unterstellt ist, zum Handeln auf: "Das BSI muss zentrales Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland werden und Innenminister Seehofer muss begreifen, dass dies eine der wichtigsten Aufgaben bei der inneren Sicherheit ist und in den kommenden Jahren auch bleiben wird."

Klingbeil fordert schnelle Aufklärung

Aufklärung wird nun unter anderem von einer Sondersitzung des Bundestag-Innenausschusses am Donnerstag erwartet. "Wir pochen darauf, dass wir so schnell wie möglich Informationen bekommen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Patrick Schnieder. Erst dann lasse sich sagen, ob auch in der Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden etwas schief gelaufen sei und ob es Defizite gebe.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte: "Die zuständigen Gremien des Parlamentes müssen jetzt schnell und genau aufklären, welche Behörde wann was gewusst hat und wie darauf reagiert wurde." Für Seehofer sollte das "Priorität" haben, sagte er den Funke-Zeitungen.

Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) sagte dem ZDF, sie habe Ende des Jahres beim BSI gefragt, "ob es etwas besonderes gibt, worauf man achten muss". Da habe es "keinen Befund" gegeben.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist die AfD als einzige im Bundestag vertretene Partei nicht von dem Datendiebstahl betroffen. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke schrieb am Sonntag auf Facebook: "Die Veröffentlichung privater Daten von Politikern und Prominenten ist ein widerlicher Übergriff, den wir aufs Schärfste verurteilen. Auch wenn es Gegner trifft."

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