Große Schäden verursacht
Stärkste Ostsee-Sturmflut seit 2006
- Veröffentlicht: 05.01.2017
- 07:14 Uhr
- dpa
Die stärkste Sturmflut an Deutschlands Ostseeküsten seit 2006 hat in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu Überschwemmungen und Schäden geführt.
Die stärkste Sturmflut an Deutschlands Ostseeküsten seit 2006 hat in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu Überschwemmungen und Schäden geführt. Betroffen waren am Mittwochabend etwa Kiel, Lübeck, Rostock, Warnemünde, Flensburg, Eckernförde, Wismar und Usedom. Auf Rügen wurden einzelne Deiche überspült, unter Wasser gesetzte Autos mussten abgeschleppt werden. Häuser in Strandnähe liefen voll wie bei Heikendorf und Laboe (Kreis Plön) oder in Warnemünde das Restaurant "Seehund". Teils drückte die Sturmflut auch Boote auf Stege.
Auch in anderen Teilen Deutschlands hält das Wetter die Menschen in Atem. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor Unwettern in Teilen Baden-Württembergs und Bayerns am frühen Donnerstagmorgen. Vor allem im Schwarzwald und im Alpenraum sei aufgrund von starkem Schneefall und Schneeverwehungen Vorsicht geboten, sagte ein DWD-Sprecher in Offenbach.
Stärkste Sturmflut seit 2006
An der Ostsee lagen vielerorts die Pegelstände am späten Mittwochabend zwischen 150 und 170 Zentimeter höher als üblich - in Lübeck wurden sogar 1,79 Meter und in Wismar 1,83 gemessen, wie auf "Pegel Online" registriert wurde. Am frühen Donnerstagmorgen war ein Teil des Wassers wieder abgelaufen: Um 02.30 Uhr stand es nach Angaben des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Lübeck noch 1,39 und in Wismar 1,43 Meter höher als normal.
"Es war die stärkste Sturmflut seit 2006", sagte Jürgen Holfert, Leiter des Wasserstanddienstes Ostsee des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Am Donnerstagmorgen dürfte der Wasserstand zwar vielerorts noch einen Meter höher als sonst sein. "Die Gefahren der Sturmflut sind aber gebannt." Die Wasserstände seien etwa zehn Zentimeter höher ausgefallen als prognostiziert, in der Region Lübeck noch etwas mehr.
In Lübeck und Flensburg wurden zahlreiche Autos aus überfluteten Flächen gezogen. Zugänge zur Lübecker Altstadt waren für Fußgänger nicht mehr passierbar. Der Einsatzstab in der Welterbe-Stadt sei kurzfristig personell verstärkt worden wegen zunehmender Notrufe, sagte Matthias Schäfer von der Feuerwehr Lübeck. "Viele Leute hatten ihre Häuser nicht genügend gesichert, wir mussten mit Sandsäcken die Objekte schützen." Ein Polizeisprecher sagte: "Inwieweit es Sachschäden gegeben hat, können wir noch nicht überblicken." Das Holstentor wurde gerade noch von Wassereinbruch verschont.
Alarmstufe 3 auf Usedom
Auf der Insel Usedom verursachte die Sturmflut größere Schäden. Es wurde dort die Alarmstufe 3 ausgerufen. Zwischen Koserow und Zempin habe es Steiluferabbrüche gegeben. Treppenaufgänge, Imbissbuden und Teile von Strandpromenaden seien weggerissen worden, sagte der Sprecher des Kreises Vorpommern-Greifswald, Achim Froitzheim. "Das ist kein Kindergeburtstag. Das ist schlimmer als erwartet."
In Rostock entlang der Warnow waren viele Häuser in einem zwei Kilometer langen Abschnitt gefährdet. Eine Straße war über mehrere Kilometer wegen des Hochwassers gesperrt, in Häuser drang Wasser ein.
Auf der Insel Rügen überspülte das Hochwasser im Bereich Mönchgut-Granitz eine Straße und schnitt einen Ortsteil von der Hauptgemeinde Gager ab. Das Wasser stand rund 40 Zentimeter hoch auf der Zufahrtsstraße. Zudem wurde nach Feuerwehrangaben auf Mönchgut-Granitz ein Deich auf etwa 100 Meter Länge überflutet. Menschen seien nicht gefährdet, hinter dem Deich lägen Wiesen. Rund 120 Feuerwehrleute seien dort alarmiert worden.
In Wismar liefen im Hafenbereich der Altstadt einige Keller voll, wie Stadtsprecher Marco Trunk sagte. Der Pegelstand habe einer schweren Sturmflut entsprochen. Teile des Alten Hafens waren überflutet.
Da in Stralsund die Hafeninsel teilweise überflutet wurde, wurde das Ozeaneum - Mecklenburg-Vorpommerns besucherstärkstes Museum - mit Spundwänden gesichert. In Kiel wurde die Uferstraße an der Förde zwischen dem Institut für Weltwirtschaft und dem Marinehafen überschwemmt.
"Das ist alles futsch"
In Heiligenhafen (Kreis Ostholstein), das bei der Sturmflut 2006 stark getroffen worden war, bewährte sich laut Bürgermeister Heiko Müller das seitdem aufgebaute Hochwasserschutzsystem. Im Hafenbecken sei das Wasser höher als an Land, aber eine 800 Meter lange Spundwand habe das Wasser abgehalten. Allerdings habe es geschneit, und der Schnee sei dann schnell geschmolzen - mit der Folge, dass sich fast Gummistiefelhoch Wasser hinter der Spundwand sammelte. Am Nordstrand wurde erst im Herbst aufgeschütteter Sand vom aufgewühlten Meer weggespült. "Das ist alles futsch", sagte Müller auf dem Deich stehend; das Wasser stand nur noch einen Meter unter der Deichkrone.
Auf Rügen und Usedom hatten die Wellen bereits am Nachmittag an den Stränden genagt. In Binz auf Rügen erreichte das Wasser den Dünenfuß, ebenso in Heringsdorf auf Usedom, wie die Bürgermeister berichteten. Der Fähranleger an der Seebrücke Binz wurde gesperrt, ebenso die Seestege in Bansin und Ahlbeck.
Tief "Axel" sollte von Skandinavien in der Nacht quer über die Ostsee weiter nach Weißrussland ziehen. Vor allem im Osten und Süden Deutschlands kann es laut DWD aber auch am Donnerstag tagsüber noch bei kräftigen Schnee- und Graupelschauern zu Wintergewittern kommen. An den Nordrändern der Mittelgebirge sowie an den Alpen könne es lang anhaltende Schneefälle geben. Im Bergland könnten die Temperaturen über frisch gefallenem Schnee sogar auf minus 20 Grad sinken. Am Freitag sei in ganz Deutschland tagsüber "gemäßigter Frost" bis minus sieben Grad zu erwarten.