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Wandlung

Söder setzt auf Grün

  • Veröffentlicht: 04.08.2019
  • 10:13 Uhr
  • dpa
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Keine Plastiktüten, Klimaschutz als Verfassungsziel, Tierschutz als ethisch-moralische Verpflichtung: CSU-Chef Söder schlägt völlig neue Töne an. Wohin soll das noch führen?

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"Plötzlich grün", "grünes Mäntelchen", "grün, grüner, Söder" - Medien wie politische Gegner staunen derzeit über die neuen Töne von CSU-Chef Markus Söder. Mit seinen Forderungen legt Bayerns Ministerpräsident derzeit einen auch für seine Verhältnisse bemerkenswerten Imagewandel hin: ein im Grundgesetz verankerter Klimaschutz, ein bundesweites Verbot für Plastiktüten oder die bayerische Umsetzung eines bundesweit vorbildlichen Naturschutzgesetzes aus "einer ethisch-moralischen Verantwortung".

Nun überrascht nicht so sehr die Verwandlungskunst des Markus Söder - sei es an Fasching, sei es in der Politik. Schon vor fünf Jahren trat er in der närrischen Zeit als giftgrüner Comic-Held "Shrek" auf. Ein anderes Mal als Punk, als Mahatma Gandhi oder als Edmund Stoiber. Politisch hat sich Söder über die Jahre vom bissigen Generalsekretär über einen von Talkshows begeisterten Minister bis heute zum auf Konsens bedachten Ministerpräsidenten gewandelt.

"Grün, grüner, Söder"

Es ist das Thema, das der CSU-Chef neu entdeckt hat - "grün, grüner, Söder". Bereits nach der Landtagswahl in Bayern im vergangenen Oktober, bei der die Grünen mit knapp 18 Prozent zweitstärkste Partei wurden, machte der damalige CSU-Chef Horst Seehofer deutlich, dass sich seine Partei mehr um grüne Themen kümmern müsse.

Angesichts des Höhenfluges der Grünen in Bayern und bundesweit greift Söder konsequenterweise nun die vor allem von der Jugend forcierte aktuelle Debatte um den Klimaschutz auf. "Laptop und Lederhose" oder "Dirndl und Digitalisierung" gelten weiter. Aber heute müssen eben beide "grün" sein - Innovationen und Naturschutz.

Söder scheint damit Erfolg zu haben. Der jüngste ARD-Deutschlandtrend weist auf eine rasch wachsende Zufriedenheit mit seiner Arbeit hin. Und nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov unterstützt mehr als jeder zweite Befragte (58 Prozent) den Vorschlag zur Hervorhebung des Klimaschutzes im Grundgesetz. Auf der anderen Seite halten aber 55 Prozent Söder für unglaubwürdig. Möglicherweise auch deswegen, weil die CSU noch 2018 im Bundestag gegen einen entsprechenden Vorschlag der Grünen stimmte.

Hinter "Söders Vergrünung" steckt wohl eine Strategie, die weit in die Zukunft reichen soll. Bei der bayerischen Landtagswahl 2023 will er das CSU-Ergebnis wieder über die 40-Prozent-Hürde hieven. Schon diese Aufgabe ist in Zeiten sich grundlegend verändernder Mehrheitsverhältnisse zulasten der alten Volksparteien alles andere als ein Selbstläufer. Gerade die Grünen sind aktuell die größte Herausforderung für die CSU. Hinzu kommt, dass die Grünen für CDU und CSU auf Bundesebene wegen der SPD-Krise schneller als vermutet zum Koalitionspartner werden könnten - thematische Überschneidungen wären da zumindest kein Hindernis.

Wie wird nun Söders Wandel in CSU und CDU aufgenommen?

Wie wird nun Söders Wandel in CSU und CDU aufgenommen? Das ist bei beiden Unionsschwestern nicht ganz unproblematisch. Insbesondere konservativere Kreise müssen hier noch abgeholt und mitgenommen werden, heißt es. Söder hat in den vergangenen Wochen bei zahllosen Reden vor CSU-Anhängern bereits damit begonnen. In der CDU ist derzeit noch keine klare und vor allem einheitliche Linie beim Thema Klimaschutz erkennbar. Wohin die Reise gehen könnte, dürfte erst Ende September deutlicher werden.

Die klimapolitischen Vorstöße aus der Schwesterpartei CSU werden zwar grundsätzlich begrüßt. Doch beim Thema Klimaschutz ins Grundgesetz reagiert man eher zurückhaltend. Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) lässt offen, ob der Klimaschutz tatsächlich Verfassungsrang bekommen sollte. Schließlich werde bereits in Artikel 20a "der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel normiert". Und dazu gehöre nach seinem Verständnis eben auch Klimaschutz, sagte er der dpa.

Inzwischen wird auch diskutiert, ob die rasch ansteigende Beliebtheitskurve Söder nicht doch noch ins Kanzleramt spülen könnte. Dies umso mehr, als er CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei den Sympathiewerten überflügelt. Söder selbst reagiert auf solche Fragen seit Jahren mit einem Augenrollen. Sein Platz sei in Bayern, nicht in Berlin. An der Position habe sich bei Söder auch jetzt nichts geändert, heißt es aus seinem Umfeld. Sein Ziel sei es, in Bayern zwei Legislaturperioden zu regieren.

Ob dies freilich für immer gilt, ist nicht ausgemacht. Aber zumindest plausibel klingt es für den Augenblick. Denn der promovierte Jurist und gelernte Journalist ist nicht dafür bekannt, blauäugig zu sein. Der Medienprofi weiß nur zu gut, wie schnell sich Stimmungen in der Politik ändern können.

Und vor allem weiß Söder, dass die Union angesichts des aktuellen Umfragetiefs von um die 26 Prozent sowie die unübersichtliche Gemengelage in der CDU mit der in die Kritik geratenen Parteivorsitzenden Kramp-Karrenbauer keine Experimente mit CSU-Kanzlerkandidaten verkraften könnte. Egal ob 2002 bei Edmund Stoiber oder 1980 bei Franz Josef Strauß - bundesweit büßte die Union mit einem CSU-Kandidaten immer massiv Stimmen ein - und letztlich reichte es für beide nicht.

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